Unterdrückung legitimer Kritik durch die geplante Meldestelle „antimuslimischer Rassismus“?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 341
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Sven Tritschler vom 18.08.2022

 

Unterdrückung legitimer Kritik durch die geplante Meldestelle „antimuslimischer Rassismus“?

Im Rahmen des unter Ex-Minister Dr. Joachim Stamp (FDP) initiierten und von der aktuellen Ministerin Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen) vorangetriebenen Projekts von Meldestellen, die insbesondere auch (legale) Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfassen sollen, soll es bei einer der vier neuen Meldestelle explizit um den sogenannten „antimuslimischen Rassismus“ gehen.

Der Begriff ist wissenschaftlich höchst umstritten und stellt an sich schon eine Form von Rassismus dar, da alle Muslime hier auf Grundlage ihrer Religionszugehörigkeit einer gemeinsamen Gruppe und, wenn man es wörtlich nimmt, einer Rasse zugeordnet werden, was in höchstem Maße bedenklich ist. Dabei gibt es von Marokko bis Indonesien in Nordafrika und im asiatischen Raum höchst unterschiedliche Ausprägungen des Islams. Bei dieser einseitigen Betrachtung wird ebenfalls ausgeblendet, dass es erhebliche Differenzen untereinander gibt, z.B. zwischen Sunniten und Schiiten oder insbesondere auch zu gemäßigteren Ausprägungen des Islams.

Es besteht der Verdacht, dass die geplante Meldestelle dazu dienen soll, jegliche Kritik am Islam zu brandmarken und somit zu unterdrücken. Dass Kritik durchaus gerechtfertigt sein kann, belegen die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder, in denen es um islamistische Ausprägungen des Islam geht, oder auch ein wenig demokratisch ausgeprägtes Staatswesen in zahlreichen muslimisch und theokratisch geprägten Ländern. Grundsätzlicherer Natur ist die Resolution 2253 (2019) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PVER) „Scharia, die Kairoer Menschenrechtserklärung und die Europäische Menschenrechtskonvention“, die am 22.01.2019 angenommen wurde.1

Diese Resolution zeigt auf, dass es sich beim islamischen Gesetz – der Scharia – um eine juristisch religiöse Ordnung handelt, die mit dem modernen westlichen Recht in Konkurrenz steht und dass die Scharia der Europäischen Menschenrechtserklärung (EMRK) klar widerspricht.

Insbesondere darf gemäß Artikel 2 der Resolution die Religionsfreiheit nicht andere Menschenrechte außer Kraft setzen. Als Problemfelder bei einer Betrachtung der Scharia werden identifiziert: die Nichteinhaltung des Grundsatzes der Trennung von Staat und Religion, das Scheidungsrecht, das Erbschaftsrecht, die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Religion, die Ungleichheit der Ehepartner oder auch die in zahlreichen muslimischen Ländern bis in die heutige Zeit angewandte Todesstrafe und Folter.

Grundsätzlich ist eine Diskussion über mögliche Grenzen der Religionsfreiheit aus juristischer Sicht durchaus legitim. Zwar verpflichtet die bereits mit der Weimarer Reichsverfassung erfolgte Trennung von Staat und Kirche den Staat zur weltanschaulichen Neutralität gegenüber religiösen Bekenntnissen und Weltanschauungen, die „Religionsfreiheit“ (Art. 4 GG), genauer die Freiheit der Ausübung nach Art. 4 Abs. 2, ist allerdings nicht misszuverstehen als ein Recht, sich von der Bindung an Recht und Gesetz auszunehmen; auch Art. 4 gilt nur im Rahmen aller anderen gesetzlichen Bestimmungen, nicht absolut.2 Die rechtlichen Schranken von (Religions-)Kritik sind im Strafgesetzbuch geregelt, also z.B. durch Straftatbestände wie Beleidigung oder Volksverhetzung. Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, im Rahmen der grundgesetzlich verbrieften Meinungsfreiheit – die folglich legal sind – erscheinen womöglich nicht als legitim oder „woke“, sind aber eben legal.

Der Aufbau der Meldestelle für antimuslimischen Rassismus soll in einem Trägerverbund der Vereine Interkultur e.V. und Coach e.V. erfolgen. Zu den Projektzielen gehören „der Austausch mit den jeweiligen Gemeinden und Communities sowie die Initiierung eines mit den anderen Aufbaustellen abgestimmten Datenbanksystems, in dem die gemeldeten Diskriminierungsfälle erfasst, analysiert und dokumentiert werden“.3

Am 01. Juli 2022 fand ein Kongress zum Thema „antimuslimischer Rassismus“ in Dortmund statt. Veranstalter war das Forum für muslimische Zivilgesellschaft NRW. Dabei handelt es sich um eine der drei Säulen der „Koordinierungsstelle für muslimisches Engagement in NRW“.4 Ebenfalls an diesem Tag kündigte Ministerin Paul den Aufbau der vier neuen Meldestellen an.5

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche konkreten Ergebnisse haben sich aus dem Kongress zum Thema „antimuslimischer Rassismus“ ergeben? (Bitte differenziert nach Ergebnissen in Bezug auf strafrechtlich relevante und strafrechtlich nicht relevante Handlungen erläutern)
  2. Wie definiert die Landesregierung den Begriff „antimuslimischer Rassismus“ genau, unter Berücksichtigung zahlreicher verschiedener Glaubensrichtungen innerhalb des Islams, die oftmals auch untereinander in Konflikt stehen, und der räumlichen Ausdehnung muslimisch geprägter (Herkunfts-)Länder?
  3. Wo befindet sich nach Ansicht der Landesregierung in Bezug auf Islamkritik die Grenze zwischen der grundgesetzlich verbrieften Meinungsfreiheit und meldewürdigen Vorfällen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze unter Berücksichtigung der Bewertung des Islamismus als radikale Ausprägung des Islam in den Verfassungsschutzberichten und der aufgeführten Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die sich mit der Scharia auseinandersetzt?
  4. Mit welchen Mitteln wird die Landesregierung bei den Trägern der Meldestelle verhindern, dass gemeldete Vorgänge nicht nur aus der Opferperspektive, sondern rechtsstaatlich neutral gegenüber meldenden und gemeldeten Personen registriert und weiterbearbeitet werden?
  5. Wie soll mit Vorfällen gegenüber (vermutet) muslimischen Menschen umgegangen werden, wenn die meldewürdigen Vorfälle von Personen ausgehen, die unter den „Schutzbereich“ einer der anderen Meldestellen fallen – also beispielsweise Schwarze oder Asiaten (Meldestelle 4)?

Enxhi Seli-Zacharias
Sven Tritschler

 

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1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/6326.

2 Ebenda.

3 Vgl. https://www.coach-koeln.de/%ef%bf%bcinterkultur-e-v-und-coach-e-v-starten-mit-aufbau-der-meldestelle-fuer-antimuslimischen-rassismus/.

4 Vgl. https://www.nordstadtblogger.de/antimuslimischer-rassismus-gesellschaftliche-wirklichkeit-und-widerstand.

5 Vgl. https://www.mkffi.nrw/aufbau-von-vier-meldestellen-zu-queerfeindlichen-und-rassistischen-vorfaellen-gestartet.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 341 mit Schreiben vom 19. September 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Welche konkreten Ergebnisse haben sich aus dem Kongress zum Thema „anti­muslimischer Rassismus“ ergeben? (Bitte differenziert nach Ergebnissen in Bezug auf strafrechtlich relevante und strafrechtlich nicht relevante Handlungen erläutern)

Bei dem Kongress zum „Tag gegen antimuslimischen Rassismus“ am 01.07.2022 handelte es sich um eine Fachveranstaltung unter Einbindung u.a. von Wissenschaftlerinnen und Wissen­schaftlern, Betroffenen und Vertretungen der Zivilgesellschaft. Ziel des Kongresses war die Auseinandersetzung mit dem Thema „antimuslimischer Rassismus“ und seine Sichtbarma-chung und nicht die Erfassung rassistischer Handlungen.

  1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff „antimuslimischer Rassismus“ ge­nau, unter Berücksichtigung zahlreicher verschiedener Glaubensrichtungen innerhalb des Islams, die oftmals auch untereinander in Konflikt stehen, und der räumlichen Aus­dehnung muslimisch geprägter (Herkunfts-)Länder?

Der Begriff „antimuslimischer Rassismus“ beschreibt eine ablehnende bis feindselige Haltung gegenüber Menschen, die muslimisch geprägt sind oder als Musliminnen und Muslime gele­sen werden. Es handelt sich um eine Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, bei der die religiöse Zuschreibung dazu dient, Personen abzuwerten und rassistisch zu diskrimi­nieren. Der Begriff „antimuslimischer Rassismus“ beschreibt eine Grundhaltung, bei der die eigene religiöse Zugehörigkeit oder Herkunft nicht ausschlaggebend ist.

Auf die Beantwortung der Frage 1 der Kleinen Anfrage 5259, Landtagsdrucksache 17/13596, wird verwiesen.

  1. Wo befindet sich nach Ansicht der Landesregierung in Bezug auf Islamkritik die Grenze zwischen der grundgesetzlich verbrieften Meinungsfreiheit und meldewürdigen Vorfällen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze unter Berücksichtigung der Bewertung des Islamismus als radikale Ausprägung des Islam in den Verfassungsschutzberichten und der aufgeführten Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die sich mit der Scharia auseinandersetzt?

Zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und der Tätigkeit der avisierten Stellen besteht kein Sachzusammenhang, da letztere sich in der Erfassung eines Phänomens erschöpft. Auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage 339 wird Bezug genommen.

  1. Mit welchen Mitteln wird die Landesregierung bei den Trägern der Meldestelle verhindern, dass gemeldete Vorgänge nicht nur aus der Opferperspektive, sondern rechtsstaatlich neutral gegenüber meldenden und gemeldeten Personen registriert und weiterbearbeitet werden?

Für die Bewertung von gemeldeten Vorfällen sind individuelle Verantwortlichkeiten nicht aus­schlaggebend. Eine Meldung von Personen ist nicht vorgesehen. Auf die Antwort zu Frage 4 der Kleinen Anfrage 339 wird Bezug genommen.

  1. Wie soll mit Vorfällen gegenüber (vermutet) muslimischen Menschen umgegan­gen werden, wenn die meldewürdigen Vorfälle von Personen ausgehen, die unter den „Schutzbereich“ einer der anderen Meldestellen fallen – also beispielsweise Schwarze oder Asiaten (Meldestelle 4)?

Die Meldestellen sollen alle Formen von Rassismus, Antiziganismus und Queerfeindlichkeit erfassen, unabhängig davon, von wem sie ausgehen.

 

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