Kleine Anfrage 2411
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Unna: Massenschlägerei in Flüchtlingsunterkunft – Ein Mann schwer verletzt. Wie gefährlich sind Flüchtlingsunterkünfte?
Am Abend des Mittwoch, den 16.08.2023, kam es in einer Flüchtlingsunterkunft in Unna zu einer Massenschlägerei, an der „mehrere hundert Menschen“1 beteiligt gewesen sein sollen. Dabei seien zwei Männer verletzt worden. Ein weiterer 24-Jähriger gelte sogar als schwer verletzt. Um den Vorfall zu besänftigen, seien „zahlreiche Einsatzkräfte“2 für mehr als zwei Stunden in der Erstaufnahmeeinrichtung in Unna-Massen beschäftigt gewesen. Die insgesamt drei verletzten Personen seien vorläufig festgenommen worden. Unter ihnen befand sich demnach auch der 24-jährige Mann, der aufgrund seiner schweren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Bei den beiden weiteren festgenommenen Tatverdächtigen soll es sich um einen 22-Jährigen und einen 24-Jährigen handeln, die während der Schlägerei leicht verletzt worden sein sollen. Die weiteren Ermittlungen dauern noch weiter an, auch die Hintergründe sowie der Auslöser der Massenschlägerei konnten noch nicht ermittelt werden.3
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Zu wie vielen Straftaten kam es in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Unna seit ihrer Eröffnung? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln.)
- Bei wie vielen dieser Delikte wurden Mitarbeiter, Sicherheitspersonal, ehrenamtliche Helfer oder Polizisten verletzt? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln.)
- Wie oft kam es in diesem Jahr bereits zu Polizeieinsätzen in Flüchtlingsunterkünften in NRW? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln.)
- Wie schätzt die Landesregierung die aktuelle Lage in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften ein? (Bitte Faktoren wie aktuelle Vorfälle von Gewaltverbrechen, die Anzahl der Bewohner und sonstige relevante Aspekte in der Antwort berücksichtigen.)
Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias
1 https:// rp -online.de/nrw/panorama/unna-ein-schwerverletzter-bei-massenschlaegerei-in-fluechtlingsunterkunft_aid-95848933.
2 Ebenda.
3 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2411 mit Schreiben vom 11. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssiche-rungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten für das Jahr 2023 derzeit noch nicht qualitätsgesichert vor.
- Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Dortmund hat dem Ministerium der Justiz hierzu unter dem 8. September 2023 berichtet, ihm lägen bislang lediglich Auszüge aus den polizeilichen Ermittlungsvorgängen mit Stand vom 17.08.2023 vor, aus denen sich ergebe, dass es am Abend des 16.08.2023 in der Flüchtlingsunterkunft an der Lippestraße in Unna zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung zwischen zahlreichen Personen gekommen sei, wobei auch Gürtel und Stühle als Schlagwerkzeuge verwendet worden seien. Mehrere Personen seien verletzt worden.
Auf dieser Grundlage seien bei der Staatsanwaltschaft Dortmund fünf Personen als Beschuldigte erfasst worden, die im Verdacht stünden, an der körperlichen Auseinandersetzung als Täter beteiligt gewesen zu sein. Drei dieser Personen seien von der Polizei vorläufig festgenommen worden. Ermittelt werde wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung.
Bei einem der Beschuldigten seien Betäubungsmittel gefunden worden, weswegen gegen ihn auch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln ermittelt werde. Ein anderer Beschuldigter sei zudem des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verdächtig: Er solle sich gewaltsam seiner vorläufigen Festnahme, durch Tritte nach den Polizeibeamten widersetzt, diese aber verfehlt haben.
Zwei der als Beschuldigte erfassten Personen seien algerische Staatsangehörige, drei Beschuldigte seien tunesische Staatsangehörige. Die Beschuldigten seien nicht vorbestraft.
Da die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft nicht gegeben gewesen seien, seien die vorläufig festgenommenen Personen wieder entlassen worden.
- Zu wie vielen Straftaten kam es in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Unna seit ihrer Eröffnung? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln.)
Der Vertrag zur Gründung der Erstaufnahmeeinrichtung in Unna-Massen wurde 2013 geschlossen. Die folgenden Auswertungen basieren daher auf den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2022.
Die Anzahl der Straftaten bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen:
Jahr | Fälle |
2013 | 23 |
2014 | 73 |
2015 | 93 |
2016 | 35 |
2017 | 96 |
2018 | 142 |
2019 | 235 |
2020 | 190 |
2021 | 88 |
2022 | 179 |
- Bei wie vielen dieser Delikte wurden Mitarbeiter, Sicherheitspersonal, ehrenamtliche Helfer oder Polizisten verletzt? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln.)
In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden nicht zu allen strafbaren Handlungen Opferdaten erfasst. Opfer sind Geschädigte/unmittelbar Betroffene speziell definierter Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung) sowie Widerstandsdelikte, soweit diese im Straftatenkatalog zur Opfererfassung gekennzeichnet sind. Bestandteil der Informationen, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik für Opfer erfasst werden, ist die Opferspezifik. Die Erfassung der Merkmale der Op-ferspezifik erfolgt unter der Bedingung, dass die Tatmotivation in den personen-, berufs- bzw. verhaltensbezogenen Merkmalen des Opfers begründet ist oder in Beziehung dazu steht (sachlicher Zusammenhang).
In der Opferspezifik der Polizeilichen Kriminalstatistik werden unter anderem verschiedene Berufsgruppen erfasst. Hierzu zählen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des privaten Bewachungsgewerbes. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften oder ehrenamtliche Helferinnen und Helfer werden nicht separat erfasst.
In der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen wird erst seit dem Jahr 2019 bei Opfern auch der Verletzungsgrad erfasst.
Die Anzahl der verletzen Opfer bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen:
Jahr | Polizei | Bewachungsgewerbe – privat |
2019 | 0 | 0 |
2020 | 0 | 5 |
2021 | 1 | 1 |
2022 | 1 | 6 |
- Wie oft kam es in diesem Jahr bereits zu Polizeieinsätzen in Flüchtlingsunterkünften in NRW? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln.)
Zur Beantwortung der Frage wurde das Einsatzbearbeitungssystem der Polizei Nordrhein-Westfalen hinsichtlich aller unter Landesaufsicht stehenden Unterkünfte sowie kommunalen Unterkünfte mit einer Mindestbelegungszahl von 20 Plätzen ausgewertet. Im Rahmen der Auswertung wurde nicht unterschieden, ob die Einsätze in der Unterkunft oder in der unmittelbaren Umgebung stattfanden. Dies hätte eine Durchsicht der einzelnen Vorgänge vorausgesetzt und war mit vertretbarem Verwaltungsaufwand in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten.
Demnach kam es in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr bis zum 31.08.2023 zu 11.750 entsprechenden Einsätzen.
- Wie schätzt die Landesregierung die aktuelle Lage in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften ein? (Bitte Faktoren wie aktuelle Vorfälle von Gewaltverbrechen, die Anzahl der Bewohner und sonstige relevante Aspekte in der Antwort berücksichtigen.)
Die Landesregierung unterrichtet den Landtag mit dem „Sachstandsbericht staatliches Asylsystem“ und dem Sachstandsbericht „Aktueller Sachstand zur Zuweisung, Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen in Nordrhein-Westfalen“ regelmäßig auch über die Lage in den Landeseinrichtungen. Die erbetenen Informationen können diesen Berichten entnommen werden.