Kleine Anfrage 332
der Abgeordneten Christian Loose, Carlo Clemens und Zacharias Schalley vom 17.08.2022
Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie – Welche zusätzlichen Kosten kommen auf das Land zu?
Bis zum 12. Januar 2023 muss die neue EU-Trinkwasserrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür wird eine Änderung der Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz (IfSG) notwendig.1 Damit verbunden ist die Risikobewertung der Hausinstallationen auf Basis eines Wassersicherheitsplanes. Erstmals gibt es festgelegte Grenzwerte für Legionellen, womit die Bewertung von Risiken für Hausinstallationen verpflichtend wird.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, ein Risikomanagement zu etablieren, und die Verpflichtung, dass Eigentümer über die Gefahren und die richtige Nutzung der Hausinstallation informieren.
Die Ausgestaltung des risikobasierten Ansatzes wird jedoch nicht den Mitgliedsstaaten überlassen, sondern die EU-Institutionen geben die Einführung für alle Wasserversorger von der Entnahmestelle bis zum Wasserhahn vor. Dieser gewählte Weg bedeutet vor allen Dingen für die Wasserversorger einen erheblichen Mehraufwand, welche ohnehin ein großes Interesse an einer hohen Trinkwasserqualität haben. Auch führt die aufwendige Prüfliste zu Mehrkosten, obwohl aufgrund der bisher bereits geltenden Standards kaum von einem wirklichen Gesundheitsrisiko auszugehen ist.
Sollte die EU-Richtlinie, so wie sie jetzt von der EU beschlossen wurde, die deutsche Trinkwasserverordnung ablösen, kämen massive Zusatzkosten auf das Land und die Kommunen zu. Im Moment wird in öffentlichen Gebäuden zur Vermeidung einer Legionellenverkeimung u.ä. das Wasser auf mindestens 60 Grad erhitzt.
Das Konzept der EU sieht umfangreiche „präventive“ Maßnahmen vor. Hierfür ist jedes öffentliche Gebäude von einem Fachmann (in der Regel von einem entsprechenden Ingenieur) zu begutachten und zu prüfen, ob es die Anforderungen der neuen Trinkwasserrichtlinie erfüllt. Danach sind – je nach Ergebnis des Gutachtens – Maßnahmen umzusetzen. Nach erster Einschätzung könnte das jede öffentliche Einrichtung betreffen, also Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen, Altersheime, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Strafvollzugsanstalten etc. Es trifft auch Bildungseinrichtungen, Beherbergungsbetriebe, Restaurants und Gaststätten, Sport- und Einkaufszentren, Freizeit-, Erholungs- und Ausstellungseinrichtungen sowie Campingplätze.2
Für die Prüfung der Anforderungen sowie für die Umsetzung der Maßnahmen wäre wohl eine unglaublich hohe Anzahl von Ingenieuren nötig.
Vor diesem Hintergrund fragen wir :
- Inwiefern hält die Landesregierung die bestehenden Regelungen zur Trinkwasserreinigung für ausreichend, so dass eine Umsetzung der EU-Richtlinie nicht erforderlich wäre?
- Falls die EU-Richtlinie übernommen wird, wie viele Einrichtungen in NRW sind von der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie betroffen?
- Welche Kosten erwartet die Landesregierung allein durch die Begutachtung aller Gebäude in kommunaler Hand?
- Welche Kosten erwartet die Landesregierung durch die daraus erfolgenden Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie, falls die Begutachtung zu dem Ergebnis kommt, dass die Installationen in den kommunalen Gebäuden nicht ausreichend sind?
- Wie bewertet die Landesregierung die vorhandenen Kapazitäten von fachspezifischen Ingenieuren, die zur Begutachtung der öffentlichen Gebäude eingesetzt werden müssen?
Christian Loose
Zacharias Schalley
Carlo Clemens
1 https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-899800
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 332 mit Schreiben vom 14. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Finanzen, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
1. Inwiefern hält die Landesregierung die bestehenden Regelungen zur Trinkwasserreinigung für ausreichend, so dass eine Umsetzung der EU-Richtlinie nicht erforderlich wäre?
Die Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, die Trinkwasserrichtlinie (TW-RL), ist am 12. Januar 2021 in Kraft getreten. Nach Artikel 24 der Richtlinie sind die erforderlichen Anpassungen zur Erfüllung der neuen Vorgaben im Recht der Mitgliedstaaten bis zum 12. Januar 2023 vorzunehmen. Da es in Deutschland Anpassungsbedarf gibt, ist der Verzicht auf eine Umsetzung keine Option. Eine nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Umsetzung der TW-RL würde einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht darstellen und ein Ver-tragsverletzungsverfahren der Kommission nach sich ziehen.
Durch Umsetzung der TW-RL soll insbesondere auch der Zugang zu Wasser verbessert und die Verwendung von Leitungswasser gefördert werden. Zusätzlich soll die Effizienz der Wasserversorgung erhöht werden, indem die Kontrolle vom Endprodukt Trinkwasser stärker auf die Prozesse der Trinkwassergewinnung, -aufbereitung und –verteilung vorverlagert wird.
Insgesamt erfolgt die Trinkwasserversorgung in Nordrhein-Westfalen bereits auf einem hohen Qualitäts- und Zuverlässigkeitsniveau. Ziel der Landesregierung ist es, dieses hohe Qualitätsniveau langfristig zu sichern und wenn möglich zu steigern.
2. Falls die EU-Richtlinie übernommen wird, wie viele Einrichtungen in NRW sind von der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie betroffen?
Die Umsetzung der TW-RL betrifft alle Bürgerinnen und Bürger sowie alle Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen. So wird beispielsweise der Verbraucherschutz und das Vertrauen in die Wasserversorgung durch an den aktuellen Wissensstand angepasste Qualitätsparameter, durch zusätzliche Informationspflichten und eine damit einhergehende verbesserte Transparenz sowie durch einen verbesserten Zugang zu Wasser gestärkt. Trinkwasserinstallationen in öffentlichen Gebäuden werden bereits nach aktuell gültiger Fassung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) durch die jeweils zuständigen Gesundheitsämter überwacht.
3. Welche Kosten erwartet die Landesregierung allein durch die Begutachtung aller Gebäude in kommunaler Hand?
Nach Artikel 10 der TW-RL müssen die Mitgliedstaaten zukünftig dafür Sorge tragen, dass Hausinstallationen einer Risikobewertung unterzogen werden. Diese umfasst unter anderem eine allgemeine Analyse der Risiken, die von verwendeten Produkten und Materialien und Werkstoffen ausgehen können. Die TW-RL stellt allerdings klar, dass diese allgemeine Analyse keine einzelnen Objekte umfasst. Daher ist vorgesehen, dass das Umweltbundesamt eine allgemeine Bewertung der von Trinkwasserinstallationen in Deutschland ausgehenden gesundheitlichen Risiken durchführt und bei Bedarf regelmäßig aktualisiert. Eine individuelle Begutachtung aller Gebäude in kommunaler Hand ist auch nach vollständiger Umsetzung der TW-RL nicht erforderlich. Zusätzliche Kosten für die allgemeine Risikobewertung der Hausinstallationen entstehen demnach nur dem Bund.
Bereits nach bestehender TrinkwV müssen allerdings Trinkwasserinstallationen in öffentlichen Gebäuden, in denen sich Großanlagen zur Trinkwassererwärmung befinden und die gleichzeitig Einrichtungen enthalten, in denen es zu einer Vernebelung des Trinkwassers kommt (z.B. Duschen), in der Regel einmal jährlich auf den Parameter Legionella spec. untersucht werden. Bei auffälligen Untersuchungsergebnissen ist eine Bewertung dieser Trinkwasserinstallation erforderlich, die immer auch eine Ortsbesichtigung der betroffenen Trinkwasserinstallation umfasst.
4. Welche Kosten erwartet die Landesregierung durch die daraus erfolgenden Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie, falls die Begutachtung zu dem Ergebnis kommt, dass die Installationen in den kommunalen Gebäuden nicht ausreichend sind?
Mögliche Folgekosten einer allgemeinen Risikobewertung von Hausinstallationen durch das Umweltbundesamt sind nicht vorhersehbar. In Deutschland ist eine Untersuchungspflicht für Legionella spec. bereits seit vielen Jahren etabliert, so dass für diesen, in der TW-RL neu aufgenommenen Parameter, keine zusätzlichen Kosten zu erwarten sind.
Sollten in kommunalen Gebäuden vereinzelt noch alte Bleileitungen vorhanden sein, können durch die mit der Umsetzung der TW-RL vorgesehene Stilllegungspflicht für alte Bleileitungen Maßnahmen erforderlich sein. Die dadurch entstehenden Kosten sind von den Bedingungen vor Ort abhängig und können nicht pauschal beziffert werden.
5. Wie bewertet die Landesregierung die vorhandenen Kapazitäten von fachspezifischen Ingenieuren, die zur Begutachtung der öffentlichen Gebäude eingesetzt werden müssen?
Fachkräfte, die befähigt sind, Trinkwasserinstallationen zu bewerten, zum Beispiel Hygieneinspekteurinnen und Hygieneinspekteure, erfahren nach Einschätzung der Landesregierung eine hohe Nachfrage. In der Regel kann die Nachfrage in überschaubaren Zeiträumen bedient werden. Ein Engpass für fachgutachterliche Dienstleistungen im Bereich der Trinkwasserhygiene, der über das übliche Maß des allgemeinen Fachkräftemangels hinausgeht, ist der Landesregierung nicht bekannt.