Überlastung nordrhein-westfälischer Gerichte

Kleine Anfrage
vom 20.02.2018

Kleine Anfrage 805
des Abgeordneten Thomas Röckemann AfD

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Wie die FAZ in einem Artikel vom 14.8.17 berichtet werden die Verwaltungsgerichte von einer Welle von Asylverfahren überbelastet. So seien mittlerweile 80% der Klagen am Düsseldorfer Verwaltungsgericht Asylklagen.

Auf Grund der zahlreichen Asylverfahren, aber auch wegen Unterbesetzung, warnen nordrhein-westfälische Gerichte vor dem Kollaps. Die Belastungsquote der Mitarbeiter liege bei 270%, wie der Gerichtspräsident Heusch sagt.

Dabei werden aus Furcht vor negativer Presse die Asylverfahren bevorzugt abgearbeitet, während Klagen von Bürgern liegen bleiben, wie etwa im Falle einer schwerbehinderten Studentin, deren Klage auf Nachteilsausgleich nicht rechtskräftig wäre, bevor sie das Studium beendet hätte.

Neben den an den überlasteten Gerichten tätigen Juristen und Angestellten leidet unter solchen Zuständen auch die Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit, etwa wenn wegen Personalmangel gesetzliche Fristen nicht eingehalten werden können, der Bürger unverhältnismäßig lange auf sein Verfahren warten muss oder wegen Zeitmangel nicht die nötige Sorgfalt aufgebracht werden kann.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie schätzt die Landesregierung die Entwicklung der Anzahl an Verfahren in den kommenden fünf Jahren ein?
  2. Sieht die Landesregierung Auswirkungen der oben genannten Zustände auf die Rechtsprechung?
  3. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Mehrkosten, die durch die oben genannten Missstände entstehen?
  4. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die oben genannten Missstände zu beheben?

Thomas Röckemann

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 805 wie folgt:

Vorbemerkung der Landesregierung

Die in der Kleinen Anfrage aufgestellte Behauptung, in der Verwaltungs­gerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen seien „Missstände“ zu beklagen, wird von der Landesregierung nicht geteilt. Bei den nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten war zwar im Jahr 2017 ein Anstieg der Neuzugänge sowohl bei den Haupt- als auch bei den Eilverfahren festzustellen, der ganz maßgeblich auf einem Anstieg der Asylverfahren beruht. Vor dem Hintergrund der Zunahme der verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren wurden und werden aber erhebliche Anstrengungen unter­nommen, damit die Verwaltungsgerichtsbarkeit den ihr obliegenden ver­fassungsrechtlichen Auftrag, jedermann effektiven Rechtsschutz zu ge­währleisten, erfüllen kann. Die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat bereits frühzeitig im Jahr 2015 erkannt, dass ein Anstieg der Verfah­renseingänge in Asylverfahren zu erwarten ist. Mit dem Zweiten und Drit­ten Nachtragshaushaltsgesetz 2015 sind daher insgesamt 98 Planstellen und Stellen zusätzlich zur Verfügung gestellt worden. Mit dem Haushalt 2018 erfolgte eine weitere notwendige personelle Verstärkung der Ver­waltungsgerichtsbarkeit um 96 Planstellen und Stellen. Alle zusätzlich zur Verfügung gestellten Planstellen und Stellen sind bis zum 31. Dezember 2021 befristet.

  1. Wie schätzt die Landesregierung die Entwicklung der Anzahl an Verfahren in den kommenden fünf Jahren ein?

Belastbare Erkenntnisse über die Entwicklung der Fallzahlen bei den nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten in den kommenden fünf Jahren liegen der Landesregierung nicht vor, zumal insoweit auch der künftigen Bearbeitung der Bestände durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) besondere Bedeutung zukommen dürfte. Die Landesregierung wird die Entwicklung fortlaufend beobachten.

  1. Sieht die Landesregierung Auswirkungen der oben genannten Zustände auf die Rechtsprechung?

Aufgrund der bereits frühzeitig erfolgten Personalverstärkung sind keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Rechtsprechung festzustellen. Zwar sind die Verfahrenslaufzeiten im Jahr 2017 geringfügig gegenüber dem Vorjahresniveau gestiegen, sie liegen aber bei einer Langzeitbetrachtung immer noch unter den Werten des Jahres 2015. So hat sich die durch­schnittliche Bearbeitungsdauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren in Hauptsacheverfahren von 8,8 Monaten im Jahr 2015 auf 8,1 Monate im Jahr 2017 verringert; in Eilverfahren liegt sie konstant bei 1,4 Monaten.

  1. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Mehrkosten, die durch die oben genannten Missstände entstehen?

Abgesehen von den — in den jeweiligen Haushaltsgesetzgebungsverfah­ren aufgezeigten — Mehrkosten, die mit der befristeten Personalverstär­kung verbunden sind, werden voraussichtlich Kosten für die Ausstattung der neuen Arbeitsplätze und gegebenenfalls Anmietung zusätzlicher Bü­rofläche anfallen, die derzeit noch nicht abschließend benannt werden können. Mehrkosten, die aufgrund der steigenden Asylverfahren darüber hinaus entstehen werden, können aufgrund fehlender belastbarer Er­kenntnisse über die Entwicklung der Fallzahlen (s. Antwort zu Frage 1) nicht abschließend eingeschätzt werden, zumal die Gebühren und Aus­lagen für die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht nach Sach­gebieten differenziert gebucht werden.

  1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die oben genannten Missstände zu beheben?

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen sind aufgrund der ergriffenen Maßnahmen keine „Missstände“ zu beklagen. Im Übrigen wird die Landesregierung die weitere Entwicklung fortlaufend be­obachten und die insoweit gegebenenfalls notwendigen Maßnahmen tref­fen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Biesenbach