Antragder AfD-Fraktion vom 03.03.2020
Verbesserte Entgeltfortzahlung für Eltern bei persönlicher Betreuung kranker Kinder
I. Ausgangslage
Die gesellschaftliche Situation hat sich besonders für junge Familien verändert. Immer mehr Partner führen keine „klassische Beziehung“ mehr, in welcher der Mann als Alleinverdiener für das Auskommen seiner Familie zuständig ist. Studien belegen, dass dank Elterngeld und Kita-Ausbau die Erwerbstätigkeit von Müttern erheblich gesteigert wurde1. So waren 60,1 Prozent der Mütter von Kindern im dritten Lebensjahr im Jahre 2017 erwerbstätig.
Signifikant sind die Veränderungen im Bereich der Berufstätigkeit von Müttern zweijähriger Kinder. Im Jahre 2006 waren 34,6 Prozent der Mütter von Kindern dieses Alters berufstätig, im Jahre 2017 waren es bereits 44 Prozent.
Mit der Erwerbstätigkeit beider Elternteile verbunden ist auch die Notwendigkeit, dass die Kinder in Kitas fremdbetreut werden. Es ist festzustellen, dass die Betreuungsquote der unter dreijährigen Kinder in entsprechenden Einrichtungen nach Erhebungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erheblich angewachsen ist. Im Jahre 2006 wurden 268.017 Kleinkinder in Kitas betreut. Im Jahre 2018 hatte sich diese Zahl auf 789.559 betreute Kinder mehr als verdoppelt2.
Besonders bei Kindern, die jünger als drei Jahre sind, besteht eine hohe Anfälligkeit für Infekte, weil ihr Immunsystem noch nicht ausgereift ist. Bei ihnen treten durchschnittlich pro Jahr sechs Erkältungskrankheiten auf3. Dazu kommen die sogenannten Kinderkrankheiten, die zu weiteren Krankentagen führen und bei denen zudem die erkrankten Kinder ihre Geschwisterkinder und Spielkameraden öfter anstecken.
Die Leitungen der Kinderbetreuungseinrichtungen bestehen wegen der hohen Ansteckungsgefahr in der Regel darauf, dass kranke Kinder zuhause bleiben, bis die Erkrankung nicht mehr virulent ist. Für die Eltern der erkrankten Kinder bedeutet das, dass in der Regel ein Elternteil in dieser Zeit seiner Arbeitstätigkeit nicht nachgehen kann, weil zuhause das kranke Kind betreut werden muss.
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gilt bisher nicht bei der Erkrankung eines Kindes. In der Regel springt die gesetzliche Krankenkasse mit Krankengeld ein, jedoch nur innerhalb des Rahmens der Beschränkungen des § 45 SGB V.
Ist ein Kind erkrankt und bedarf der Aufsicht und Pflege eines Elternteils, besteht bisher lediglich ein Anspruch von 70 Prozent des regelmäßig erzielten Arbeitseinkommens für die Betreuung seitens eines Elternteiles.
Dieser Krankengeldanspruch besteht für gesetzlich Versicherte pro Kind und Elternteil aber lediglich für insgesamt zehn Tage. Der einem Elternteil zustehende Anspruch kann auf den anderen Elternteil, sofern auch er gesetzlich versichert ist, zwar übertragen werden. Dies bedeutet jedoch trotzdem, dass bei Erkrankungen, die mehr als 20 Tage andauern bzw. bei mehreren Erkrankungen per anno, deren Tage sich summieren, keinerlei Zahlungen mehr erfolgen. Hier besteht lediglich ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber, was in der Praxis zu erheblichen Verdienstausfällen führen kann.
Gerade Kinder im Kita-Alter sind jedoch erfahrungsgemäß oft länger als 20 Tage im Jahresverlauf erkrankt. Zudem sind bei dieser Regelung auch solche Familien benachteiligt, bei denen ein Elternteil privat versichert ist und dadurch bereits zehn Tage möglicher Betreuungszeit entfallen. In den Versicherungsverträgen der privaten Krankenkassen ist das Kinderkrankengeld in der Regel nicht enthalten.
Besonders trifft es auch die Alleinerziehenden, von denen über 90 Prozent Frauen sind. Aktuell leben ca. 2,3 Millionen Kinder in Ein-Eltern-Familien. Alleinerziehende Frauen haben es laut einer Studie der FH Dortmund besonders schwer, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen4 und einen Arbeitsplatz zu finden5. Ein Grund hierfür ist die Annahme der Personalverantwortlichen, dass der Elternteil als Arbeitskraft jedes Mal dann ausfällt, wenn das Kind erkrankt ist.
Ab einem Lebensalter von drei Jahren (des jüngsten zu betreuenden Kindes) sind zudem geschiedene Alleinerziehende dazu verpflichtet, Vollzeit zu arbeiten. Den Statistiken zufolge arbeiten Alleinerziehende jedoch meist Teilzeit6, um Kind und Beruf miteinander vereinbaren zu können, was zu einem vergleichsweise geringeren Einkommen führt7. Zwar dürfen Alleinerziehende ihr Kind 20 Tage lang zuhause betreuen, das gilt aber ebenfalls nur für gesetzlich Versicherte. Sollte ein Kind besonders anfällig sein und häufig erkranken, so belasten hohe Fehlzeiten das Arbeitsverhältnis.
Hinzu kommen weitere negative Effekte, wenn nur 70 Prozent des erzielten Einkommens zur Lebensführung zur Verfügung steht. Das Krankengeld kompensiert nicht alles. Weiter wirkt sich der Bezug des Krankengelds negativ auf die Höhe des Elterngelds für etwaige Geschwisterkinder aus.
Im Gegensatz zur Regelung bei der Erkrankung eines Kindes wird bei eigenen Erkrankungen von Erwachsenen gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz eine volle Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen und dies sogar pro Krankheitsfall durch den Arbeitgeber gezahlt, welcher im Innenverhältnis zwischen 60 und 80 Prozent von der gesetzlichen Krankenversicherung wieder zurückerstattet erhalten kann. Erst nach sechs Wochen Krankenstand greift die Kran-kengeldzahlung, welche dann ebenso in geringerer Höhe erfolgt.
Insgesamt kommt es durch die bisherige gesetzliche Regelung zu einer Schlechterstellung von Eltern, welche ihre erkrankten Kinder selbst betreuen müssen. Sie erhalten bereits vom ersten Krankheitstag ihres Kindes weniger Geld und dann auch nur gedeckelt für zehn Tage bzw. 20 Tage bei Übertragung der Ansprüche des Ehepartners.
Von daher ist eine Anpassung des Entgeltfortzahlungsgesetzes dahingehend vorzunehmen, dass eine Gleichbehandlung im Krankheitsfall selbstverständlich wird, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer selbst oder sein von ihm betreutes Kind erkrankt ist.
Parallel dazu ist auch § 45 SGB V dahingehend zu ändern, dass erst nach Ablauf des vollen Entgeltfortzahlungsanspruchs das Krankengeld, und dann auch nicht befristet auf zehn Tage, gezahlt werden muss.
II. Der Landtag stellt fest, dass
1. die aktuelle gesetzliche Regelung des Kinderkrankengelds zu sozialen Härten führen kann, den aktuellen gesellschaftlichen Realitäten nicht entspricht und dringender Handlungsbedarf besteht;
2. es dem Kindeswohl entspricht, wenn eine Gleichbehandlung von Krankengeld und Kin-derkrankgeld erfolgt und auf diesem Wege finanzielle Härten für die betroffenen Eltern zumindest in den ersten sechs Wochen bei kranken Kindern vermieden werden können;
3. in diesem Falle besonders die Schwächeren der Gesellschaft, i.e. die Eltern, Unterstützung benötigen, wenn es um die Versorgung ihrer kranken Kinder geht;
4. besonders die Eltern chronisch kranker Kinder in Nordrhein-Westfalen zusätzliche unterstützende Leistungen benötigen.
III. Der Landtag fordert deshalb die Landesregierung auf,
1. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass es eine Gleichbehandlung zwischen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und der Krankheit seiner Kinder gibt, ohne dass hieraus eine Mehrbelastung für den Arbeitgeber erwächst, um die aufgeführten Effekte zu verhindern,
2. sich parallel dazu dafür einzusetzen, dass § 45 SGB V abgeändert und die Befristung von zehn Tagen aufgehoben wird
Iris Dworeck-Danielowski
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 So z.B. https://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2018-10/elterngeld-erwerbstaetigkeit-muetter-gestie-gen-elternzeit 2https://www.fruehe-chancen.de/fileadmin/PDF/Fruehe_Chancen/Betreuungszahlen/Kindertagesbe-treuung_Kompakt_2018_Ausbaustand_und_Bedarf_Ausgabe_4.pdf
3 https://www.kita-gesundheit.de/krankheiten-gesundheitsstoerungen/kranke-kinder-in-die-kita/
4 https://www.fh-dortmund.de/de/fb/8/forschung/Die_Situation_alleinerziehender_Eltern_in_der_Be-
rufswelt/Kosmann-Grabowski2015_Die_Situation_alleinerziehender_Eltern_in_der_Berufswelt.pdf
6 https://www.caritas.de/magazin/kampagne/familie/familiefoerdern/arme-familien-finanziell-absichern