Kleine Anfrage 2108
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Warum ist für Ministerin Paul ein unter Beteiligung islamistisch eingestufter Verbände entstandener Bericht des Bundesinnenministeriums von Relevanz?
Auf dem Twitter-Account des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration wurde am 05. Juli 2023 (16:57) über einen Besuch der Ministerin, Josefine Paul, im muslimischen Familienbildungszentrum (MINA e.V.) in Duisburg berichtet. Im Tweet heißt es:
„Muslimisches Leben gehört ganz selbstverständlich zu NRW! Ministerin Josefine Paul hat heute das Muslimischen Familienbildungszentrum (MINA e.V.) in Duisburg besucht – Thema war u.a. der veröffentlichte Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit.“1
Das wirft die Frage auf, ob die Ministerin über die näheren Umstände der Erstellung des Berichts durch einen sogenannten „unabhängigen Expertenkreis“ nicht zuvor in Kenntnis gesetzt wurde. Einen ausführlichen Bericht dazu gab es am Tag zuvor in der WELT.2
Wie die WELT herausfand, wurden bei der Erstellung der Studie im Auftrag des BMI auch Akteure befragt, die bekannt dafür sind, „den Vorwurf der Islamfeindlichkeit zu instrumentalisieren“ und vom Verfassungsschutz als islamistisch einstufen werden.
So sprachen die Forscher auch mit Vertretern der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschland (IGS). Dieses befinde sich allerdings unter der Kontrolle des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), welches zum Zentralrat der Muslime gehört und aus Außenposten des iranischen Mullah-Regimes bekannt ist.
Eine Teilstudie lieferte der Verein Fair International mit Sitz in Köln. Hier gibt es Bezüge zum CLAIM-Netzwerk sowie zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), welche sich regelmäßig in den Berichten des Verfassungsschutzes findet. Auffällig sind identische Adressen diverser Organisationen in einer Immobilie in Köln-Holweide. So ist dort u.a. die IGMG-Europazentrale ansässig.3
Auf Nachfrage der WELT konnte das Bundesinnenministerium, nicht angeben, wie viel Geld für die Fallstudie an Fair International geflossen sind.
Wie die WELT weiter herausfand, wurde im Rahmen der Erstellung der Studie der Islamverband Ditib, der Koordinationsrat der Muslime (KRM) und der Verein Inssan interviewt. Der KRM dient als Dachverband von Ditib, Islamrat und Zentralrat der Muslime, womit über die Mitglieder indirekt auch Milli Görüs oder mit ATIB die Grauen Wölfe an der Studie beteiligt waren. Inssan wiederum wurde in der Vergangenheit eine personelle und organisatorische Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt.
Irritierend ist, dass bei dem von der Ministerin besuchten Frauenzentrum MINA e.V. ebenfalls das CLAIM-Netzwerk als Partner auftaucht und trotzdem zugleich eine Förderung durch das Ministerium Paul erfolgt.4
Auch inhaltlich genügt der Bericht des „unabhängigen“ Expertenkreises, in Zusammenarbeit mit „unabhängigen“ Befragten wohl kaum allgemein gültigen, wissenschaftlichen Ansprüchen. So heißt es in einer Pressemeldung5:
„Nur wer sich seines Status‘ als Flüchtling oder Zuwanderer in Deutschland stetig sicher sein kann und deswegen nicht von der Gesellschaft „ausgegrenzt“ wird, kann sich auch mental in Deutschland sicher fühlen. Das letzte Unwohlsein soll den hier lebenden Muslimen nun durch die Bilanz zur „Muslimfeindlichkeit“ genommen werden. In diesem Text wird das Islamkritik-Verbot zur inoffiziellen Regierungsdoktrin gemacht: mit der Unterschrift der Innenministerin.“
„Es geht vielmehr um die Frage, ob die eventuell Betroffenen, also ein islamistischer Verband mit Nähe zu einer großen Moscheebaugemeinschaft (EMUG), dazu berufen sind, das Thema Muslimfeindlichkeit unabhängig zu untersuchen. Und diese Frage kann man mit nahezu 100prozentiger Sicherheit verneinen.“
„Beim ‚Hearing mit deutschen Journalisten zu den Ursachen der Islamberichterstattung‘ heißt es übrigens: ‚Das Hearing erfolgte anonymisiert.‘ Natürlich, welcher Journalist wollte schon seinen Namen gerne in diesem Kontext lesen. Aber der Verdacht liegt nahe, dass hier wiederum die dieser Regierung besonders nahestehenden Kollegen befragt wurden, die immer wieder durch lukrative Zusatzengagements aufgefallen sind.“
„Es gab daneben auch ein Hearing zum ‚antimuslimischen Rassismus in Kitas‘. Das ist an Absurdität nicht zu übertreffen und erinnert in schlimmer Weise an frühere Überwachungsansätze für Kitas und Kindergärten, etwa als das Bundesfamilienministerium mit Hilfe der Amadeu-Antonio-Stiftung zur Fahndung nach ‚rechten Eltern‘ aufrief.“
„So absurd wie die Arbeitsweise ist in vielem auch der Inhalt des Berichts, der als unabhängig etikettiert wird, aber mit einem offiziellen Vorwort der Innenministerin daherkommt.“
„Beim Thema Moscheebau kritisieren die Autoren des Berichts erneut eine Forderung der CDU/CSU-Fraktion, nämlich die zur Offenlegung und Unterbindung der ‚Finanzierung des politischen Islamismus in Deutschland‘. Dass Moscheen in Deutschland nur selten nichts mit Islamismus zu tun haben, müssen die Autoren übersehen haben.“6
Als Fazit heißt es dann:
„So palavert sich dieser Bericht über 400 Seiten hinweg. Jede Meinung aus einem einschlägigen Buch, Artikel oder Hearing, die den Verfassern in den Kram passte, wurde aufgenommen. Wissenschaftlich kann man das Ganze nicht nennen, weil durchweg die Abwägung fehlt, ob die Dinge wirklich so sind, wie der befragte Experte oder Betroffene meint.“
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die Erhebung „Muslimfeindlichkeit“ des BMI aus wissenschaftlicher Sicht, insbesondere vor dem Hintergrund der Beteiligung zahlreicher islamistisch eingestufter Organisationen?
- In welcher Form wurde die Beteiligung dieser Organisationen im Rahmen der Gespräche der Ministerin im Muslimischen Frauenzentrum (Mina e.V.) thematisiert?
- In welcher Form wurde in diesem Zusammenhang insbesondere die Partnerschaft des Muslimischen Frauenzentrums (Mina e.V.) mit dem CLAIM-Netzwerk thematisiert?
- Welche neuen Erkenntnisse liegen der Landesregierung generell zur Beziehung des CLAIM-Netzwerks mit der Milli-Görüs-Bewegung vor?
- Wie begründet die Landesregierung eine Förderung des Muslimischen Frauenzentrums (Mina e.V.), wo dort doch zugleich das CLAIM-Netzwerk dort als Partner fungiert?
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. https:// twitter .com/ChancenNRW/status/1676606278284500992
3 Vgl. https:// afd -fraktion.nrw/wp-content/uploads/2021/04/MMD17-13826.pdf
4 Vgl. https:// mina -duisburg.de/partner
6 Vgl. https:// www .landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-3982.pdf
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2108 mit Schreiben vom 14. August 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.
- Wie bewertet die Landesregierung die Erhebung „Muslimfeindlichkeit“ des BMI aus wissenschaftlicher Sicht, insbesondere vor dem Hintergrund der Beteiligung zahlreicher islamistisch eingestufter Organisationen.
Die Landesregierung weist darauf hin, dass es sich um den Bericht einer Kommission unabhängiger Expertinnen und Experten handelt, deren wissenschaftliche Methodik sie nicht zu bewerten hat.
- In welcher Form wurde die Beteiligung dieser Organisationen im Rahmen der Gespräche der Ministerin im Muslimischen Frauenzentrum (Mina e.V.) thematisiert?
Dies war nicht Gesprächsinhalt des Termins beim Muslimischen Familienbildungszentrum Mina e.V..
- In welcher Form wurde in diesem Zusammenhang insbesondere die Partnerschaft des Muslimischen Frauenzentrums (Mina e.V.) mit dem CLAIM-Netzwerk thematisiert?
Dies war nicht Gesprächsinhalt des Termins beim Muslimischen Familienbildungszentrum Mina e.V..
- Welche neuen Erkenntnisse liegen der Landesregierung generell zur Beziehung des CLAIM-Netzwerks mit der Milli-Görüs-Bewegung vor?
Es wird auf die Beantwortung zu den Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage 361 (LT-Drs. 18/1085) und zu Frage 3 der Kleinen Anfrage 530 (LT-Drs. 18/1505) verwiesen. Neue Erkenntnisse liegen darüber hinaus nicht vor.
- Wie begründet die Landesregierung eine Förderung des Muslimischen Frauenzentrums wo dort doch zugleich das CLAIM-Netzwerk dort als Partner fungiert?
Für die bestehenden Landesförderungen von Mina e.V. sind die formalen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt.