Unterbringung unbegleiteter, minderjähriger Ausländer in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2019–2022

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1143
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Andreas Keith vom 25.01.2023

Unterbringung unbegleiteter, minderjähriger Ausländer in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 20192022

Wie schon unmittelbar im Rahmen der ab dem Jahr 2015 eingetretenen Flüchtlingskrise, so sind auch ab dem Jahr 2019 zahlreiche unbegleitete minderjährige Ausländer – sog. umA – nach Deutschland und in das Land Nordrhein-Westfalen eingereist. Im Jahr 2022 war ein weiterer signifikanter Anstieg auf bisher 3.835 Personen (Stand 04. November 2022) zu verzeichnen.1

Die Unterbringung und Betreuung von umA erfolgt im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII. Der einschlägigen gesetzlichen Ausgestaltung zufolge können die entsprechenden Leistungen u. U. bis zum 27. Lebensjahr gewährt werden. Jedoch liegen zahlreiche Berichte darüber vor, dass viele der nach Deutschland einreisenden umA ein geringeres als das tatsächliche Alter vorspiegeln, um eine günstigere Bleibeperspektive sowie sonst eventuell nicht zu erhaltende Sozialleistungen zu erlangen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie wurden unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 in Nordrhein-Westfalen nach der Erstregistrierung auf die Kreise und kreisfreien Städten verteilt? (Bitte nach Kreis bzw. kreisfreier Stadt und Anzahl differenziert listen)
  2. Wie viele der unter Punkt 1 erfragten unbegleiteten minderjährigen Ausländer waren weiblichen und wie viele männlichen Geschlechts (bitte für die erfragten Jahre nach Kreis und kreisfreien Städten gesondert aufschlüsseln analog zur Antwort der Landesregierung Hessen auf die Kleine Anfrage 20/9433)?
  3. Welche Informationen liegen der Landesregierung zur jeweiligen Unterbringungsform in den Kreisen und kreisfreien Städte vor?
  4. Mit welchen Verfahren und Methoden wird das tatsächliche Alter der antragstellenden umA in Nordrhein-Westfalen überprüft? (Bitte für die Jahre 2019 bis 2022 differenziert nach Anzahl, Prüfung durch Inaugenscheinnahme des Jugendamts, Prüfung durch Ausweisdokument und Prüfung durch medizinische Altersuntersuchung listen)
  5. Wie verteilen sich die in den Jahren 2019-2022 durchgeführten medizinischen Altersbestimmungen quantitativ auf die Erstaufnahme bzw. Erstregistrierung sowie auf die Kreise bzw. kreisfreien Städte?

Enxhi Seli-Zacharias
Andreas Keith

 

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1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/2340


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1143 mit Schreiben vom 28 Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwor­tet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dem bundesgesetzlich festgeschriebenen Alters-feststellungsverfahren um ein komplexes Verfahren handelt. Die nordrhein-westfälischen Ju­gendämter prüfen ordnungsgemäß und gewissenhaft, ob Minderjährigkeit vorliegt.

Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung zur Beantwortung der Kleinen Anfrage 2901 der 17. Wahlperiode (Drucksache 17/7514) verwiesen.

  1. Wie wurden unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 in Nordrhein-Westfalen nach der Erstregistrierung auf die Kreise und kreisfreien Städten verteilt? (Bitte nach Kreis bzw. kreisfreier Stadt und An­zahl differenziert listen)
  2. Wie viele der unter Punkt 1 erfragten unbegleiteten minderjährigen Ausländer wa­ren weiblichen und wie viele männlichen Geschlechts (bitte für die erfragten Jahre nach Kreis und kreisfreien Städten gesondert aufschlüsseln analog zur Antwort der Landesregierung Hessen auf die Kleine Anfrage 20/9433)?

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammen beantwortet.

Es wird davon ausgegangen, dass mit Frage 1 die Zuweisungen zur regulären Inobhutnahme innerhalb Nordrhein-Westfalens nach der vorläufigen Inobhutnahme von unbegleiteten Min­derjährigen erfragt werden. In Anlage 1 ist gefiltert nach Geschlecht dargestellt, wie viele un­begleitete minderjährige Flüchtlinge – entsprechend der Erläuterung in der Vorbemerkung – den nordrhein-westfälischen Jugendämtern von der für die Verteilung zuständigen Landes-stelle NRW in den Jahren 2019 bis 2022 zugewiesen wurden.

  1. Welche Informationen liegen der Landesregierung zur jeweiligen Unterbringungs­form in den Kreisen und kreisfreien Städte vor?

Der Landesregierung liegen zu den konkreten Unterbringungsformen in den jeweiligen Ju­gendämtern keine Informationen vor. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 2 der Kleinen Anfrage 2901 der 17. Wahlperiode (Drucksache 17/7514) verwiesen.

  1. Mit welchen Verfahren und Methoden wird das tatsächliche Alter der antragstellenden umA in Nordrhein-Westfalen überprüft? (Bitte für die Jahre 2019 bis 2022 differenziert nach Anzahl, Prüfung durch Inaugenscheinnahme des Jugendamts, Prüfung durch Ausweisdokument und Prüfung durch medizinische Altersuntersu­chung listen)

Durch das für die vorläufige Inobhutnahme zuständige Jugendamt ist eine Altersfeststellung vorzunehmen, für die gem. § 42 f SGB VIII bundesgesetzlich ein abgestuftes Verfahren zur Verifizierung der Minderjährigkeit vorgesehen ist. Sofern Ausweispapiere vorliegen, sind diese zur Grundlage der Altersfeststellung zu nehmen. Sollten keine eindeutigen Ausweispapiere vorliegen, mit denen das Alter festgestellt werden kann, ist mittels qualifizierter Inaugenschein-nahme das Alter einzuschätzen. Dabei handelt es sich um eine Gesamtwürdigung des Ein­drucks der Person, der sich aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Eindruck aus dem Erstgespräch ergibt. Bleiben nach dem Ermessen des Jugendamts weiterhin Zweifel an der Minderjährigkeit der oder des jungen Geflüchteten, ist eine ärztliche Untersuchung zu veran­lassen.

Anlässlich der Großen Anfrage 21 der 17. Wahlperiode (Drucksache 17/10695) wurde für die Jahre 2014 bis 2019 eine Abfrage bei den Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Von 186 Jugendämtern haben 85 ein Rückmeldung gegeben (rund 46 %), sodass die Abfrage keine valide Auskunft ermöglicht, aber eine Tendenz anzeigt. Die teilnehmenden Jugendämter haben überwiegend rückgemeldet, dass auch bei Vorliegen von Ausweispapieren regelmäßig zusätzlich eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durchgeführt wird. Volljährigkeitsschätzun­gen erfolgen nach Kenntnis der Landesregierung überwiegend bereits vor einer medizinischen Untersuchung als Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme. Die prozentualen Anga­ben zum Jahr 2019 können der Anlage 2 entnommen werden. Eine entsprechende Abfrage für die Jahre 2020 bis 2022 ist innerhalb der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht umsetzbar.

  1. Wie verteilen sich die in den Jahren 2019-2022 durchgeführten medizinischen Al­tersbestimmungen quantitativ auf die Erstaufnahme bzw. Erstregistrierung sowie auf die Kreise bzw. kreisfreien Städte?

Für unbegleitete Minderjährige findet keine Erstaufnahme bzw. Erstregistrierung wie bei regu­lären Asylsuchenden statt. Für die Altersfeststellung ist das Jugendamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die unbegleitete Einreise festgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund wird die Frage 5 so verstanden, dass angegeben werden soll, in welchen Jugendämtern zur Altersfeststellung wie viele medizinische Untersuchungen durchgeführt wurden. Da der Lan­desregierung für das Jahr 2019 keine vollständigen und für die Jahre 2020 bis 2022 keine Informationen vorliegen, können dazu keine validen Angaben gemacht werden. Eine Abfrage bei den Jugendämtern ist innerhalb der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfü­gung stehenden Zeit nicht möglich. Da die Jugendämter zur Beantwortung nicht verpflichtet sind und die Daten regelmäßig händisch auszuwerten wären, ist vor dem Hintergrund der ak­tuellen Arbeitsbelastung der örtlichen Träger der Jugendhilfe zudem zweifelhaft, ob eine Ab­frage zu validen Ergebnissen führen würde.

 

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