Verschwundene Schüler – werden Familienumzüge konsequent gemeldet?

Kleine Anfrage
vom 30.09.2024

Kleine Anfrage 4578

des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD

Verschwundene Schüler werden Familienumzüge konsequent gemeldet?

Das deutsche Schulwesen arbeitet mit konkreten Daten, möglichst präzisen Schätzungen sowie Prognosen, um Bedarfsberechnungen und Mittelzuweisungen genau aufstellen zu können. Die Schülerzahlen sind hierbei zentraler Aspekt und maßgeblich für beispielsweise die Lehrstellenzuweisungen. Doch auch im alltäglichen Betrieb an den Schulen sind Daten und Erhebungen wichtig für einen ordentlichen Lehrbetrieb. In Zeiten von steigenden Klassengrößen und fallenden Bildungsniveaus besteht eine umso größere Notwendigkeit verlässlicher Zahlen sowie der ordnungsgemäßen Unterrichtsteilnahme der Schüler.

Ein Artikel von Focus Online berichtete nun über ein Phänomen, welches an einer hessischen Schule beobachtet wurde. „Wer kann, zieht hier aus dem Viertel weg. (…) Dann muss die Familie nur das Bundesland wechseln, denn die Jugendämter tauschen sich über die Bundeslandgrenze nicht miteinander aus. Aus diesem Grund verschwand erst neulich ein Kind aus unserer Schule. Wir haben keine Ahnung, wo es jetzt ist.“1

Derartiges Verschwinden von Schülern sorgt nicht nur für ausgelöste Meldeketten hinsichtlich Verstöße gegen die Schulpflicht oder im schlimmsten Fall sogar Bedenken bezüglich des Kindeswohls, sondern trägt auch zu fehlender Planbarkeit im Schulbetrieb bei. Weiterhin ist die plötzliche ausbleibende Teilnahme am Unterricht selbstverständlich ein massiver Nachteil für die betroffenen Schüler. Hinsichtlich wahrscheinlich folgenden Ausbleibens einer erneuten ordentlichen Schulanmeldung, da die Abmeldung bereits nicht durchgeführt wurde, ist stark davon auszugehen, dass die weitere Teilnahme am Unterricht gefährdet wird.

Unter diesen Gesichtspunkten frage ich die Landesregierung:

  1. Wie viele Fälle „verschwundener“ Schüler gab es in Nordrhein-Westfalen von 2021 bis heute? (Bitte nach Kommune, Schule, Datum und ggf. Ergebnis aufschlüsseln)
  2. Wie viele der Fälle wurden bis heute weiterverfolgt und ggf. aufgeklärt?
  3. Welche Abläufe finden in den Behörden statt, wenn ein Schüler unter den genannten Gesichtspunkten „verschwindet“?
  4. Welche Konsequenzen juristischer Art haben derartige ungemeldete Wegzüge für die verantwortlichen Eltern und die betroffenen Schüler sowie hinsichtlich der Kontinuität ihrer Unterrichtsteilnahme?
  5. Wie viele Schüler nehmen (sofern Daten fehlen, schätzungsweise) in Nordrhein-Westfalen derzeit trotz geltender Schulpflicht illegitim nicht am Unterricht teil?

Dr. Christian Blex

 

MMD18-10853

 

1 Abgerufen am 16.09.2024 https://www.focus.de/familie/eltern/alltag-in-deutscher-grundschule-manche-kinder-wissen-nicht-was-ein-stift-ist_2b63771d-cde5-474b-8cd9-fc37fc05f5da.html


Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 4578 mit Schreiben vom 24. Oktober 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kin­der, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Wie viele Fälle „verschwundener“ Schüler gab es in Nordrhein-Westfalen von 2021 bis heute? (Bitte nach Kommune, Schule, Datum und ggf. Ergebnis aufschlüsseln)
  2. Wie viele der Fälle wurden bis heute weiterverfolgt und ggf. aufgeklärt? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Weder die Frage noch der in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage zitierte Auszug aus dem Artikel lassen eine konkrete schulrechtliche Anknüpfung erkennen.

Soweit Daten zur Verfolgung und Ahndung von Schulpflichtverletzungen erbeten sein sollten, ist darauf hinzuweisen, dass die erfragten Daten nicht erhoben werden. Die zur Verfolgung und Ahndung von Schulpflichtverletzungen zuständigen Schulaufsichtsbehörden sind zu einer Statistikführung – insbesondere differenziert nach unterschiedlichen Sachverhaltskonstellatio­nen – nicht verpflichtet.

  1. Welche Abläufe finden in den Behörden statt, wenn ein Schüler unter den genann­ten Gesichtspunkten „verschwindet“?

Schulpflichtig ist gemäß § 34 Absatz 1 Schulgesetz NRW, wer in Nordrhein-Westfalen seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat. Besteht eine Meldeadresse in Nordrhein-Westfalen, wird dort der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt widerlegbar vermutet. Im Falle eines Zuzugs aus einem anderen Bundesland wird eine Schülerin oder ein Schüler nach diesen Grundsätzen in Nordrhein-Westfalen schulpflich­tig und unterfällt der Schulpflichtüberwachung. Diese richtet sich nach dem Runderlass BASS 2024/2025 – 12-51 Nr. 5 Überwachung der Schulpflicht (schul-welt.de), der hierfür ein geord­netes Verfahren vorsieht.

  1. Welche Konsequenzen juristischer Art haben derartige ungemeldete Wegzüge für die verantwortlichen Eltern und die betroffenen Schüler sowie hinsichtlich der Kontinuität ihrer Unterrichtsteilnahme?

Im Falle einer Verletzung der Schulpflicht können die Schulpflichtigen gemäß § 41 Absätze 4 und 5 Schulgesetz NRW auf Ersuchen der Schule oder der Schulaufsichtsbehörde von der für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Ordnungsbehörde der Schule zwangsweise gemäß §§ 66 bis 75 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW zugeführt wer­den. Das Jugendamt ist über die beabsichtigte Maßnahme zu unterrichten. Die Eltern können von der Schulaufsichtsbehörde durch Zwangsmittel gemäß §§ 55 bis 65 Verwaltungsvollstre-ckungsgesetz NRW zur Erfüllung ihrer Pflichten gemäß § 41 Absatz 1 Schulgesetz NRW an­gehalten werden. Außerdem stellt die Verletzung der Schulpflicht eine Ordnungswidrigkeit dar, die gemäß § 126 Schulgesetz NRW mit Geldbuße geahndet werden kann. Das Verfahren regelt der Runderlass BASS 2024/2025 – 12-51 Nr. 5 Überwachung der Schulpflicht (schul-welt.de).

  1. Wie viele Schüler nehmen (sofern Daten fehlen, schätzungsweise) in Nordrhein-Westfalen derzeit trotz geltender Schulpflicht illegitim nicht am Unterricht teil?

Die erfragten Daten liegen der Landesregierung nicht vor. Eine tagesaktuelle Abfrage zu „der­zeitigen“ Schulpflichtverletzungen bei sämtlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen wäre auch nicht möglich. Die Landesregierung nimmt zu dieser Fragestellung keine Schätzungen vor.

 

MMD18-11143