Vorverurteilung durch den Vorsitzenden des Landesintegrationsrats, Tayfun Keltek (SPD), in Bezug auf Solinger Brandanschlag wird durch die Ermittlungsbehörden vorerst nicht bestätigt. – Was unternimmt Integrationsministerin Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen) in dieser Angelegenheit?

Kleine Anfrage
vom 17.04.2024

Kleine Anfrage 3718

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Vorverurteilung durch den Vorsitzenden des Landesintegrationsrats, Tayfun Keltek (SPD), in Bezug auf Solinger Brandanschlag wird durch die Ermittlungsbehörden vorerst nicht bestätigt. Was unternimmt Integrationsministerin Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen) in dieser Angelegenheit?

Wie aus polizeilichen Ermittlungen hervorgeht, hat ein 39 Jahre alter Deutscher in Solingen sowohl einen 44 Jahre alten Mann in seiner Wohnung mit einer Machete lebensgefährlich verletzt als auch einen mörderischen Großbrand gelegt, bei dem Ende März in der Grünwalder Straße in Solingen eine vierköpfige bulgarische Familie ums Leben kam und zwanzig Personen verletzt wurden.1

Das genaue Motiv müsse noch geklärt werden, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft. Anlass für den Angriff mit einer Machete soll ein „missglücktes“ Drogengeschäft zwischen dem Tatverdächtigen und dem 44 Jahre alten Mann gewesen sein.

Hinweise auf eine politische Motivation beim Brandanschlag, vermutlich durch den gleichen Tatverdächtigen, habe man jedoch weder bei der Auswertung der Internetkommunikation gefunden – die auf eine mittige politische Orientierung hindeute – noch bei einer Abklärung mit dem Staatsschutz.2 Bei der Tagesschau heißt es zusätzlich: „Laut Staatsanwaltschaft soll der Tatverdächtige früher im Hinterhaus des Brandhauses gewohnt haben. Ihm soll wegen Mietschulden gekündigt worden sein. Zwischen dem Mann und der Vermieterin soll es einen Streit gegeben haben, die Brandstiftung könnte möglicherweise ein Racheakt gewesen sein. Belastbare Hinweise auf eine fremdenfeindliche Tat gibt es bisher nicht, so die Ermittler.“

Vor dem Hintergrund der aktuellen Ermittlungsergebnisse irritieren die Vorverurteilungen des umstrittenen3 Vorsitzenden des Landesintegrationsrats.

„Leider müssen wir davon ausgehen, dass hinter dem feigen Anschlag rassistische Hintergründe stecken. Die aktuell gesellschaftlich aufgeheizte Lage lässt mich zu diesem Ergebnis kommen. Diese Tat ist ein weiterer Rückschlag für unser friedliches Miteinander und eine Fortsetzung der Gräueltat von vor 30 Jahren in Solingen“, sagte Tayfun Keltek in einer Pressemitteilung vom 28. März 2024.4 Weiter heißt es dann: „Das Treffen der Rassisten und Antidemokraten in Potsdam zeigt einmal mehr, dass es nicht gelungen ist den Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland zu bekämpfen. Wir alle müssen klare Kante zeigen und Position beziehen. Menschenverachtende Einstellungen haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Egal aus welcher Ecke sie kommen, sie müssen bekämpft werden. Der Nährboden muss ihnen entzogen werden. Dazu müssen aber alle Akteure, Politik, Gesellschaft und Betroffene Hand in Hand arbeiten.“5

Für Keltek stand offensichtlich bereits vor dem Abschluss der Ermittlungen das Tatmotiv fest. Ebenso wurde ein unangebrachter Zusammenhang zu einem 30 Jahre zurückliegenden Verbrechen hergestellt. Schließlich musste auch das angebliche Geheimtreffen in Potsdam zur weiteren einseitigen Stimmungsmache herhalten.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand im Zusammenhang mit den beiden geschilderten Verbrechen in Solingen?
  2. Welche Erkenntnisse bezüglich möglicher Vorstrafen sowie zu den möglichen Tatmotiven des Beschuldigten liegen mittlerweile vor?
  3. Welche Anhaltspunkte führten zur Schlussfolgerung, dass ein politischer Hintergrund der beiden Taten – insbesondere zum Brandanschlag – auszuschließen ist?
  4. Wie bewertet die Integrationsministerin die frühzeitige, einseitige und unsachliche Vorverurteilung durch den umstrittenen Vorsitzenden des Landesintegrationsrats, insbesondere wenn sich die bisherigen Ermittlungsergebnisse erhärten sollten?
  5. Inwiefern beabsichtigt die Integrationsministerin, vom umstrittenen Vorsitzenden des Landesintegrationsrats eine Gegendarstellung zu verlangen, insbesondere da die Pressemitteilung geeignet war, die politische Stimmung im Land weiter anzuheizen?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-8954

 

1 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/machetenangriff-in-solingen-angreifer-ist-auch-verdaechtiger-fuer-brandanschlag-19643309.html und https://www.tagesschau.de/inland/regional/nordrheinwestfalen/brand-solingen-verdaechtiger-100.html

2 Ebd.

3 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-5563.pdf und https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMA17%2F1426|1|1&Id= MMA17%2F1426|3|26&Id=MMA17%2F1426|27|28 ; S. 24 (Anhörung zum Thema doppelte Staatsangehörigkeit; Zitat Tayfun Keltek: „Wenn man dies [die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit] nicht anerkennt, nimmt man die Menschen nicht mit. Dann kann man von ihnen auch nicht die volle Leistung für unsere Gesellschaft erwarten“.

4 Vgl. https://landesintegrationsrat.nrw/wann_nimmt_das_ein_ende/

5 Ebd.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3718 mit Schreiben vom 15. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kin­der, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand im Zusammenhang mit den beiden geschilderten Verbrechen in Solingen?
  2. Welche Erkenntnisse bezüglich möglicher Vorstrafen sowie zu den möglichen Tatmotiven des Beschuldigten liegen mittlerweile vor?
  3. Welche Anhaltspunkte führten zur Schlussfolgerung, dass ein politischer Hintergrund der beiden Taten – insbesondere zum Brandanschlag – auszuschließen ist?

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 gemeinsam beantwortet. Es wird zunächst auf die LT-Vorlage 18/2498 Bezug genommen.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Wuppertal hat mir unter dem 25.04.2024 darüber hinaus berichtet, das Tatmotiv des wegen Unterschlagung und Diebstahls geringwertiger Sachen strafrechtlich in Erscheinung getretenen Beschuldigten sei Gegenstand der weiteren Ermittlungen. Er hat mir ferner am 02.05.2024 berichtet, das Amtsgericht Wuppertal habe den Haftbefehl betreffend das Brandgeschehen antragsgemäß erlassen und am 02.05.2024 verkündet. Der Beschuldigte habe weiterhin keine Angaben zur Sache gemacht.

Dem Ministerium des Innern liegen keine über die bereits in das Ermittlungsverfahren eingeflossenen Erkenntnisse hinausgehenden Informationen vor.

  1. Wie bewertet die Integrationsministerin die frühzeitige, einseitige und unsachliche Vorverurteilung durch den umstrittenen Vorsitzenden des Landesintegrationsrats, insbesondere wenn sich die bisherigen Ermittlungsergebnisse erhärten sollten?

Viele zivilgesellschaftliche Institutionen und Akteure, aber auch Betroffene und Angehörige, haben auf die möglichen Ängste und Sorgen der betroffenen Gemeinschaft reagiert und gleichzeitig auf die Notwendigkeit hingewiesen, wachsam gegenüber Rassismus und Rechtsextremismus zu sein. Es ist zu beobachten, dass eine Stimmung von Furcht und Sorge herrscht, weil Brandanschläge tief verwurzelte Ängste auslösen. Insofern spiegeln die Äußerungen des Vorsitzenden seine persönliche Besorgnis um das friedliche Miteinander wider. Dessen ungeachtet gebietet gerade die Sensibilität des Themas aus Sicht der Landesregierung eine in jeder Hinsicht umsichtige Kommunikation, die sich bei derartigen Ereignissen insbesondere auf die öffentlich bekannten Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden stützen sollte.

  1. Inwiefern beabsichtigt die Integrationsministerin, vom umstrittenen Vorsitzenden des Landesintegrationsrats eine Gegendarstellung zu verlangen, insbesondere da die Pressemitteilung geeignet war, die politische Stimmung im Land weiter anzuheizen?

Es ist nicht beabsichtigt, eine Gegendarstellung zu verlangen.

 

MMD18-9256