Kleine Anfrage 4608
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Ungewöhnliche Betriebsamkeit der Landesregierung im Nachgang des Terroranschlags von Solingen – Wie wirksam sind die angekündigten migrationspolitischen Maßnahmen in der Realität?
Im Rahmen eine Unterrichtung stellte der Ministerpräsident des Landes NRW am 11.09.2024 als Reaktion auf den Terroranschlag von Solingen ein Umfangreiches Maßnahmenpakte vor. Dies besteht aus den drei Säulen Sicherheit, Migration und Prävention. Neben der Frage, warum vorherige vergleichbare Terroranschläge keine derartige Betriebsamkeit ausgelöst haben, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der migrationspolitischen Maßnahmen, die zum Teil in der Verantwortung des Landes, überwiegend aber in der Verantwortung des Bundes liegen.
Als erste Maßnahme des Landes sollen die Verwaltungsgerichte, welche in ihrer Arbeitsbelastung erheblich von den zahlreichen Asylverfahren betroffen sind, durch die Einrichtung dreier zusätzlicher Kammern entlastet werden. Dies entspricht zwar grundsätzlich den Forderungen der Verwaltungsgerichte nach mehr Personal, die Frage ist aber, was drei zusätzliche Kammern leisten können.
Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 29a) sollen künftig unbefristet (bisher maximal 24 Monate) verpflichtet werden, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29a als offensichtlich unbegründet oder nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Hierzu gab es noch in der letzten Legislaturperiode spezielle Unterbringungseinrichtungen für das sogenannte „beschleunigte Verfahren“ gemäß § 30a AsylG, welche in dieser Form allerdings nicht mehr existieren. Es stellt sich in diesem Zusammenhang zudem die Frage, warum die Aufenthaltszeit in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes (ZUE) derzeit in 4 von 5 Fällen maximal 9 Monate beträgt, obwohl fast alle Asylverfahren länger dauern.
Zur personellen Stärkung der ZABen zwecks Ausbaus der Unterstützung von Abschiebungen in NRW durch sie sind erhebliche personelle Mittel und sicherlich auch zusätzliche Einrichtungen erforderlich. Notwendig ist nicht nur zusätzliches Personal, sondern auch zusätzliches Material und zusätzliche Immobilien. Mit der bisher angekündigten finanziellen Stärkung der ZABen durch die Landesregierung ist dies nicht möglich.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Zuständigkeit des Landes ist der Ausbau der Abschiebehaftplätze. Hierbei ist es innerhalb der Landesregierung zu gewissen Irritationen gekommen. Zunächst wurde das Projekt der neuen Einrichtung am Düsseldorfer Flughafen durch die Ministerin für Flucht und Integration zurückgezogen, nur um nach Solingen durch den Ministerpräsidenten wiederbelebt zu werden. Unbekannt sind dabei bisher der Zeitrahmen sowie die Anzahl der zusätzlichen Haftplätze.
Alle weiteren im Maßnahmenplan Migration genannten Initiativen im Zuständigkeitsbereich des Landes beziehen sich auf konkrete Abläufe der Behörden bzw. IT-/Softwareverfahren. Hier stellt sich die Maßnahme, warum dies nicht längst umgesetzt wurde. Kurios wird es, wenn die Landesregierung jetzt plötzlich nach Solingen ankündigt, die eigene Erlasslage überprüfen zu wollen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele zusätzliche Asylverfahren könnten die drei geplanten neuen Kammern bei den Verwaltungsgerichten pro Jahr bewältigen? (Bitte in diesem Zusammenhang, ausgehend von den Erfahrungen der bestehenden Kammern, einen ungefähren Durchschnittswert errechnen)
- Inwiefern ist es geplant, zur effektiveren Rückführung von Personen aus sicheren Herkunftsländern gemäß § 29 AsylG sowie anderen dort genannten Personengruppen erneut Unterbringungseinrichtungen speziell zur Durchführung des beschleunigten Verfahrens gemäß § 30a AsylG vorzusehen? (Bitte zum aktuellen Planungsstand ausführen)
- In welcher Höhe sollen die ZABen über die bisher im Haushaltsentwurf 2025 angekündigten Mittel hinaus finanzielle Mittel erhalten, um die im Maßnahmenplan vom 11.09.2024 angekündigten neuen Aufgaben bewältigen zu können?
- Wie ist der aktuelle Planungsstand in Bezug auf eine Erweiterung der Abschiebehaftplätze in NRW? (Bitte für die Einrichtungen in Büren und Düsseldorf einen ungefähren Zeitrahmen angeben, wann und in welchem Umfang neue Abschiebehaftplätze zur Verfügung stehen sollen)
- In der zweiten Säule des Maßnahmenplans der Landesregierung (Migration) beziehen sich die angekündigten Maßnahmen 4–7 und 91 auf Abläufe bei den Behörden bzw. IT-/Softwareverfahren. Bis wann sollen die einzelnen Maßnahmen jeweils umgesetzt werden? (Bitte einzeln ausführen und dabei ein ungefähres Datum nennen)
Enxhi Seli-Zacharias
1 Einführung eines einheitlichen IT-Fachverfahrens der Zentralen Ausländerbehörden (ZAB.NRW); Einführung einheitlicher Software bei den Betreuungs- und Sicherheitsdienstleistenden; Maßnahmen zur Steigerung der Erfolgsquote bei Dublin-Überstellungen; Überprüfung der Erlasslage zum Komplex „Abschiebungen“ und Zugriff auf An- und Abwesenheitssysteme in Landeseinrichtungen durch ZABen
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4608 mit Schreiben vom 17. Dezember 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie viele zusätzliche Asylverfahren könnten die drei geplanten neuen Kammern bei den Verwaltungsgerichten pro Jahr bewältigen? (Bitte in diesem Zusammenhang, ausgehend von den Erfahrungen der bestehenden Kammern, einen ungefähren Durchschnittswert errechnen)
Die Einrichtung von drei neuen Kammern bei den Verwaltungsgerichten stellt in Kombination mit den bereits ergriffenen Maßnahmen einen weiteren wesentlichen Baustein zur Bewältigung der Asylverfahren dar. Die erbetene Prognose einer konkreten Zahl verbietet sich indes mit Blick auf die Vielzahl der Einflussfaktoren auf die Erledigungszahlen wie auch mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit.
- Inwiefern ist es geplant, zur effektiveren Rückführung von Personen aus sicheren Herkunftsländern gemäß § 29 AsylG sowie anderen dort genannten Personengruppen erneut Unterbringungseinrichtungen speziell zur Durchführung des beschleunigten Verfahrens gemäß § 30a AsylG vorzusehen? (Bitte zum aktuellen Planungsstand ausführen)
Die Landesregierung prüft derzeit die gesamten Abläufe und Strukturen und Prozesse auf mögliche Optimierungsbedarfe. Ungeachtet dessen sind die Zentralen Ausländerbehörden (ZABen) grundsätzlich darauf eingerichtet, Rückführungen aus allen Landeseinrichtungen ungeachtet des Herkunftsstaates (bzw. des Zielstaates) und ungeachtet einer Widmung durchzuführen.
- In welcher Höhe sollen die ZABen über die bisher im Haushaltsentwurf 2025 angekündigten Mittel hinaus finanzielle Mittel erhalten, um die im Maßnahmenplan vom 11.09.2024 angekündigten neuen Aufgaben bewältigen zu können?
Die Landesregierung befindet sich zur Finanzierung der geplanten Maßnahmen in enger Abstimmung. Gegenüber der Aufstellung des gegenwärtig in Beratung befindlichen Haushaltsentwurfes für 2025 hat sich eine neue Sachlage ergeben. Daher werden die notwendigen Haushaltsmittel im Rahmen der Ergänzungsvorlage zum Haushaltsentwurf 2025 – Landtagsdrucksache 18/11300 – insbesondere für folgende Zwecke bereitgestellt:
– für die personelle Stärkung der Zentralen Ausländerbehörden zwecks Ausbaus der Unterstützung von Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen durch die Zentralen Ausländerbehörden 5,5 Mio. Euro bei Kap. 07 090 Titel 633 10,
– zur Einführung eines einheitlichen IT-Fachverfahrens aller in NRW mit ausländerrechtlichen Zuständigkeiten betrauten Landesbehörden, insbesondere der Zentralen Ausländerbehörden 2,35 Mio. Euro bei Kap. 07 090 Titel 538 00 sowie
– zur Verbesserung der Datenverarbeitung, insbesondere der Verwendung biometrischer Daten zur Identitätsprüfung, bei den Zentralen Ausländerbehörden 1,5 Mio. Euro bei Kap. 07 090 Titel 538 00.
Auf die Seite 5 der Landtagsdrucksache 18/11300 sowie die Seiten 3 und 4 der Anlage 1 dieser Drucksache wird verwiesen.
- Wie ist der aktuelle Planungsstand in Bezug auf eine Erweiterung der Abschiebe-haftplätze in NRW? (Bitte für die Einrichtungen in Büren und Düsseldorf einen ungefähren Zeitrahmen angeben, wann und in welchem Umfang neue Abschiebe-haftplätze zur Verfügung stehen sollen)
Die Landesregierung hat am 10.09.2024 ein umfassendes Paket zu Sicherheit, Migration und Prävention in Nordrhein-Westfalen im Kabinett beschlossen. Das Maßnahmenpaket der Landesregierung verfolgt das Ziel durch konsequentes Handeln die Erfolgsquoten bei Abschiebungen zu steigern. Vor diesem Hintergrund wird erwartet, dass der Bedarf an Abschiebungs-haftplätzen sukzessive ansteigen wird. Daher hat das Land unabhängig von der bestehenden Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren Planungen für eine weitere Abschie-behaftanstalt aufgenommen.
- In der zweiten Säule des Maßnahmenplans der Landesregierung (Migration) beziehen sich die angekündigten Maßnahmen 4–7 und 9 auf Abläufe bei den Behörden bzw. IT- / Softwareverfahren. Bis wann sollen die einzelnen Maßnahmen jeweils umgesetzt werden? (Bitte einzeln ausführen und dabei ein ungefähres Datum nennen)
Die Maßnahmen 4-7 werden kurz- bis mittelfristig umgesetzt werden und die Maßnahme 9 kurzfristig.