Verzicht auf torfhaltige Blumenerde aus Klimaschutzgründen?

Kleine Anfrage
vom 03.09.2020

Kleine Anfrage 4282des Abgeordneten Dr. Christian Blex vom 03.09.2020

 

Verzicht auf torfhaltige Blumenerde aus Klimaschutzgründen?

Torf bildet sich aus nicht oder nur unvollständig zersetzten pflanzlichen Substanzen und wird überwiegend als natürlicher Brennstoff oder als Kultursubstrat verwendet. Einige Zierpflanzen, wie etwa die Azalee, benötigen einen regulierten Säurehaushalt im Boden. Mit Torf als Kultursubstrat wird in einem solchen Fall das beste Ergebnis erzielt.

Mit dem „Klimaschutzplan 2050“ der Großen Koalition beginnt der Ausstieg aus der Nutzung von Torf für den Gartenbau. Der Zentralverband Gartenbau (ZVG) kritisiert die Unverhältnismäßigkeit dieses Vorgehens scharf.1

Am 1. August 2020 hat Agrarministerin Klöckner (CDU) aus Klimaschutzgründen einen Verzicht auf torfhaltige Blumenerde gefordert; sie möchte Torf aus Bau- und Supermärkten verbannen. Bis zum Jahre 2026 greift der Klimaschutzplan, und die Nutzung von Torf wird dann bundesweit komplett verboten sein.

Vor diesem Hintergrund frage ich:

  1. Wie haben sich die Moore in NRW in den letzten 20 Jahren entwickelt? Bitte Torfvorräte, Flächengröße und Ortslage angeben.
  2. Wieviel Torf wird jedes Jahr in NRW schätzungsweise verbraucht? Bitte Verbrauch nach Sektoren (z.B. Gartenbau, Landwirtschaft, etc.) angeben.
  3. Wie sehen die aktuellen Pläne zum Torfverbot genau und konkret aus?
  4. Welche Vorteile hat die Nutzung von torfhaltiger Blumenerde im Gartenbau?
  5. Welche Alternativen (Vorhandensein, Nutzbarkeit, Wirkung, Preis, Klimaschonung) gibt es zum Torf?

Dr. Christian Blex

 

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1 https://www.raiffeisen.com/news/artikel/gartenbauer-kritisieren-torfverbot-im-klimaschutzplan-als-unverhaeltnismaessig-30284053


Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4282 mit Schreiben vom 24. September 2020 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesregierung unterstützt die Torfminderungsstrategie des Bundes uneingeschränkt. Diese basiert vorrangig auf freiwilligen Maßnahmen, die u.a. durch Forschungs- und Förderprojekte des Bundes in ihrer Umsetzung unterstützt wird. Nordrhein-westfälische Gartenbaubetriebe haben ihre Beteiligung im Rahmen eines Modell- und Demonstrationsvorhabens zur Testung von torfreduzierten Substraten bereits zugesagt. Auch der Zentralverband Gartenbau unterstützt die Torfminderungsstrategie der Bundesregierung und beteiligt sich ebenfalls aktiv an Demonstrationsvorhaben im Gartenbau, um Alternativen zum Torfeinsatz zu finden2.

  1. Wie haben sich die Moore in NRW in den letzten 20 Jahren entwickelt? Bitte Torfvorräte, Flächengröße und Ortslage angeben.

Die Fläche von Moorlebensraumtypen beträgt in Nordrhein-Westfalen ca. 1.000 Hektar. Mehr als 90 % dieser naturschutzfachlich bedeutenden Moorflächen sind im Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ gesichert. Die flächenhaft bedeutsamsten Moore sind das „Amtsvenn und Hündfelder Moor“ im Kreis Borken, das „Mettinger und Recker Moor“ im Kreis Steinfurt sowie das „Große Torfmoor“ und das „Oppenweher Moor“ im Kreis Minden-Lübbecke. Seitens des Landes Nordrhein-Westfalen wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Moorlebensräume in den Schutzgebieten in ihrem Zustand und ihrer Flächenausdehnung zu verbessern. Da die Moorlebensraumtypen allerdings generell eine hohe Regenerationsdauer haben, wird der Erhaltungszustand für den überwiegenden Teil der Moorlebensraumtypen auch im aktuellen Fauna-Flora-Habitat-Bericht des Landes noch als unzureichend oder schlecht bewertet. Aus naturschutzfachlicher Sicht besteht u. a. wegen des Klimawandels weiterhin ein dringender Handlungsbedarf. Torf wird in Nordrhein-Westfalen seit ca. Mitte der 80er Jahre nicht mehr abgebaut. Es stehen keine Zahlen zu Torfvorräten zur Verfügung.

  1. Wieviel Torf wird jedes Jahr in NRW schätzungsweise verbraucht? Bitte Verbrauch nach Sektoren (z.B. Gartenbau, Landwirtschaft, etc.) angeben.

Da es keine Statistik zu diesen Daten gibt, führt das ThünenInstitut derzeit im Rahmen der Torfminderungsstrategie eine Onlinebefragung auf Bundesebene durch. Hierbei geht es um die Erfassung der Substratmengen und insbesondere der Torfmengen, die in den einzelnen Gartenbausparten eingesetzt werden. Diese Ergebnisse bleiben abzuwarten.

  1. Wie sehen die aktuellen Pläne zum Torfverbot genau und konkret aus?

Durch die Torfgewinnung und die Verwendung von Torf als Kultursubstrat wird gebundener Kohlenstoff durch Abbauprozesse als Kohlendioxid wieder freigesetzt und trägt somit zum Klimawandel bei. Der Torfabbau soll gemäß Klimaschutzplan 2050 schrittweise reduziert und perspektivisch eingestellt werden. Die Verwendung von Torf als Kultursubstrat soll deutlich zurückgeführt werden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat eine Torfminderungsstrategie entwickelt, die vor allem auf Aufklärung und Freiwilligkeit setzt. Ein Torfverwendungsverbot ist somit nicht vorgesehen. Die Strategie ist Teil der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung. Ziel ist es, für den Hobbygartenbau und den Garten- und Landschaftsbau Torf als Kultursubstrat in den kommenden sechs Jahren deutlich zurückzufahren und hier zu einem nahezu vollständigen Torfverzicht zu kommen. Die Bundesregierung plant zudem Vorgaben zur Verwendung von Torfersatzstoffen in den Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge im Garten- und Landschaftsbau umzusetzen.

Für den Erwerbsgartenbau geht das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nach bisherigem Kenntnisstand davon aus, dass ein weitgehender Ersatz als realistisch angesehen werden kann. Wie hoch das tatsächliche Reduktionspotenzial ist, soll möglichst in den nächsten zehn Jahren ermittelt werden. Um dies (auf frei-williger

Basis) umzusetzen, führt das BMEL einerseits aktuell Gespräche und Verhandlungen mit allen Beteiligten (u.a mit Substratherstellern, Substratverbänden, Endverkäufern von Blumenerden, dem Naturschutzbund, den Verbänden des Hobbygartenbaus, der Wissenschaft und Vertretern der Versuchsanstalten). Andererseits fördert das BMEL verstärkt innovative und anwendungsorientierte Forschung zu Torfersatzstoffen in unterschiedlichen gärtnerischen Branchen und hat Beratungs-und Informationsmaßnahmen zur Nutzung von Torfersatzstoffen angestoßen.

  1. Welche Vorteile hat die Nutzung von torfhaltiger Blumenerde im Gartenbau?

Torf hat als Ausgangsmaterial für gärtnerische Kultursubstrate viele gute Eigenschaften. Er ist strukturstabil (zersetzt sich also nicht schon nach kurzer Zeit und sackt nicht zusammen) und homogen. Darüber hinaus hat er eine gute Wasserspeicherfähigkeit und kann das Wasser auch gut wieder an die Pflanzen abgeben. Sein günstiges Porenvolumen trägt dazu bei, dass die Pflanzenwurzeln gut mit Sauerstoff versorgt werden. Er ist keimfrei und enthält keine Unkrautsamen. Aufgrund seiner Nährstoffarmut kann er kulturspezifisch beliebig aufgedüngt und mittels Kalk auch auf jeden gewünschten höheren pH-Wert eingestellt werden. Aufgrund dieser Eigenschaften ist Torf bislang das optimale Substratausgangsmaterial für alle Kulturen, die im Topf produziert werden.

  1. Welche Alternativen (Vorhandensein, Nutzbarkeit, Wirkung, Preis, Klimaschonung) gibt es zum Torf?

Als Torfersatzstoffe kommen derzeit hauptsächlich Holzfasern, Grüngutkomposte und Kokosprodukte zum Einsatz. Vielfach sind diese Rohstoffe bereits anteilig in gartenbaulichen Substraten enthalten und helfen seit Jahren die Torfverwendung zu reduzieren. Keiner dieser Ersatzstoffe kann aber allein als Substrat verwendet werden, da jede Komponente ganz unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften aufweist. Nahezu alle Substrathersteller haben mittlerweile verschiedene torfreduzierte oder torffreie Produkte im Sortiment. Der Anteil von Torfersatzstoffen liegt bei einigen großen Unternehmen der Substratbranche bei rund einem Drittel der Gesamtproduktionsmenge. In Zukunft könnten auch andere Rohstoffe aus der Landwirtschaft, wie zum Beispiel Torfmoose (Paludikultur), als Torfersatzstoffe in Frage kommen. Hierzu laufen bereits entsprechende Untersuchungen3.

Die verfügbare Menge aller Torfersatzstoffe reicht jedoch nicht aus, um Torf derzeit und dauerhaft komplett zu ersetzen. Die Verfügbarkeit hängt stark von konkurrierenden Nutzungen und der Entwicklung der Preise auf dem Reststoffmarkt ab. Holz beispielsweise wird auch zur Herstellung von Papier und Spanplatten benötigt. Holzfasern/Holzhackschnitzel dienen als Heizmaterial, Kokosfasern werden für die Fertigung von Kokosmatten, Matratzen, Autositzen, Wärmedämmstoffen und Erosionsschutzmatten verwendet. Dem borkenkäferbedingt aktuellen Überangebot an Holz wird voraussichtlich eine Holzknappheit folgen, wenn der Holzeinschlag aus Nachhaltigkeitsgründen reduziert werden muss. Das bedeutet, dass insbesondere regional Torfersatzstoffe nicht immer in ausreichender Menge und auch Qualität erhältlich sind. Darüber hinaus sind bei Importen z.B. von Kokosprodukten, soziale sowie Umwelt- und Klimaaspekte zu berücksichtigen. Bei der Bewertung z.B. der Ökobilanz müssen die Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern, das erforderliche Waschen in Süßwasser (um die für Kokos charakteristischen hohen Salzgehalte zu senken) sowie lange Transportwege berücksichtigt werden.

Da Torfersatzstoffe im Vergleich zu Torf stark in ihren Eigenschaften variieren können, gibt es bisher noch keine einheitlichen Rezepturen, um aus Torfersatzstoffen ein Substrat zu mischen, dass ähnlich homogen und beständig in seinen Qualitätseigenschaften ist wie die bewährten Torfsubstrate. Insbesondere die fehlende Sicherstellung ausreichender Mengen an qualitativ hochwertigen, umweltfreundlichen und homogenen Torfersatzstoffen ist ein wesentlicher Grund dafür, warum der Erwerbsgartenbau nicht von heute auf morgen ganz auf Torf verzichten kann.

 

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2 https://www.g-net.de/aktuelle_meldung/vmertz-betriebe-brauchen-unterstuetzung-fuer-treibhausgasreduktion.html 

3 https://www.torffrei.info/torfalternativen#c38104