Vergabepraxis in der Justiz

Kleine Anfrage
vom 09.09.2021

Kleine Anfrage 5952des Abgeordneten Thomas Röckemann vom 09.09.2021

 

Vergabepraxis in der Justiz

Im Jahre 2020 erschütterte eine Bestechungsaffäre die Justiz in Hessen. So wurde am 23. Juli 2020 ein Frankfurter Oberstaatsanwalt auf Grund des Verdachts der Bestechlichkeit der Untersuchungshaft zugeführt.1

Es stand der Vorwurf im Raum, dass der Oberstaatsanwalt über einen längeren Zeitraum Gutachteraufträge in Ermittlungsverfahren einem Unternehmen vermittelt habe und hierfür eine „Provision“ entgegennahm. Hierfür habe er mit einem Unternehmer zusammengearbeitet und diesen schon im Jahre 2005 dazu veranlasst, eine Gesellschaft mit dem Geschäftszweck zu gründen, Gutachten für die Justiz zu erstellen.

Im Laufe der Ermittlungen erweiterten sich die Vorwürfe Anfang des Jahres 2021 noch auf weitere Straftatbestände der Nötigung und des Betrugs. Dies zog eine Krise für die hessische Justiz nach sich.2

Doch auch in Nordrhein-Westfalen standen einzelne Vergabeverfahren öffentlich in der Kritik:

So wurde der massenhafte Ankauf von Stoffmasken für die Polizei in Nordrhein-Westfalen stark kritisiert, da die Vermittlungen einerseits durch den Sohn des Ministerpräsidenten Armin Laschet geführt wurden und andererseits bei dem ersten Erwerb keine Ausschreibungen stattfanden, wodurch ein zweites Vergabeverfahren notwendig wurde.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Nach welchen Vorschriften werden in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren Aufträge, wie bspw. Gutachten, an externe Dienstleister vergeben und wie läuft ein derartiges Verfahren ab?
  2. Wie wird im Einzelfall festgelegt, welcher Bieter den Zuschlag für den ausgeschriebenen Auftrag zur Erbringung einer der unter Punkt 1. aufgeführten Dienstleistungen erhält?
  3. Wird die Vergütung bei Zuschlägen im Vergabeverfahren innerhalb der Justiz zwischen der auftragserteilenden Behörde und dem Auftragnehmer frei vereinbart oder erfolgt diese nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz bzw. nach anderen Vorschriften?
  4. Wie wird sichergestellt, dass der Auftragnehmer seine Dienstleistung neutral und unbeeinflusst erbringt, d.h. diese nicht etwa in einer Weise erbringt, die darauf abzielt, Folgeaufträge durch die Behörde abzusichern?
  5. Wie wird innerhalb der Justiz sichergestellt, dass außervertragliche Zahlungen von Auftragnehmern an behördliche Entscheidungsträger nicht in der Erwartung vorgenommen werden, auch Folgeaufträge der ausschreibenden Behörde zu erhalten?

Thomas Röckemann

 

Anfrage als PDF

 

1 https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/korruptionsaffaere-in-frankfur-ter-generalstaatsanwaltschaft-16875336.html (abgerufen am 08.09.2021).

2 https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/der-kreis-der-beschuldigten-in-der-frankfurter-korruptionsaffaere-waechst-17151303.html (abgerufen am 08.09.2021).

3 https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_90031162/nrw-polizei-schliesst-umstrittenen-maskendeal-mit-van-laack-ab.html (abgerufen am 08.09.2021).


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 5952 mit Schreiben vom 13. Oktober 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

1. Nach welchen Vorschriften werden in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsver­fahren Aufträge, wie bspw. Gutachten, an externe Dienstleister vergeben und wie läuft ein derartiges Verfahren ab?

2. Wie wird im Einzelfall festgelegt, welcher Bieter den Zuschlag für den ausgeschrie­benen Auftrag zur Erbringung einer der unter Punkt 1. aufgeführten Dienstleistun­gen erhält?

Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.

Sofern in staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren Aufträge zu vergeben sind, die der Anwendung der einschlägigen Vergabevorschriften unterliegen, sind diese einzuhalten. Deren originäre Zweckrichtung liegt bereits in der bestmöglichen Wahrung von Transparenz, Gleich­behandlung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit. Maßgeblich sind die Regelungen der Strafprozessordnung und – untergesetzlich – vor allem die der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV).

Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat mir am 23.09.2021 hierzu wie folgt berichtet:

„Die Auswahl und die damit verbundene Beauftragung eines Sachverständigen richten sich nach den Vorschriften der StPO. Gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 161a Abs. 1 S. 2 StPO obliegt die Auswahl und die Beauftragung eines Sachverständigen der bzw. dem mit der Sachbearbeitung des Ermittlungsverfahrens betrauten Dezernentin bzw. Dezernenten der Staatsanwaltschaft, die/der die ihr/ihm obliegende Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen trifft. Maßgeblich ist insoweit die fachliche und per­sönliche Eignung des Sachverständigen, wobei § 73 Abs. 2 StPO vorgibt, dass für den Fall, dass für bestimmte Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt sind, solche in der Regel ausgewählt werden sollen. Bei der Auswahl kann die Staatsanwalt­schaft gemäß Nr. 70 Abs. 2 RiStBV die Berufsorganisation (z.B. die Ärztekammer) oder die Behörde (vgl. auch Nr. 255 Abs. 2 S. 2 RiStBV) um Vorschläge ersuchen, in deren Geschäftsbereich die zu begutachtende Frage fällt. Außerdem stehen den Staatsan­waltschaften Verzeichnisse bewährter Sachverständiger, die regelmäßig gemäß Nr. 70 Abs. 3 RiStBV von den Justizverwaltungen geführt werden, bei der Auswahlentschei­dung zur Verfügung. Nr. 70 Abs. 1 RiStBV sieht zudem vor, dass die Staatsanwalt­schaft dem Verteidiger während des Ermittlungsverfahrens in der Regel Gelegenheit geben soll, vor der Auswahl eines Sachverständigen Stellung zu nehmen.

Eine vorherige Ausschreibung oder die Einholung mehrerer Angebote im Vorfeld der Beauftragung von Sachverständigen ist ungeachtet des Umstandes, dass ein solches Verfahren in der StPO nicht vorgesehen ist, mit Blick auf die Besonderheiten des Er­mittlungsverfahrens (im Vergleich zu den sonst üblichen Vorgaben des bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beachtenden Vergaberechts) regelmäßig nicht möglich. Denn mit Blick auf die im Ermittlungsverfahren regelmäßig bestehende Eilbedürftigkeit muss der Sachverständige in der Lage sein, den Auftrag zeitnah zu erledigen, so dass hier­durch die Auswahl des geeigneten Sachverständigen eingeschränkt werden kann.

Darüber hinaus ist – je nach Gegenstand des Verfahrens – auch die Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit bei strafrechtlichen Ermittlungen von besonderer Bedeutung. Dementsprechend richtet sich die Auswahl der Sachverständigen auch nach den bis­her mit ihnen gemachten Erfahrungen hinsichtlich der Qualität der Gutachten und der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer für den Gutachtenauftrag, wobei insbesondere die jeweils aktuelle Auslastung der geeigneten Sachverständigen eine erhebliche Rolle bei der Entscheidung spielt.

Hinsichtlich der Beauftragung von Dolmetschern, bei der dem Kriterium der Zuverläs­sigkeit und Verschwiegenheit besondere Bedeutung zukommt, können die Staatsan­waltschaften zudem auf das gemäß § 34 Abs. 1 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) eingerichtete gemeinsame Verzeichnis von allgemein beeidigten Dolmet­scherinnen und Dolmetschern und ermächtigten Übersetzerinnen und Übersetzern zu­rückgreifen, wobei die Vorgaben der AV d. JM vom 29. September 2016 (3162 – I.4) zu beachten sind.

Ergänzend ist auf die im Justizintranet unter https://lv.justiz.nrw.de/Adres-sen_Links/sv/datenbanken_links/index.php veröffentlichte Sammlung von Informatio­nen zu verweisen, in der den Staatsanwaltschaften zahlreiche Informationen (u.a. Hin­weise auf Ansprechpartner der Industrie- und Handelskammern, auf die Sachverstän­digendatenbank des Handwerks, das Verzeichnis öffentlich bestellter Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer sowie auf branchenspezifische Sachverständigenverzeich­nisse) zur Verfügung gestellt werden, die ihnen die Ermittlung und die Auswahl eines Sachverständigen erheblich erleichtern und die geeignet sind, einer ggf. bestehenden Neigung, mangels anderweitiger Informationen immer denselben Sachverständigen, Dolmetscher oder sonstigen Auftragnehmer zu beauftragen, entgegenzuwirken.

Soweit nicht Gutachten, sondern andere Dienstleistungen wie etwa Transport und/oder Lagerung von Gegenständen in Auftrag gegeben werden, erfolgt – da das Justizvergü-tungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) für solche Dienstleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG nicht gilt – der Abschluss entsprechender Werkverträge nach Einholung mehrerer Angebote (sofern dem nicht im Einzelfall eine besondere Eilbedürftigkeit ent­gegensteht). Eine Ausnahme bilden regelmäßig wiederkehrende, vergleichbare Auf­träge, wie etwa die Verwahrung von Kraftfahrzeugen, wobei aber insoweit die Beauf­tragung des Dienstleisters regelmäßig durch die Polizei aufgrund bestehender Rah­menverträge mit Abschleppunternehmen ihres Bezirks erfolgt.“

Der Generalstaatsanwalt in Köln hat mir am 22.09.2021 ergänzend hierzu u. a. Folgendes berichtet:

„Im hiesigen Geschäftsbereich werden für die Auftragsvergabe an externe Dienstleister die einschlägigen Rechtsgrundlagen für Vergabeverfahren und die hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen angewendet. Im Rahmen von Ermittlungsvorgängen wird regelmäßig kein Vergabeverfahren durchgeführt, weil der Schwellenwert eines Netto-auftragsvolumens von 3.000,- Euro, ab dem ein Vergabeverfahren durchzuführen ist (vgl. Ziffer 2.2.3 der VV zu § 55 LHO), in der Regel nicht erreicht wird. In besonders eilbedürftigen Haft- und Unterbringungssachen dürfte ferner der Beschleunigungs­grundsatz als besonderer Umstand im Sinne des § 55 Abs. 1 LHO zu werten sein, der – unbeschadet der Beachtung sonstiger Vorgaben – die Durchführung eines Vergabe­verfahrens entbehrlich macht.

Für die im Strafrecht wichtigsten Sachverständigengebiete werden Verzeichnisse mit bewährten Gutachterinnen und Gutachtern geführt. Es gehört ebenfalls zur gelebten Praxis, dass Informationen über Ermittlungsverfahren gegen Sachverständige, Ver­stöße gegen die Neutralitätspflicht oder gravierende Mängel in der Gutachtenerstellung zwischen den Justizbehörden ausgetauscht werden.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn hat insbesondere berichtet, dass die Beauftra­gung von Dolmetschern und Übersetzern nach den Regelungen der AV d. JM vom 29. September 2016 (3162 – I.4) – JMBl. NW S. 309 erfolgt. Hinsichtlich der Sachverständigen erfolge die Beauftragung nach vorausgegangener Datenbank­recherche im Justizintranet oder über Anfragen bei der jeweiligen Bestellungskörper­schaft, Ärzte-, Zahnärzte- oder Psychotherapeutenkammer. Weitere Dienstleister, de­ren Tätigkeit im Ermittlungsverfahren erforderlich ist, werden grundsätzlich durch Ein­bindung der Ermittlungspersonen beauftragt.

Für die ‚Erteilung des Zuschlags‘ ist in der Regel die Wirtschaftlichkeit der vorliegenden Angebote maßgeblich.“

3. Wird die Vergütung bei Zuschlägen im Vergabeverfahren innerhalb der Justiz zwi­schen der auftragserteilenden Behörde und dem Auftragnehmer frei vereinbart o­der erfolgt diese nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungs-gesetz bzw. nach anderen Vorschriften?

Der Generalstaatsanwalt in Köln hat mir am 22.09.2021 hierzu Folgendes berichtet:

Die Vergütung von Zuschlägen richtet sich nach dem Justizvergütungs- und Entschä­digungsgesetz bzw. nach den Vertragsbedingungen des Landes NRW (VHB-NRW). Eine freie Vereinbarung findet nicht statt.

Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat mir am 23.09.2021 ergänzend u. a. Folgendes berich­tet:

„Andere Dienstleistungen, die nicht vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erfasst sind, werden entweder auf Grundlage bestehender Rahmenverträge o­der auf Grundlage der dem Einzelfall zugrunde liegenden Vereinbarung mit dem Dienstleister vergütet.“

4. Wie wird sichergestellt, dass der Auftragnehmer seine Dienstleistung neutral und unbeeinflusst erbringt, d.h. diese nicht etwa in einer Weise erbringt, die darauf abzielt, Folgeaufträge durch die Behörde abzusichern?

Bei den von der Landesregierung für das Justizressort ergriffenen Präventionsmaßnahmen gegen Korruption ist zwischen dem Bereich der Justizverwaltung einerseits und dem Bereich der Rechtspflege andererseits zu unterscheiden:

Für den Bereich der Justizverwaltung gilt Folgendes:

Hier finden zunächst die für sämtliche Bereiche der öffentlichen Verwaltung geltenden Vor­schriften Anwendung, so insbesondere das am 01.03.2005 in Kraft getretene Korruptionsbe-kämpfungsgesetz vom 16.12.2004 (KorruptionsbG) mit den zur Korruptionsprävention ge­schaffenen Vorschriften der §§ 2 Abs. 2, 20, 21 KorruptionsbG (behördeninterne Festlegung korruptionsgefährdeter Bereiche, Vieraugenprinzip, Rotation) und der Runderlass des Minis­teriums für Inneres und Kommunales, zugleich im Namen der Ministerpräsidentin und aller Landesministerien – IR 12.02.02 – vom 20.08.2014 „Verhütung und Bekämpfung von Korrup­tion in der öffentlichen Verwaltung“, den ich zuletzt mit Allgemeiner Verfügung vom 17.09.2015 (4027 – Z. 1) – JMBl. NRW S. 346 – für meinen Geschäftsbereich zur Beachtung bekannt ge­geben habe. Zudem besteht in meinem Geschäftsbereich eine flächendeckende Innenrevision mit korruptionspräventiver Zielsetzung, für die ich mit Allgemeiner Verfügung vom 13.11.2007 (4027 – InR. 1) – JMBl. NRW S. 282 – eine detaillierte Richtlinie erlassen habe.

Nach § 2 Abs. 1 KorruptionsbG sind die Innenrevisionen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbe­reich Prüfeinrichtungen im Sinne des Gesetzes. Von besonderer Bedeutung für die Tätigkeit der Innenrevisionen sind insbesondere die oben vorbenannten gesetzlichen Vorschriften zur Korruptionsvorbeugung, nämlich § 20 KorruptionsbG (Vieraugenprinzip) und § 21 Korrupti-onsbG (Rotation).

Für die Innenrevision im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz steht schwerpunktmä­ßig die Korruptionsprävention im Vordergrund. Zu diesem Zweck unterstützt sie primär die Dienstaufsicht, sekundär die Fachaufsicht; sie übernimmt aber nicht deren Aufgaben. Durch die Innenrevision soll im Wesentlichen festgestellt werden, ob in korruptionsgefährdeten Ver­waltungsbereichen der Justiz die maßgebenden Gesetze, Vorschriften, Dienstanweisungen und sonstigen Anweisungen beachtet werden. Daneben soll die Innenrevision korruptiven Sachverhalten durch Prüfungen und Schwachstellenanalysen der Ablauforganisation in kor­ruptionsanfälligen Bereichen vorbeugen, ggf. Vorschläge zu deren Beseitigung unterbreiten sowie bei der Umsetzung personalbezogener korruptionspräventiver Maßnahmen und Kon­zepte unterstützend mitwirken.

Die flächendeckende Einrichtung von Innenrevisionen in den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Fortbildungseinrichtungen der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen ist bereits seit dem Jahr 2000 abgeschlossen. Innenrevisionen sind sowohl im Ministerium der Justiz (Stabsstelle) als auch auf der Ebene der oberen Landesgerichte (Oberverwaltungsgericht, Oberlandesge­richte, Landesarbeitsgerichte, Landessozialgericht, Finanzgerichte) und der Generalstaatsan­waltschaften eingerichtet. Dabei bestehen zum Teil sog. Prüfverbünde, in welchen sich meh­rere Behörden zusammengeschlossen haben, um die Aufgaben der Korruptionsprävention noch effektiver wahrnehmen zu können. Zudem ist seit dem 01.01.2008 gemäß Nr. 2.4 der oben genannten Allgemeinen Verfügung eine Innenrevision für den Justizvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen eingerichtet, die im Ministerium der Justiz angesiedelt ist.

Für Innenrevisorinnen und -revisoren werden regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen sowohl in Form von Grundlagenschulungen als auch von Seminaren zu aktuellen Themen angeboten.

Auch im Rahmen der turnusmäßig alle vier Jahre stattfindenden Geschäftsprüfungen der Ver­waltungsabteilungen der Justizbehörden wird auf die Einhaltung der zur Korruptionsprävention ergangenen Vorschriften, z.B. im Rahmen von Vergabeverfahren, geachtet. Mögliche Ver­säumnisse werden mit dem betroffenen Behördenleiter erörtert, ggf. werden Fristen zur Abhilfe gesetzt. Für den Bereich der Rechtspflege kommen Maßnahmen der Landesregierung nur in ganz eingeschränktem Umfang in Betracht, da die Rechtspflege nicht den für die öffentliche Verwaltung erlassenen Vorschriften zur Korruptionsprävention untersteht und für den gericht­lichen Bereich zudem die in Artikel 97 des Grundgesetzes verbürgte richterliche Unabhängig­keit zu beachten ist.

Allerdings bestehen im Bereich der Rechtspflege eigene, durch den Bundesgesetzgeber ge­schaffene verfahrensrechtliche Schutzmechanismen, die korruptes Handeln Einzelner er­schweren, wenn nicht sogar weiterhin unmöglich machen. So herrscht in weiten Bereichen der gerichtlichen Tätigkeit das sog. Kollegialprinzip, welches besagt, dass Entscheidungen von mehreren (insoweit gleichberechtigten) Personen getroffen werden. Darüber hinaus unterlie­gen – von einzelnen gesetzlich festgelegten Ausnahmen abgesehen – Entscheidungen im Be­reich der Rechtspflege Rechtsmitteln. Das Rechtsmittelsystem dient der Richtigkeitsgewähr und verhindert damit mittelbar ebenfalls korruptes Handeln. Schließlich besteht für die Betei­ligten die Möglichkeit der Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit, welche zur Aufdeckung möglicher Näheverhältnisse und Interes­senkonflikte beitragen kann.

Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat mir am 23.09.2021 aus der Praxis hierzu Folgendes berichtet:

„Im Zusammenhang mit dieser Frage weist zunächst der Leitende Oberstaatsanwalt in Krefeld in allgemeiner Form darauf hin, dass über die Vergabe von Aufträgen, nament­lich an Sachverständige, die Dezernentinnen und Dezernenten im Rahmen der eigen­verantwortlichen Sachbehandlung (Nummer 8 Absatz 2 Satz 1 OrgStA) entscheiden. Nach Maßgabe von Qualifikation, Verlässlichkeit und Belastung werde aus dem Kreis der in der Regel nur geringen Anzahl von geeigneten – vorzugsweise öffentlich bestell­ten (§ 73 Absatz 2 StPO) – Sachverständigen unter Berücksichtigung von bei den Be­hörden vorgehaltenen Listen sowie nach eigener beruflicher und kollegialer Erfahrung ein geeigneter Gutachter ausgewählt. Insbesondere bei besonderen Sachmaterien werde gemäß Nr. 70 Absatz 2 RiStBV die Empfehlung einer Berufsorganisation, einer Behörde, eines Dachverbandes oder einer sonstigen, die Thematik übergeordnet re­präsentierenden und fachlich qualifizierten Organisation eingeholt. In diesem Zusam­menhang stellt auch die Gelegenheit der Verteidigung zur Stellungnahme (Nr. 70 RiStBV) als eine Art Vier-Augen-Prinzip weitgehend sicher, dass die Gutachterauswahl objektiv erfolgt und die Belange des Beschuldigten berücksichtigt werden.

Am Rande verweisen der Leitende Oberstaatsanwalt in Kleve und die Leitende Ober­staatsanwältin in Mönchengladbach auf das allgemeingültige (marktwirtschaftlich fun­dierte) Interesse des Auftragnehmers, seine Leistung in einer Qualität in Güte zu er­bringen, die weitere Folgeaufträge nach sich zieht. Hieraus lasse sich kein hinreichen­der Indikator für eine Korruptionsstraftat ableiten.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Duisburg führt noch aus, dass die Gutachten nicht nur von der Staatsanwaltschaft, sondern auch den zuständigen Gerichten einer kriti­schen Würdigung unterzogen würden. Sollte sich in einem Einzelfall auch nur der Ver­dacht ergeben, ein Gutachten sei nicht neutral und unbeeinflusst erstellt worden, werde von weiteren Beauftragungen abgesehen.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen sehen die Behördenleitungen meines Geschäftsbereichs ganz überwiegend keinen Anlass, weitere behördeninterne Maßnahmen zu ergreifen. Allein der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf schildert folgende Praxis in seinem Haus:

‚Zur Überwachung der Zuweisungspraxis bei der hiesigen Behörde wurde im Jahr 2020 eine Liste für die Anweisungsstelle angelegt. In dieser Liste werden durch die Anweisungsbeamtinnen und -beamten jährlich alle Anweisungen an Gutachter, Sachverstände und Dolmetscher erfasst. Einmal jährlich erfolgt mit Zustimmung der Personalvertretungen eine Auswertung der Anweisungen in denen dann stichprobenartig die Vergabe innerhalb der Verfahrensakten über­prüft wird. Anhand dieser Überprüfung soll sichergestellt werden, dass durch einzelne Dezernentinnen und Dezernenten oder Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger nicht ohne sachlichen Grund stets dieselben Sachverständigen, Gutachter oder Dolmetscher beauftragt werden. (…).

Sofern anderweitige Leistungen (z. B. Transport und Lagerung von Beweismit­teln) in Strafverfahren benötigt werden, erfolgt die Beauftragung im Regelfall im Rahmen von bestehenden Rahmenverträgen durch die Dezernentinnen und Dezernenten oder unmittelbar durch die zuständige Polizeidienststelle, sodass auch hier die neutrale Erbringung der jeweiligen Dienstleistung sichergestellt wird.

In Einzelfällen (z. B. zur Einlagerung von erheblichen Vermögensgegenständen oder Auswertung von IT) kann es geboten sein, entsprechend spezialisierte Fir­men zu beauftragen. In diesen Verfahren stehen regelmäßig nur wenige oder gar einzelne Firmen für eine entsprechende Beauftragung zur Verfügung. Gleichwohl werden auch in diesen Fällen möglichst im Rahmen der bestehen­den Vergabevorschriften des Landes mehrere Angebote eingeholt und sodann eine Firma beauftragt, die das insgesamt beste Angebot vorgelegt hat. Da diese Beauftragungen im Regelfall unter Beteiligung der Verwaltungsabteilung statt­finden, ist bei der Prüfung das Vier-Augen-Prinzip gewahrt.‘“

Der Generalstaatsanwalt in Köln hat mir am 22.09.2021 hierzu ergänzend Folgendes berichtet:

„Bei der Beauftragung Externer im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren soll durch das u. a. in § 20 Korruptionsbekämpfungsgesetz NRW normierte Vier-Au­gen-Prinzip sichergestellt werden, dass der Auftragnehmer seine Dienstleistung nicht in einer Weise erbringt, die auf Folgeaufträge durch die Behörde abzusichern abzielt. Die Auftragsvergabe und die Mitwirkung hieran ist zudem Gegenstand der regelmäßig durchgeführten Innenrevision nach Maßgabe der Richtlinie für die Innenrevision mit korruptionspräventiver Zielsetzung im Geschäftsbereich des Justizministeriums – AV des JM vom 15.08.2021 (4027 – InR. 1).

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat hierzu ausgeführt, dass sofern ein Sachver­ständiger bestellt ist, dieser gemäß § 74 Abs. 1 StPO zu Objektivität und Neutralität verpflichtet sei und aus denselben Gründen wie ein Richter abgelehnt werden könne. Aus § 78 StPO folge die Aufgabe des den Auftrag erteilenden Staatsanwalts zur Lei­tung der Sachverständigentätigkeit. Der Sachverständige habe sein Gutachten im Hin­blick auf die Auftragsbeschreibung, die klar und eindeutig sein soll, zu erbringen.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Aachen hat berichtet, dass durch die dortigen De­zernentinnen und Dezernenten geprüft werde, ob die erbrachten Leistungen den An­forderungen entsprechen und die eingereichten Liquidationen sachlich gerechtfertigt sind. Gefälligkeitsgutachten genügten den Anforderungen nicht. Sie seien keine taug­liche Grundlage für eine gesetzmäßige und rechtsstaatliche Strafverfolgung. Daher hätten die Dezernentinnen und Dezernenten aufgrund ihrer Verpflichtung zur Objekti­vität erforderlichenfalls eine Nachbesserung der Leistung zu bewirken. Dadurch werde sichergestellt, dass die Verfahrensabläufe im Strafverfahren gesetzmäßig und rechts­staatlich seien (vgl. § 1 Satz 3 des Richter- und Staatsanwältegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen).“

Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat mir am 23.09.2021 hierzu außerdem Folgendes be­richtet:

„Sachverständige sind bereits auf Grund der Vorschriften der StPO zur unparteiischen Gutachtenerstattung nach bestem Wissen und Gewissen verpflichtet (vgl. § 79 Abs. 2 StPO). Dementsprechend sieht § 74 StPO auch für die Verfahrensbeteiligten die Mög­lichkeit vor, einen Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzu­lehnen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es weder ungewöhnlich noch – jedenfalls im Regelfall – rechtlich bedenklich ist, dass der Auftragnehmer einen Auf­trag zur Zufriedenheit des Auftraggebers erfüllt, um sich für weitere Aufträge zu empfehlen. Dass der Auftragnehmer den ihm erteilten Auftrag optimal zu erfüllen ver­sucht, dürfte vielmehr der – vertraglich geschuldete – Regelfall sein.

Da – wie oben bereits dargestellt – die Auftragsvergabe – die insbesondere auch bei der Erteilung von Gutachtenaufträgen auf Grund der Verpflichtung der Staatsanwalt­schaft zur objektiven Führung der Ermittlungen nicht von einer konkreten Erwartungs­haltung geprägt ist – nach Möglichkeit und unter Berücksichtigung der jeweils konkret bestehenden Verfahrenssituation an verschiedene Auftragnehmer vergeben werden, können diese daher nicht zwingend mit einer Folgebeauftragung rechnen. Im Übrigen ist mir von den Leitenden Oberstaatsanwältinnen und Leitenden Oberstaatsanwälten meines Geschäftsbereichs kein Fall berichtet worden, in dem eine Dienstleitung in ei­ner als bedenklich anzusehenden Weise im Sinne der Fragestellung erbracht worden ist.“

  1. Wie wird innerhalb der Justiz sichergestellt, dass außervertragliche Zahlungen von Auftragnehmern an behördliche Entscheidungsträger nicht in der Erwartung vorgenommen werden, auch Folgeaufträge der ausschreibenden Behörde zu er­halten?“

Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat mir am 23.09.2021 hierzu wie folgt berichtet:

„Außervertragliche Zahlungen von Auftragnehmern an behördliche Entscheidungsträ­ger mit dem Ziel der Beeinflussung von Entscheidungen sind verboten und unter Um­ständen sogar strafbar (vgl. §§ 331 ff. StGB). Ergänzend ist auf die Bestimmungen zu dem Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken (§ 42 BeamtenStG, § 59 LBG NRW, ggf. in Verbindung mit § 2 Abs. 2 LRiStAG, § 3 Abs. 3 TV-L sowie die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften) hinzuweisen.

Zudem sind in dem RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales, zugleich im Namen der Ministerpräsidentin und aller                      Landesministerien – IR 12.02.02 – vom 20.8.2014 nicht nur Indikatoren zur Erkennung einer ggf. beste­henden Korruptionsgefährdung benannt (Nr. 1.4), sondern auch zahlreiche Maßnah­men zur Sensibilisierung von Bediensteten der Staatsanwaltschaften sowie Kontroll­mechanismen aufgezeigt, die bei den Staatsanwaltschaften meines Geschäftsbereichs – auch durch die Implementierung entsprechender Hausverfügungen – umgesetzt wer­den.

So werden die Angehörigen der Staatsanwaltschaften jährlich auf das Verbot der An­nahme von Belohnungen und Geschenken (zu vgl. Nr. 2.4. des vorbezeichneten RdErl.) und die straf- und disziplinarrechtlichen Folgen (zu vgl. auch Nr. 2.3 des vorbe-zeichneten RdErl., wonach in Fällen von Korruption, auch unterhalb der Strafbarkeits-schwelle, die disziplinar- und arbeitsrechtlichen Mittel mit Nachdruck anzuwenden sind) eines Verstoßes hingewiesen. Zudem werden die entsprechenden Vergaben von Auf­trägen durch die Innenrevision der Generalstaatsanwaltschaft regelmäßig überprüft (zu vgl. Nr. 2.2 des vorbezeichneten RdErl. i. V. m. den Vorgaben der AV des JM NRW vom 15.08.2021 – 4027 – InR. 1 – (Richtlinie für die Innenrevision mit korruptionsprä­ventiver Zielsetzung im Geschäftsbereich des Justizministeriums)).“

Die Generalstaatsanwälte in Köln und Düsseldorf haben mir am 22. bzw. 23.09.2021 hierzu u. a. ergänzend berichtet, in ihren jeweiligen Geschäftsbereichen ebenfalls regelmäßig entspre­chende Belehrungen durchzuführen.

 

Antwort als PDF