Kleine Anfrage 3798
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Verbot von Kinderehen auf der Kippe. Was plant die Landesregierung, falls die Bundesregierung zu keiner Regelung gelangt?
Wie die Zeitung WELT am 19.02.2024 berichtete, droht das Verbot von im Ausland geschlossenen Kinderehen in Deutschland zu kippen, sollte die Bundesregierung nicht zu einer Neuregelung kommen.1
Die Kritik des Bundesverfassungsgerichts an der bestehenden Regelung ist dabei nichts Neues. Bereits am 01.02.2023 hatte das Gericht einen Beschluss gefasst, der die derzeitige Regelung des „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mangels Regelungen zu den Folgen und zu Fortführungsmöglichkeiten nach inländischem Recht unwirksamer Auslandskinderehen [als] mit dem Grundgesetz unvereinbar“ (1 BvL 7/18, Rn. 1-194) bezeichnete.
Die Auswirkungen des Beschlusses des Gerichts könnten verheerend werden. Konkret würden bei Ausbleiben einer Neuregelung im Ausland geschlossene Kinderehen von Personen, die danach nach Deutschland einreisen, nicht mehr nichtig sein.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie viele Personen, die in NRW wohnhaft sind, sind in den Jahren 2019–2023 zwangs-oder frühverheiratet worden? (Bitte um Angabe des Zeitpunkts, des Alters und des Migrationshintergrunds, des Vornamens, des Orts der Eheschließung nach Land, Stadt und Standesamt, der Staatsbürgerschaft und eine Aufschlüsselung nach Jahren)
- Plant die Landesregierung Maßnahmen für den Fall, dass die Bundesregierung zu keiner zeitigen Neuregelung des Kindereheverbots kommt?
- Wurden in den vergangenen fünf Jahren Kinder und Jugendliche aufgrund einer Zwangs- oder Frühehe von nordrhein-westfälischen Jugendämtern in Obhut genommen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr sowie Alter und Geschlecht sowie Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund der in Obhut genommenen Person)
- Wie groß ist die Anzahl der Ausländer je kommunaler Ausländerbehörde, die 2023 eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen besaßen? (Wenn möglich inklusive einer Differenzierung zwischen dem Nachzug von Familienangehörigen zu Schutzberechtigten und dem Familiennachzug, der von (drittstaatsangehörigen) Ausländern zu Deutschen oder zu (ebenfalls drittstaatsangehörigen) Ausländern erfolgte)
- Wie verteilen sich die in der Antwort zu Frage 4 genannten Personengruppen – differenziert nach Großeltern-, Eltern- und Kindesnachzug gemäß §§ 30, 32 und 36 AufenthG – auf die einzelnen Herkunftsländer?
Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias
1 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus250129752/Zwangsehen-in-Deutschland-Je-juenger-die-Kinder-sind-desto-weniger-suchen-sie-sich-Hilfe.html.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3798 mit Schreiben vom 19. Juni 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie viele Personen, die in NRW wohnhaft sind, sind in den Jahren 2019-2023 zwangs- oder frühverheiratet worden? (Bitte um Angabe des Zeitpunkts, des Alters und des Migrationshintergrunds, des Vornamens, des Orts der Eheschließung nach Land, Stadt und Standesamt, der Staatsbürgerschaft und eine Aufschlüsselung nach Jahren)
Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird.
Daten zu Personen, die in Nordrhein-Westfalen wohnhaft und zwangs- oder frühverheiratet worden sind können aus der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht automatisiert ausgewertet werden. Die Polizeiliche Kriminalstatistik bildet allerdings den Straftatbestand der Zwangsheirat (§ 237 StGB) ab.
In 2023 betrug die Zahl der Fälle nach § 237 StGB 30. Hinsichtlich der Zahlen zu den Jahren 2019-2022 wird auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 2359 (Drucksache 18/6005) verwiesen.
- Plant die Landesregierung Maßnahmen für den Fall, dass die Bundesregierung zu keiner zeitigen Neuregelung des Kindereheverbots kommt?
Der Deutsche Bundestag hat bereits am 7. Juni 2024 das Gesetz zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen verabschiedet, welches abschließend am 14. Juni 2024 im Bundesrat behandelt werden und anschließend alsbald in Kraft treten soll.
- Wurden in den vergangenen fünf Jahren Kinder und Jugendliche aufgrund einer Zwangs- oder Frühehe von nordrhein-westfälischen Jugendämtern in Obhut genommen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr sowie Alter und Geschlecht sowie Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund der in Obhut genommenen Person)
Das Merkmal „Zwangs- oder Frühehe“ wird im Rahmen der Statistik für Inobhutnahmen nach SGB VIII nicht als Anlass bzw. Veranlassung der Maßnahme erfasst, so dass der Landesregierung keine Angaben hierzu vorliegen.
- Wie groß ist die Anzahl der Ausländer je kommunaler Ausländerbehörde, die 2023 eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen besaßen? (Wenn möglich inkl. einer Differenzierung zwischen dem Nachzug von Familienangehörigen zu Schutzberechtigten und dem Familiennachzug, der von (drittstaatsangehörigen) Ausländern zu Deutschen oder zu (ebenfalls drittstaatsangehörigen) Ausländern erfolgte)
Zur Beantwortung der Frage wird auf die nachfolgende Tabelle (Quelle: AZR-Statistik, Stichtag 31.12.2023) verwiesen. Die dargestellten Zahlen umfassen die Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen nach den §§ 28, 30, 32, 33, 36 und 36a AufenthG.
Ausländerbehörde | Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen |
Aachen, StädteRegion | 7964 |
Arnsberg, STV | 1110 |
Bergheim, STV | 934 |
Bielefeld, STV | 5431 |
Bocholt, STV | 819 |
Bochum, STV | 5870 |
Bonn, STV | 7255 |
Borken, KRV | 1771 |
Bottrop, STV | 1376 |
Castrop-Rauxel, STV | 753 |
Coesfeld, KRV | 1106 |
Detmold, STV | 979 |
Dinslaken, STV | 787 |
Dormagen, STV | 626 |
Dorsten, STV | 556 |
Dortmund, STV | 10361 |
Duisburg, STV | 7267 |
Düren, KRV | 3622 |
Düsseldorf, STV | 11659 |
Ennepe-Ruhr-Kreis, KRV | 1766 |
Essen, STV | 12225 |
Euskirchen, KRV | 1475 |
Gelsenkirchen, STV | 5862 |
Gladbeck, STV | 1233 |
Gütersloh, KRV | 1656 |
Gütersloh, STV | 1221 |
Hagen, STV | 3333 |
Hamm, STV | 2765 |
Heinsberg, KRV | 1980 |
Herford, KRV | 1421 |
Herford, STV | 1070 |
Herne, STV | 2741 |
Herten, STV | 925 |
Hochsauerlandkreis, KRV | 1507 |
Höxter, KRV | 980 |
Iserlohn, STV | 1392 |
Kerpen, STV | 906 |
Kleve, KRV | 1692 |
Köln, STV | 14886 |
Krefeld, STV | 1814 |
Leverkusen, STV | 2552 |
Lippe, KRV | 2305 |
Lippstadt, STV | 808 |
Lünen, STV | 851 |
Märkischer Kreis, KRV | 2708 |
Marl, STV | 945 |
Mettmann, KRV | 4700 |
Minden, STV | 1174 |
Minden-Lübbecke, KRV | 1872 |
Moers, STV | 1356 |
Mönchengladbach, STV | 5069 |
Mülheim a.d. Ruhr, STV | 3608 |
Münster, STV | 2993 |
Neuss, STV | 2793 |
Oberbergischer Kreis, KRV | 1964 |
Oberhausen, STV | 4422 |
Olpe, KRV | 1216 |
Paderborn, KRV | 883 |
Paderborn, STV | 1986 |
Recklinghausen, KRV | 1091 |
Recklinghausen, STV | 1640 |
Remscheid, STV | 1499 |
Rheine, STV | 964 |
Rhein-Erft-Kreis, KRV | 3307 |
Rheinisch Berg. Kreis, KRV | 2033 |
Rhein-Kreis Neuss, KRV | 2318 |
Rhein-Sieg Kreis, KRV | 3592 |
Siegen, STV | 1793 |
Siegen-Wittgenstein, KRV | 1400 |
Soest, KRV | 1502 |
Solingen, STV | 1718 |
Steinfurt, KRV | 3034 |
Troisdorf, STV | 926 |
Unna, KRV | 2486 |
Viersen, KRV | 1363 |
Viersen, STV | 866 |
Warendorf, KRV | 1738 |
Wesel, KRV | 1585 |
Wesel, STV | 608 |
Witten, STV | 995 |
Wuppertal, STV | 8502 |
- Wie verteilen sich die in der Antwort zu Frage 4 genannten Personengruppen – differenziert nach Großeltern-, Eltern- und Kindesnachzug gemäß §§ 30, 32 und 36 AufenthG – auf die einzelnen Herkunftsländer?
Zur Beantwortung der Frage wird auf die in Anlage 1 dargestellte Tabelle (Quelle: AZR-Statis-tik, Stichtag 31.12.2023) verwiesen. Einen „Großelternnachzug“, wie in der vorstehenden Frage formuliert, kennt das Aufenthaltsgesetz nicht. Diese Personengruppe unterliegt – soweit die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt sind – dem Anwendungsbereich von § 36 Abs. 2 Auf-enthG.