Verbot von Kinderehen auf der Kippe. Was plant die Landesregierung, falls die Bundesregierung zu keiner Regelung gelangt?

Kleine Anfrage
vom 08.05.2024

Kleine Anfrage 3798

der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD

Verbot von Kinderehen auf der Kippe. Was plant die Landesregierung, falls die Bundesregierung zu keiner Regelung gelangt?

Wie die Zeitung WELT am 19.02.2024 berichtete, droht das Verbot von im Ausland geschlossenen Kinderehen in Deutschland zu kippen, sollte die Bundesregierung nicht zu einer Neuregelung kommen.1

Die Kritik des Bundesverfassungsgerichts an der bestehenden Regelung ist dabei nichts Neues. Bereits am 01.02.2023 hatte das Gericht einen Beschluss gefasst, der die derzeitige Regelung des „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mangels Regelungen zu den Folgen und zu Fortführungsmöglichkeiten nach inländischem Recht unwirksamer Auslandskinderehen [als] mit dem Grundgesetz unvereinbar“ (1 BvL 7/18, Rn. 1-194) bezeichnete.

Die Auswirkungen des Beschlusses des Gerichts könnten verheerend werden. Konkret würden bei Ausbleiben einer Neuregelung im Ausland geschlossene Kinderehen von Personen, die danach nach Deutschland einreisen, nicht mehr nichtig sein.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Personen, die in NRW wohnhaft sind, sind in den Jahren 2019–2023 zwangs-oder frühverheiratet worden? (Bitte um Angabe des Zeitpunkts, des Alters und des Migrationshintergrunds, des Vornamens, des Orts der Eheschließung nach Land, Stadt und Standesamt, der Staatsbürgerschaft und eine Aufschlüsselung nach Jahren)
  2. Plant die Landesregierung Maßnahmen für den Fall, dass die Bundesregierung zu keiner zeitigen Neuregelung des Kindereheverbots kommt?
  3. Wurden in den vergangenen fünf Jahren Kinder und Jugendliche aufgrund einer Zwangs- oder Frühehe von nordrhein-westfälischen Jugendämtern in Obhut genommen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr sowie Alter und Geschlecht sowie Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund der in Obhut genommenen Person)
  4. Wie groß ist die Anzahl der Ausländer je kommunaler Ausländerbehörde, die 2023 eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen besaßen? (Wenn möglich inklusive einer Differenzierung zwischen dem Nachzug von Familienangehörigen zu Schutzberechtigten und dem Familiennachzug, der von (drittstaatsangehörigen) Ausländern zu Deutschen oder zu (ebenfalls drittstaatsangehörigen) Ausländern erfolgte)
  5. Wie verteilen sich die in der Antwort zu Frage 4 genannten Personengruppen – differenziert nach Großeltern-, Eltern- und Kindesnachzug gemäß §§ 30, 32 und 36 AufenthG – auf die einzelnen Herkunftsländer?

Markus Wagner

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-9181

 

1 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus250129752/Zwangsehen-in-Deutschland-Je-juenger-die-Kinder-sind-desto-weniger-suchen-sie-sich-Hilfe.html.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3798 mit Schreiben vom 19. Juni 2024 namens der Landesregierung im Ein­vernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie viele Personen, die in NRW wohnhaft sind, sind in den Jahren 2019-2023 zwangs- oder frühverheiratet worden? (Bitte um Angabe des Zeitpunkts, des Al­ters und des Migrationshintergrunds, des Vornamens, des Orts der Eheschlie­ßung nach Land, Stadt und Standesamt, der Staatsbürgerschaft und eine Auf­schlüsselung nach Jahren)

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfas­sung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird.

Daten zu Personen, die in Nordrhein-Westfalen wohnhaft und zwangs- oder frühverheiratet worden sind können aus der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht automatisiert ausgewertet werden. Die Polizeiliche Kriminalstatistik bildet allerdings den Straftatbestand der Zwangshei­rat (§ 237 StGB) ab.

In 2023 betrug die Zahl der Fälle nach § 237 StGB 30. Hinsichtlich der Zahlen zu den Jahren 2019-2022 wird auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 2359 (Drucksache 18/6005) verwiesen.

  1. Plant die Landesregierung Maßnahmen für den Fall, dass die Bundesregierung zu keiner zeitigen Neuregelung des Kindereheverbots kommt?

Der Deutsche Bundestag hat bereits am 7. Juni 2024 das Gesetz zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen verabschiedet, welches abschließend am 14. Juni 2024 im Bundesrat behandelt werden und anschließend alsbald in Kraft treten soll.

  1. Wurden in den vergangenen fünf Jahren Kinder und Jugendliche aufgrund einer Zwangs- oder Frühehe von nordrhein-westfälischen Jugendämtern in Obhut ge­nommen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr sowie Alter und Geschlecht sowie Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund der in Obhut genommenen Per­son)

Das Merkmal „Zwangs- oder Frühehe“ wird im Rahmen der Statistik für Inobhutnahmen nach SGB VIII nicht als Anlass bzw. Veranlassung der Maßnahme erfasst, so dass der Landesre­gierung keine Angaben hierzu vorliegen.

  1. Wie groß ist die Anzahl der Ausländer je kommunaler Ausländerbehörde, die 2023 eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen besaßen? (Wenn möglich inkl. einer Differenzierung zwischen dem Nachzug von Familienangehörigen zu Schutz­berechtigten und dem Familiennachzug, der von (drittstaatsangehörigen) Auslän­dern zu Deutschen oder zu (ebenfalls drittstaatsangehörigen) Ausländern er­folgte)

Zur Beantwortung der Frage wird auf die nachfolgende Tabelle (Quelle: AZR-Statistik, Stichtag 31.12.2023) verwiesen. Die dargestellten Zahlen umfassen die Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen nach den §§ 28, 30, 32, 33, 36 und 36a AufenthG.

Ausländerbehörde Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen
Aachen, StädteRegion 7964
Arnsberg, STV 1110
Bergheim, STV 934
Bielefeld, STV 5431
Bocholt, STV 819
Bochum, STV 5870
Bonn, STV 7255
Borken, KRV 1771
Bottrop, STV 1376
Castrop-Rauxel, STV 753
Coesfeld, KRV 1106
Detmold, STV 979
Dinslaken, STV 787
Dormagen, STV 626
Dorsten, STV 556
Dortmund, STV 10361
Duisburg, STV 7267
Düren, KRV 3622
Düsseldorf, STV 11659
Ennepe-Ruhr-Kreis, KRV 1766
Essen, STV 12225
Euskirchen, KRV 1475
Gelsenkirchen, STV 5862
Gladbeck, STV 1233
Gütersloh, KRV 1656
Gütersloh, STV 1221
Hagen, STV 3333
Hamm, STV 2765
Heinsberg, KRV 1980
Herford, KRV 1421
Herford, STV 1070
Herne, STV 2741
Herten, STV 925
Hochsauerlandkreis, KRV 1507
Höxter, KRV 980
Iserlohn, STV 1392
Kerpen, STV 906
Kleve, KRV 1692
Köln, STV 14886
Krefeld, STV 1814
Leverkusen, STV 2552
Lippe, KRV 2305
Lippstadt, STV 808
Lünen, STV 851
Märkischer Kreis, KRV 2708
Marl, STV 945
Mettmann, KRV 4700
Minden, STV 1174
Minden-Lübbecke, KRV 1872
Moers, STV 1356
Mönchengladbach, STV 5069
Mülheim a.d. Ruhr, STV 3608
Münster, STV 2993
Neuss, STV 2793
Oberbergischer Kreis, KRV 1964
Oberhausen, STV 4422
Olpe, KRV 1216
Paderborn, KRV 883
Paderborn, STV 1986
Recklinghausen, KRV 1091
Recklinghausen, STV 1640
Remscheid, STV 1499
Rheine, STV 964
Rhein-Erft-Kreis, KRV 3307
Rheinisch Berg. Kreis, KRV 2033
Rhein-Kreis Neuss, KRV 2318
Rhein-Sieg Kreis, KRV 3592
Siegen, STV 1793
Siegen-Wittgenstein, KRV 1400
Soest, KRV 1502
Solingen, STV 1718
Steinfurt, KRV 3034
Troisdorf, STV 926
Unna, KRV 2486
Viersen, KRV 1363
Viersen, STV 866
Warendorf, KRV 1738
Wesel, KRV 1585
Wesel, STV 608
Witten, STV 995
Wuppertal, STV 8502

 

  1. Wie verteilen sich die in der Antwort zu Frage 4 genannten Personengruppen differenziert nach Großeltern-, Eltern- und Kindesnachzug gemäß §§ 30, 32 und 36 AufenthG auf die einzelnen Herkunftsländer?

Zur Beantwortung der Frage wird auf die in Anlage 1 dargestellte Tabelle (Quelle: AZR-Statis-tik, Stichtag 31.12.2023) verwiesen. Einen „Großelternnachzug“, wie in der vorstehenden Frage formuliert, kennt das Aufenthaltsgesetz nicht. Diese Personengruppe unterliegt – soweit die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt sind – dem Anwendungsbereich von § 36 Abs. 2 Auf-enthG.

 

MMD18-9661