Kleine Anfrage 3525
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Was ist aus dem Asyl-Stufenplan der vorherigen Landesregierung geworden?
Im Jahr 2018 hat die vorherige Landesregierung den sogenannten „Asyl-Stufenplan“ beschlossen. Dabei sollten den Kommunen möglichst nur noch anerkannte Flüchtlinge oder Personen mit guter Bleibeperspektive zugewiesen werden. Personen, die nach Prüfung in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht schutzberechtigt sind, sollten dagegen möglichst konsequent und schnell bereits aus den Landeseinrichtungen heraus in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.1
In drei Stufen sollten mehrere Maßnahmen umgesetzt werden, darunter die Einführung eines beschleunigten Asylverfahrens gemäß § 30a AsylG, verbunden mit Rückführungen bzw. Rücküberstellungen direkt aus Landeseinrichtungen heraus, insbesondere auch von Asylsuchenden im Dublin-Verfahren aus Landeseinrichtungen in einzelne EU-Staaten.
Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten wurde seinerzeit auch die Verlängerung der maximalen Aufenthaltszeit in Landeseinrichtungen auf bis zu 24 Monate beschlossen2, insbesondere bei offensichtlich unbegründeten oder unzulässigen Asylanträgen.
Geplant war die schrittweise Einbeziehung weiterer Herkunftsländer in ein beschleunigtes Verfahren. Dabei soll die Anzahl der Rücküberstellungen aus Landeseinrichtungen im Dublin-Verfahren in Abstimmung mit dem Bund ausgebaut werden.
Sechs Jahre später muss man sich die Frage stellen, was aus den damaligen Plänen geworden ist bzw. zu welchem Zeitpunkt und warum die Pläne verworfen wurden. Das gilt insbesondere für die maximale Aufenthaltszeit in Landeseinrichtungen von bis zu 24 Monaten. Es stellt sich zudem die Frage, wie die Einordnung „offensichtlich unbegründete oder unzulässige Asylanträge“ in der Praxis definiert wird, wo doch nach deutschem Recht gemäß § 16 a Grundgesetz i. V. m. § 18 Asylgesetz alle Einreisen über den Landweg mindestens unbegründet sind, da sich die Personen bereits vor der Einreise in das Bundesgebiet in Sicherheit befunden haben.
Berichte aus den Kommunen zeigen zudem, dass auch abgelehnte Asylbewerber, also in der Folge ausreisepflichtige Personen, den Kommunen zugewiesen werden. Auch Dublin-Rücküberstellungen aus Landeseinrichtungen heraus gelingen in den seltensten Fällen.
Vor diesem Hintergrund ist ein neuer Vorstoß aus Hessen von Interesse, nach dem Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive und aus sicheren Herkunftsländern nicht mehr in die sowieso schon überfüllten Städte und Gemeinden verteilt werden sollen, sondern in der Erstaufnahme-Einrichtung bleiben müssen – bis zur Abschiebung.3
Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte gegenüber BILD: „Konsequenz bei der Migration ist ein zentraler Schlüssel zu Akzeptanz in der Bevölkerung. In Hessen gilt deshalb der klare Grundsatz: Wer Hilfe braucht, und ein Asylrecht hat, den nehmen wir auf. Wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt und kein Asylrecht erhält, den schieben wir ab.“4 Angedacht sei eine entsprechende Änderung im Landeaufnahmegesetz. Darin sei momentan noch vorgesehen, dass Personen mit einem abgelehnten Asylantrag auf die Kommunen verteilt werden können.
Angekündigt wurde zudem eine Bundesratsinitiative, Herkunftsländer mit einer Anerkennungsquote von unter 5 Prozent automatisch als sicher einzustufen.5
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Landeseinrichtungen gelten derzeit als besondere Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des beschleunigten Verfahrens gemäß § 30a Asylgesetz?
- Wie viele Personen wurden seit 2018 im Rahmen bzw. in Folge des beschleunigten Verfahrens direkt aus den Landeseinrichtungen heraus zurückgeführt bzw. rücküberstellt? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl, Herkunftsland sowie den gemäß § 30a Absatz 1 Asylgesetz genannten acht verschiedenen Gründen für eine beschleunigtes Verfahren differenziert listen)
- Wie viele Rückführungen bzw. Rücküberstellungen scheiterten seit 2018, trotz einer Behandlung des Asylantrags im beschleunigten Verfahren? (Bitte möglichst differenziert nach Jahr, Anzahl und Grund listen)
- Inwiefern kommt die maximale Aufenthaltszeit in Landeseinrichtungen von bis zu 24 Monaten in der Praxis, insbesondere bei offensichtlich unbegründeten oder unzulässigen Asylanträgen, überhaupt noch zur Anwendung?
- Warum wurde der Grundsatz gemäß Asyl-Stufenplan, nur noch anerkannte Flüchtlinge oder Personen mit guter Bleibeperspektive den Kommunen zuzuweisen, durch die Landesregierung aufgegeben?
Enxhi Seli-Zacharias
2 Vgl. § 47 Abs. 1b AsylG
4 Ebd.
5 Ebd.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3525 mit Schreiben vom 19. April 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Welche Landeseinrichtungen gelten derzeit als besondere Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des beschleunigten Verfahrens gemäß § 30a Asylgesetz?
Derzeit gilt keine Landeseinrichtung als besondere Aufnahmeeinrichtung im Sinne des beschleunigten Verfahrens gemäß § 30 a AsylG.
- Wie viele Personen wurden seit 2018 im Rahmen bzw. in Folge des beschleunigten Verfahrens direkt aus den Landeseinrichtungen heraus zurückgeführt bzw. rücküberstellt? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl, Herkunftsland sowie den gemäß § 30a Absatz 1 Asylgesetz genannten acht verschiedenen Gründen für eine beschleunigtes Verfahren differenziert listen)
- Wie viele Rückführungen bzw. Rücküberstellungen scheiterten seit 2018, trotz einer Behandlung des Asylantrags im beschleunigten Verfahren? (Bitte möglichst differenziert nach Jahr, Anzahl und Grund listen)
Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Eine statistische Auswertung zur Anzahl der gescheiterten Rückführungen von Personen im beschleunigten Verfahren ist über die hierfür zur Verfügung stehenden Datenbanken bzw. Datensammlungen nicht möglich.
- Inwiefern kommt die maximale Aufenthaltszeit in Landeseinrichtungen von bis zu 24 Monaten in der Praxis, insbesondere bei offensichtlich unbegründeten oder unzulässigen Asylanträgen, überhaupt noch zur Anwendung?
Angaben zu den Verweildauern von Asylsuchenden in den Landeseinrichtungen können den dem Integrationsausschuss monatlich vorgelegten Berichten „Aktueller Sachstand zu Zugängen, Zuweisung, Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen in Nordrhein-Westfalen“ entnommen werden. Zum Stichtag 31.01.2024 befanden sich 672 zuweisungsfähige asylsuchende Personen mit einer Verweildauer > 12 Monate in den Landeseinrichtungen; dies entspricht einem Anteil von ca. 3 Prozent (Quelle: Vorlage 18/2314).
- Warum wurde der Grundsatz gemäß Asyl-Stufenplan, nur noch anerkannte Flüchtlinge oder Personen mit guter Bleibeperspektive den Kommunen zuzuweisen, durch die Landesregierung aufgegeben?
Die Verpflichtung von Ausländern, die ihren Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamts zu stellen haben, ist kraft Gesetzes beschränkt (§ 47 AsylG). Eine Zuweisung in die Kommunen hat daher nach Ablauf der Wohnverpflichtung unabhängig vom Stand des Asylverfahrens oder von der Bleibeperspektive zu erfolgen.