Verstopfte Stromnetze durch Atomstrom oder Braunkohlestrom – wie groß ist die Verstopfung wirklich?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 299
des Abgeordneten Christian Loose vom 08.08.2022

 

Verstopfte Stromnetze durch Atomstrom oder Braunkohlestrom wie groß ist die Verstopfung wirklich?

Immer wieder wird von führenden Personen der Partei Bündnis 90 /Grüne geäußert, dass Atomstrom oder Braunkohlestrom die Netze verstopft.1 Zuletzt wurde dies vor wenigen Tagen von der Vizepräsidentin des deutschen Bundestags, Frau Katrin Göring-Eckardt, geäußert.2

Der Landesparteirat NRW der Partei Bündnis90/Grüne sprach in seinem Beschluss vom 07.10.20183 („NRW muss seiner Verantwortung für die Pariser Klimaziele gerecht werden und die Energiewende konsequent vorantreiben“) auf Antrag des Landesvorstands ebenfalls von verstopften Netzen. Zu diesem Zeitpunkt war die jetzige Wirtschaftsministerin Mona Neubaur Vorsitzende des Landesverbandes und mitverantwortlich für den Antrag und den Beschluss. In diesem Beschluss und auch im Wahlprogramm von Bündnis90/Grüne aus dem Jahr 2017 wird allerdings nicht der Atomstrom, sondern der Braunkohlestrom für die „Verstopfung“ der Netze verantwortlich gemacht.4

Die energiepolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNS 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW sprach dazu in der Plenardebatte am 1. März 2018 ebenfalls von „verstopfte(n) Leitungen“ durch fossile Überkapazitäten.5

Daher frage ich die Landesregierung:

  1. Wie oft kam es im Jahr 2021 zu durch Atomstrom oder Braunkohlestrom verstopften Leitungen in NRW (bitte nach Atomstrom und Braunkohlestrom aufschlüsseln)?
  2. Woran erkennt man, dass das Stromnetz von Atomstrom oder Braunkohlestrom und keinem anderen Strom verstopft wurde?
  3. Welche Kosten verursachten von durch Atomstrom oder Braunkohlestrom verstopfte Netze in NRW im Jahr 2021 (bitte nach Atomstrom und Braunkohlestrom aufschlüs­seln)?
  4. Mit welchen Maßnahmen kann ein durch Atomstrom oder Braunkohlestrom verstopftes Netz von dieser Verstopfung befreit werden?
  5. Wird es nach Ansicht der Landesregierung nach dem Abschalten der Atomkraftwerke nun zu deutlich weniger verstopften Leitungen in NRW kommen?

Christian Loose

 

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1 Z.B. durch den ehemaligen Energieminister von Schleswig-Holstein, Jan Philipp Albrecht. Vgl. dazu: https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/ausstieg-aus-der-kernenergie-soll-windenergie-in-norddeutschland-vorantreiben/, abgerufen am 04.08.20222. Oder auch von der Vorsitzenden Ricarda Lang, vgl. dazu beispielsweise: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/ricarda-lang/fragen-antworten/was-werden-sie-machen-um-einen-blackout-zu-verhindern-und-wissen-sie-welche-gefahren-ein-blackout-fuer-die, abgerufen am 04.08.2022.

2 Vgl. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100033020/katrin-goering-eckardt-gruene-die-einschraenkungen-sind-nur-der-anfang-.html, abgerufen am 04.08.2022.

3 Vgl. https://gruene-nrw.de/2018/10/nrw-muss-seiner-verantwortung-fuer-die-pariser-klimaziele-gerecht-werden-und-die-energiewende-konsequent-vorantreiben/, abgerufen am 04.08.2022.

4 Vgl. https://gruene-nrw.de/dateien/wahlprogramm2017.pdf, angerufen am 04.08.2022.

5 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMP17/21%7C00093%7C00099, abgerufen am 04.08.2022


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 299 mit Schreiben vom 29. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Wird die technische Leistungsfähigkeit (Übertragungsmaximum) von elektrischen Leitungen im Stromnetz überschritten, so wird von Netzengpässen gesprochen. Für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems sind die Netzbetreiber zuständig. Zu diesem Zweck sind sie gesetzlich ermächtigt und verpflichtet, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Dazu zählen kurzfristig insbesondere Maßnahmen des Netzengpassmanagements (Redispatch, Einspeisemanagement, Anpassungsmaßnahmen, Netzreserve) und mittel- bis langfristig bedarfsgerechte Netzoptimierungs-, Netzverstärkungs- und Netzausbaumaßnahmen.

Netzengpässe im elektrischen Energieversorgungssystem entstehen grundsätzlich durch das Zusammenwirken aller an das Stromnetz angeschlossenen Energiewandlungsanlagen sowie durch die Höhe der insgesamt angeschlossenen Lasten (Verbraucher). Damit sind Netzengpässe sehr stark von der jeweiligen Netzsituation abhängig. Darüber hinaus ist die elektrische Leistungsübertragung in Wechselstromnetzen in ihrer Entfernung technisch auf regelmäßige Einspeisungen an Netzknoten angewiesen. Für elektrische Leistungsübertragungen über Entfernungen von mehreren Hundert Kilometern sind andere Übertragungstechnologien erforderlich, z. B. die Hochspannungsgleichstromübertragung.

Informationen und Zahlen zur Bewirtschaftung von Netzengpässen gibt die Bundesnetzagentur in ihren Quartalsberichten zum Netzengpassmanagement heraus (abrufbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgungssicherheit/Netzengpassmanagement/start.html). Anhand dieser Berichte ist ersichtlich, dass in Nordrhein-Westfalen Maßnahmen zum Netzengpassmanagement durchgeführt werden. Dabei bildet das elektrische Energieversorgungssystem in unserem Bundesland bei weitem keine Schwerpunktregion hinsichtlich dieser Maßnahmen im gesamten deutschen Stromnetz.

  1. Wie oft kam es im Jahr 2021 zu durch Atomstrom oder Braunkohlestrom verstopften Leitungen in NRW (bitte nach Atomstrom und Braunkohlestrom aufschlüsseln)?
  2. Woran erkennt man, dass das Stromnetz von Atomstrom oder Braunkohlestrom und keinem anderen Strom verstopft wurde?

Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Den Quartalsberichten der Bundesnetzagentur zum Netzengpassmanagement können teilweise energieträgerbezogene und bundeslandscharfe Zahlen zu Energiemengen und Kosten entnommen werden. Es lässt sich allerdings nicht erkennen, welche Kraftwerke in welchem Bundesland aufgrund von Netzengpässen in ihrer Leistungsbereitstellung angepasst wurden.

  1. Welche Kosten verursachten von durch Atomstrom oder Braunkohlestrom verstopfte Netze in NRW im Jahr 2021 (bitte nach Atomstrom und Braunkohlestrom aufschlüsseln)?

Maßnahmen zum Netzengpassmanagement im deutschen Stromnetz verursachten im Jahr 2021 Kosten in Höhe von etwa 2,29 Mrd. Euro. Der davon auf das elektrische Netz Nordrhein-Westfalens entfallende Anteil kann zum Teil den Quartalsberichten der Bundesnetzagentur entnommen werden. Hingegen ist nicht ersichtlich, welcher nordrhein-westfälische Anteil davon durch Atom- oder Braunkohleanlagen ausgeglichen wurde.

  1. Mit welchen Maßnahmen kann ein durch Atomstrom oder Braunkohlestrom verstopftes Netz von dieser Verstopfung befreit werden?

Engpässe in elektrischen Energieversorgungssystemen können mit den eingangs beschriebenen Maßnahmen zum Netzengpassmanagement sowie Netzoptimierung, Netzverstärkung und Netzausbau behoben werden.

  1. Wird es nach Ansicht der Landesregierung nach dem Abschalten der Atomkraftwerke nun zu deutlich weniger verstopften Leitungen in NRW kommen?

Die Landesregierung ist der Ansicht, dass nach derzeitiger Faktenlage die geplante Abschaltung der verbliebenen drei Kernkraftwerke zum 31. Dezember 2022 keine engpassvermeidenden Auswirkungen auf den Leistungstransport im elektrischen Energieversorgungssystem Nordrhein-Westfalens haben wird.

 

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Beteiligte:
Christian Loose