Kleine Anfrage 333
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner vom 17.08.2022
Was gedenkt Innenminister Reul zu unternehmen, um die Ahnungslosigkeit gegenüber dem Zentralrat der Muslime (ZMD) und dem Islamrat zu beenden?
Wie aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 95 hervorgeht, ist die Landesregierung nach wie vor ohne genaue Kenntnis, wenn es um den vollständigen Mitgliederbestand des Zentralrats der Muslime (ZMD) sowie des Islamrats geht.1
Bezüglich des ZMD hatte die Fraktion der AfD bereits am 31. Mai 2019 nach einer Mitgliederliste gefragt.2 Bezüglich des Islamrats gab es am 13. November 2019 eine ähnlich gelagerte Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.3 Somit hat die Arbeit des Innenministeriums bzw. des Landesamts für Verfassungsschutz der letzten drei Jahre diesbezüglich scheinbar zu keinen neuen Erkenntnissen geführt.
Anders als im Rahmen der Kleinen Anfrage 95 hat die Landesregierung anlässlich einer weiteren Kleinen Anfrage vom 17. Januar 2019 die 109 Moscheen, die seinerzeit als Anlaufstellen von Islamisten bekannt waren, noch grob eingruppiert:
„Salafismus: 70; Kalifatsstaat: 6; Muslimbruderschaft: 11, wobei 3 davon zugleich salafistisch sind; schiitisch extremistisch: 18; Türkische Hizbullah: 3; Ismael Aga Cemaati: 1“4
In der Antwort auf die 4. Frage der Kleinen Anfrage 95 sagt die Landesregierung zunächst, dass „allein die Zugehörigkeit einer Moschee zu einem dem KRM zugeordneten Dachverband kein hinreichend gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen ist.“ Das wurde im Rahmen der Kleinen Anfrage allerdings auch nicht behauptet und so lautete auch nicht die Frage. Gefragt war stattdessen, wie viele der 114 Moscheen, die als Anlaufpunkt von Islamisten bekannt sind, organisatorisch einem dem KRM zugeordneten Dachverband bzw. einer dem KRM zugeordneten Moscheevereinigung gehören. Damit sind die jeweiligen Mitgliedsorganisationen bzw. Mitgliedsvereine dieser Dachverbände gemeint.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Was hat die Landesregierung und hierbei insbesondere das Innenministerium seit 2019 unternommen, um eine vollständige, aktualisierte Mitgliederliste des Zentralrats der Muslime sowie des Islamrats zu erhalten?
- In welcher Form plant die Landesregierung kurzfristig diese – momentan offensichtlich nicht vorhandenen – Informationen zu erhalten?
- Welche Mitgliedsorganisationen bzw. Mitgliedsvereine der Dachverbände ZMD und Islamrat sind der Landesregierung aktuell bekannt? (Bitte vollständig auflisten)
- Wie lassen sich die aktuell 114 Moscheen, die als Anlaufstellen von Islamisten bekannt sind, eingruppieren? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleinen Anfrage 1949 – -Drucksache 17/5106 sowie differenziert nach Stadt und Anzahl der Moscheen je Stadt auflisten5)
- Welche Informationen liegen der Landesregierung zum Personenpotential der dem KRM angeschlossenen Dachverbände ZMD, Islamrat, VIKZ sowie DITIB in NRW vor? (Bitte möglichst differenziert nach Dachverband und den momentan bekannten Mitgliedsorganisationen bzw. Mitgliedsvereinen auflisten)
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/430
2 Vgl. Lt.-Drucksache 17/6768
3 Vgl. Lt.-Drucksache 17/8365
4 Vgl. Lt. Drucksache 17/5106
5 Sollte es Konstellationen geben mit Städten, die nur eine Moschee haben, welche zugleich als Anlaufstelle von Islamisten bekannt ist und somit zu den besagten 114 Moscheen gehört, kann von der Nennung dieser Stadt abgesehen werden. Es wird stattdessen darum gebeten, zu benennen, wie viele dieser Konstellationen es in NRW gibt.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 333 mit Schreiben vom 13. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, der Ministerin für Schule und Bildung und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.
- Was hat die Landesregierung und hierbei insbesondere das Innenministerium seit 2019 unternommen, um eine vollständige, aktualisierte Mitgliederliste des Zentralrats der Muslime sowie des Islamrats zu erhalten?
- In welcher Form plant die Landesregierung kurzfristig diese – momentan offensichtlich nicht vorhandenen – Informationen zu erhalten?
- Welche Mitgliedsorganisationen bzw. Mitgliedsvereine der Dachverbände ZMD und Islamrat sind der Landesregierung aktuell bekannt? (Bitte vollständig auflisten)
- Welche Informationen liegen der Landesregierung zum Personenpotential der dem KRM angeschlossenen Dachverbände ZMD, Islamrat, VIKZ sowie DITIB in NRW vor? (Bitte möglichst differenziert nach Dachverband und den momentan bekannten Mitgliedsorganisationen bzw. Mitgliedsvereinen auflisten)
Die Fragen 1 bis 3 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Kenntnis der Landesregierung zu den Mitgliedsorganisationen bzw. Mitgliedsvereinen stützt sich auf die öffentliche Selbstdarstellung der Verbände. So liegt der Landesregierung die im Jahr 2016 durch den Zentralrat der Muslime veröffentlichte Liste vor. Der Formulierung der Frage 1 der Kleinen Anfrage 2584 vom 31. Mai 2019 ist zu entnehmen, dass auch die hier anfragende Fraktion der AfD bereits Kenntnis des dort aufgeführten Mitgliederbestands hat.
Zur Aufgabenerfüllung der Landesregierung besteht grundsätzlich kein Erfordernis für das Vorhalten von Mitgliederlisten des Zentralrats der Muslime oder des Islamrats. Infolgedessen liegen der Landesregierung keine Informationen zum gesamten Personenpotential der genannten Dachverbände vor.
Soweit Organisationen aus dem Spektrum der genannten Dachverbände dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes unterfallen, bestehen lediglich bzgl. dieser Organisationen Kenntnisse zu deren extremistischem Personenpotenzial. Diese Informationen erhebt der Verfassungsschutz auf Basis der ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel sowie aus offen verfügbaren Informationen.
Für Nordrhein-Westfalen ist hier die dem Phänomenbereich des auslandsbezogenen Extremismus zugerechnete und im Dachverband ZMD organisierte Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V. (ATIB) mit einem Personenpotenzial von 600 vereinsgebundenen Mitgliedern zu benennen.
- Wie lassen sich die aktuell 114 Moscheen, die als Anlaufstellen von Islamisten bekannt sind, eingruppieren? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleinen Anfrage 1949 – Lt.-Drucksache 17/5106 sowie differenziert nach Stadt und Anzahl der Moscheen je Stadt auflisten)
Die Moscheen lassen sich folgenden Beobachtungsobjekten zurechnen: Extremistischer Salafismus: 66; Muslimbruderschaft: 6; Moscheen, in denen sowohl Bezüge zur Muslimbruderschaft als auch in den extremistischen Salafismus feststellbar sind: 13; Kalifatsstaat: 6; Türkische Hizbullah: 3; Ismail Aga Cemaati: 1 sowie schiitische Moscheen: 19.
Die genannten Moscheevereine liegen schwerpunktmäßig in urbanen Regionen, insbesondere im Ruhrgebiet, im Rheinland, im Bergischen Land und im Raum Bielefeld. Eine weitere Aufschlüsselung ist nicht möglich. Zum einen liegen nicht bei allen Moscheen die rechtlichen Voraussetzungen für eine öffentliche Berichterstattung vor, so dass eine detaillierte Darstellung, die zur Identifizierbarkeit der genannten Moscheen führen würde, nicht zulässig ist. Zum anderen kann eine solche Offenbarung des Kenntnisstands des Verfassungsschutzes zu negativen Auswirkungen auf dessen gesetzliche Aufgabenerfüllung führen und eventuelle weitere sicherheitsbehördliche Maßnahmen stören.