Verdacht auf Sozialbetrug in Duisburg: 430 Südosteuropäer in 6 Häusern. Wie wird unsere Solidargemeinschaft betrogen?

Kleine Anfrage
vom 24.10.2023

Kleine Anfrage 2777

der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Martin Vincentz AfD

Verdacht auf Sozialbetrug in Duisburg: 430 Südosteuropäer in 6 Häusern. Wie wird unsere Solidargemeinschaft betrogen?

Am 15. August 2023 gab es gegen kurz nach 6 Uhr morgens eine Razzia in Duisburg-Friemersheim, an der circa 130 Polizisten beteiligt waren. Insgesamt sollen 430 Südosteuropäer in sechs Mehrfamilienhäusern gemeldet und untergebracht sein. Dabei erhalten sie zeitgleich finanzielle Unterstützung durch die Solidargemeinschaft. Nach Informationen der Bild-Zeitung leben dort bis zu zehn Familien mit jeweils vier bis zehn Kindern. Pro Kind erhalten sie 250,00 € Kindergeld je Monat. Es besteht der Verdacht, dass diese Personen nicht in den Häusern leben und zusätzlich zu den erhaltenen Transferleistungen Schwarzarbeit betreiben. Trotzdem die durchsuchten Häuser heruntergekommen seien, wurden im Innenhof sowie in den Tiefgaragen „teure Autos“,1 vor allem BMWs, entdeckt. Außerdem besteht bei einigen Personen der Verdacht auf einen illegalen Aufenthalt in Deutschland.

Zusätzlich zu den 130 Polizisten waren Mitarbeiter verschiedenster Ämter bei der Razzia beteiligt. So waren unter anderem Beamte des Ordnungsamtes, des Ausländeramtes sowie der Staatsanwaltschaft vor Ort. Die Polizisten glichen die Namen an Briefkästen mit denen auf Meldelisten ab, um gegebenenfalls Übereinstimmungen bzw. Unstimmigkeiten festzustellen. Während die Fahnder weiter nach Beweisen suchten gab es vier vorläufige Festnahmen. Bei insgesamt acht Personen bestand der Verdacht, dass ihr Aufenthalt in Deutschland illegal ist, da sie unter anderem keine Papiere mit sich führten. Ein Beamter berichtete, dass sich in den Gebäuden mehrheitlich Personen aus Bulgarien und Rumänien, aber auch Ukrainer und andere Osteuropäer aufhalten würden. Der Gebäudekomplex fasse 140 Wohneinheiten und verzeichne seit mehreren Jahren eine „hohe Fluktuation“2 der Mieter. Das Ziel der Aktion sei gewesen, den aktuellen Meldebestand mit dem tatsächlichen Bewohnerbestand abzugleichen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wie viele Fälle von Transferleistungsmissbrauch gab es seit 2015 in NRW? (Bitte nach Jahr und Ort sowie nach Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  3. Was ist über die auf dem Gelände entdeckten Autos bekannt? (Bitte in die Antwort einbeziehen, ob die Besitzer ebenfalls dort gemeldet sind und ggf. Sozialleistungen beziehen sowie ob die Autos rechtmäßig angemeldet sind.)
  4. Wie ist die Einschätzung der Leiter der Razzia bzw. konnte das Ziel, den Meldebestand mit dem Bewohnerbestand abzugleichen, erfolgreich umgesetzt werden?

Markus Wagner
Dr. Martin Vincentz

 

MMD18-6495

 

1 https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/verdacht-sozial-betrug-435-suedosteuropaeer-in-6-haeusern-85047854.bild.html.

2 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2777 mit Schreiben vom 21. November 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Zu dieser Frage hat die Leitende Oberstaatsanwältin in Duisburg dem Ministerium der Justiz unter dem 02.11.2023 im Wesentlichen wie folgt berichtet:

An meiner Behörde sind aus den Kontrollmaßnahmen vom 15.08.2023 resultierende Ermitt­lungsverfahren wegen Betruges bisher nicht anhängig. Nach Auskunft der jeweiligen Leis­tungsträger dauert die Prüfung und Auswertung der Erkenntnisse aus der Kontrolle noch an.

Es sind jedoch in Folge der Kontrolle an meiner Behörde vier Ermittlungsverfahren wegen ausländerrechtlicher Verstöße anhängig gewesen. In allen vier Fällen sind die jeweiligen Be­schuldigten am 15.08.2023 von Polizeibeamten bzw. Kräften des Ordnungsamts angetroffen worden, ohne über den nach dem Aufenthaltsgesetz erforderlichen Aufenthaltstitel zu verfü­gen.

In einem Verfahren, das sich gegen einen georgischen Staatsangehörigen wegen unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs.1 Nr.2 AufenthG richtete, ist mit Verfügung vom 21.09.2023 ge­mäß §154 b Abs.3 StPO von der weiteren Verfolgung abgesehen worden, nachdem der Be­schuldigte aus Deutschland abgeschoben worden ist.

Zwei Verfahren richteten sich ebenfalls jeweils gegen einen georgischen Staatsangehörigen wegen unerlaubten Aufenthalts gemäß §95 Abs.1 Nr.2 AufenthG und sind mit Verfügungen vom 20.09. bzw. 22.09.2023 gemäß §153 Abs.1 StPO eingestellt worden.

Das vierte Verfahren richtete sich gegen einen moldauischen Staatsangehörigen wegen un­erlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz und Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB. Der Beschuldigte verfügte am Kontrolltag nicht über den nach dem AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel und wies sich gegenüber der Polizei mit einer ge­fälschten rumänischen Identitätskarte aus. Dieses Verfahren ist mit Verfügung vom 05.10.2023 gem. § 154 f StPO vorläufig eingestellt worden, da der aktuelle Aufenthalt des Beschuldigten nicht bekannt ist. Die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen sind veranlasst worden.

Alle vier Beschuldigten sind nicht vorbestraft. Weitere polizeiliche Erkenntnisse zu ihnen sind mir nicht bekannt.“

Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-West­falen über einen ergänzenden Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Duisburg u. a. unter dem 03.11.2023 wie nachstehend unterrichtet:

„Mit Blick auf die zwischenzeitlich erfolgte Abschiebung der georgischen Staatsangehörigen, deren Verfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden sind, sollen diese Verfahren wiederaufgenommen und gemäß § 154b Abs. 3 StPO eingestellt werden. Bezüglich des mol-dauischen Staatsangehörigen ließ sich am Kontrolltag nicht mit der erforderlichen Sicherheit abklären, ob es sich bei der rumänischen Identitätskarte tatsächlich um eine Fälschung han­delte, so dass weitere Maßnahmen, namentlich eine Hauptverhandlungshaft zur Durchführung des beschleunigten Verfahrens, nicht in Betracht kamen.

[…]

Gegen die Sachbehandlung der Leitenden Oberstaatsanwältin […] habe auch ich keine Be­denken.“

  1. Wie viele Fälle von Transferleistungsmissbrauch gab es seit 2015 in NRW? (Bitte nach Jahr und Ort sowie nach Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra auswei­sen.)

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfas­sung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nord­rhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssiche-rungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten für das Jahr 2023 derzeit noch nicht qualitätsgesichert vor.

Bei dem Begriff „Transferleistungsmissbrauch“ handelt es sich nicht um ein in der Polizeilichen Kriminalstatistik ausgewiesenes Delikt. Daher werden zur Beantwortung die Fallzahlen des Straftatenschlüssels „Sozialleistungsbetrug“ herangezogen. Dieser beinhaltet alle Straftaten, bei denen durch Täuschung der vergebenden öffentlichen Stellen Geld- oder Sachleistungen von Sozialleistungsträgern (z. B. Wohngeld, Kindergeld) erlangt wurden.

Die Anzahl der Fälle bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr Fälle
2015 2.917
2016 3.314
2017 3.050
2018 2.610
2019 1.836
2020 1.806
2021 2.098
2022 1.832

 

  1. Was ist über die auf dem Gelände entdeckten Autos bekannt? (Bitte in die Antwort einbeziehen, ob die Besitzer ebenfalls dort gemeldet sind und ggf. Sozialleistun­gen beziehen sowie ob die Autos rechtmäßig angemeldet sind.)

Die Stabsstelle „Sozialleistungsbetrug“ der Stadt Duisburg, unter deren Federführung der Ein­satz durchgeführt wurde, teilte dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisie­rung mit, dass im Rahmen des Einsatzes Fahrzeuge aufgrund von Parkverstößen abge­schleppt worden seien, da die Halter der Fahrzeuge vor Ort nicht angetroffen werden konnten.

Dem Bericht der Polizei Duisburg zur Folge habe eine polizeiliche Überprüfung der Fahrzeuge keine Hinweise auf etwaige Straftaten ergeben.

  1. Wie ist die Einschätzung der Leiter der Razzia bzw. konnte das Ziel, den Meldebe­stand mit dem Bewohnerbestand abzugleichen, erfolgreich umgesetzt werden?

Bei dem betreffenden Einsatz handelte es sich um Maßnahmen der Stabsstelle „Sozialleis-tungsbetrug“ der Stadt Duisburg. Die Polizei unterstützte die Maßnahmen im Rahmen der Amtshilfe.

Die Stabsstelle teilte dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung mit, dass der Einsatz hinsichtlich des Ziels, den Bewohnerbestand mit dem Meldebestand abzu­gleichen, erfolgreich gewesen sei.

Auch aus Sicht der Polizeiführung des Polizeipräsidiums Duisburg ist der Einsatz als Erfolg zu bewerten. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen der Amtshilfe sei von ei­nem konstruktiven und lösungsorientierten Austausch geprägt gewesen.

 

MMD18-6860