Was sagt die Landesregierung zum Rechtsverständnis der Polizei Köln?

Kleine Anfrage
vom 10.01.2018

Kleine Anfrage 693
der Abgeordneten Roger Beckamp, Sven Tritschler, Iris Dworeck-Danielowski AfD

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Bei den Sex-Mob-Attacken an Silvester 2015/16 wurden in zahlreichen deutschen Städten weit mehr als 1.200 Frauen Opfer von Sexualdelikten. Die Täter stammten vorwiegend aus dem nordafrikanisch-arabisch geprägten Kulturraum. Schwerpunkt der Sex-Mob-Attacken war Köln.

Einem Großaufgebot der Polizei gelang es in der Silvesternacht 2017/18 vergleichbare sexuelle Übergriffe und Gewalttaten zu verhindern.1

Die Kölner Polizei veröffentlichte an diesem Silvesterabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter einen Silvestergruß auf Arabisch. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, Frau Beatrix von Storch, kritisierte dies in einem eigenen Tweet wie folgt:

„Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch. Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?“2

Der Kurznachrichtendienst Twitter sperrte Frau von Storch daraufhin vorübergehend wohl aufgrund des seit Jahresanfang geltenden sog. Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG).

Mit Blick auf den Tweet wurden Strafanzeigen wegen Volksverhetzung gegen Frau von Storch erstattet, eine davon seitens der Kölner Polizei. Hierzu heißt es in der Rheinischen Post vom 2. Januar 2018:

„(…) Auch die Kölner Polizei hatte Anzeige erstattet. (…) Dass die Behörde selbst Anzeige erstattete, habe der Staatsschutz beim Landeskriminalamt entschieden.“3

Der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob hatte sich im Bayerischen Rundfunk bezüglich des Tweets der Polizei und nachfolgend von Frau von Storch in folgender Weise geäußert:4

„Eine Kampagne, die wirklich gut angekommen ist bei den meisten Menschen – allerdings haben sich auch einige daran gestört, dass wir auf Arabisch und Farsi gewittert haben – sehr prominente Rechtsgerichtete, die dann meinten, mit Tweets für volksverhetzende Äußerungen sorgen zu müssen. Wir haben dann einfach eine Anzeige erstattet.“

Bei der Äußerung von Frau von Storch handelt es sich erkennbar nicht um eine Volksverhetzung. Es wird, unabhängig von weiteren Tatbestandsvoraussetzungen, nicht in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass aufgestachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert oder Gruppen bzw. einzelne beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet (vgl. § 130 StGB).

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Blick auf die Meinungsfreiheit in seinem solchen Fall weitreichende Hürden gestellt. Auch wenn grundsätzlich eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und anderen Rechtsgütern, wie etwa dem Persönlichkeitsschutz, vorzunehmen ist, ist im Zweifel die Meinungsfreiheit vorrangig. So heißt es etwa in einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerfGE 90, 241, 248):

„(…) Dabei ist aber zu beachten, dass in Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren, eine Vermutung zugunsten der freien Rede spricht.

Folgerichtig ergibt sich aus einer weiteren verfassungsgerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerfGE 82, 272, 280):

Soweit eine Äußerung mehrere Deutungen zulässt, dürfen die Exekutivorgane und letztlich die Gerichte von der illegalen Bedeutungsvariante nur dann ausgehen, wenn sie zuvor andere, gleichfalls mögliche, legale Deutungen überzeugend ausgeschlossen haben.

Auf diese grundlegende Problematik und hohen Hürden, insbesondere bei Politikern, verweist auch ausdrücklich ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Köln in einem Beitrag für die Aktuelle Stunde des WDR am 2. Januar 2018.5

Zwischenzeitlich ist durch einen Rechtsanwalt aus Süddeutschland folgerichtig eine Anzeige gegen den Kölner Polizeipräsidenten Uwe Jacob wegen der Verfolgung Unschuldiger gemäß § 344 StGB erstattet worden.

1 http://www.bild.de/politik/inland/sex-uebergriffe-silvesternacht/bundespolizei-verhindert-sex-mob-attacken-54350606.bild.htm l

2 http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/beatrix-von-storch-hunderte-anzeigen-wegen-silvester-tweet-15370168.html

3 http://www.rp-online.de/politik/deutschland/afd-und-twitter-beatrix-von-storch-und-alice-weidel-droht-ermittlungsverfahren-aid-1.7296320

4 https://www.br.de/nachrichten/polizei-erstattet-strafanzeige-wegen-volksverhetzung-gegen-beatrix-von-storch-100.html

5 https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/wdr-aktuell/video-polizei-erstattet-anzeige-gegen-von-storch-102.html

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Person bzw. welcher Amtsträger hat, insbesondere mit Blick auf die Aussagen in der Rheinischen Post und gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, entschieden, eine Anzeige wegen Volksverhetzung gegen die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch zu erstatten?
  2. Wer war an dieser Entscheidung in welcher Weise beteiligt, also die Landesregierung, Landeskriminalamt, Polizeipräsidium Köln oder darüber hinaus?
  3. Auf welche Weise kam diese Entscheidung in so kurzer Zeit zustande, also welcher Sachverhalt wurde zugrunde gelegt und wie wurde dieser rechtlich gewürdigt, welche Abwägung fand statt?
  4. Das geschützte Rechtsgut des Straftatbestandes der Volksverhetzung ist der öffentliche Friede. In welcher Weise wird dieser seitens der Landesregierung durch den Tweet der Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch als gefährdet angesehen?
  5. Wie beurteilt die Landesregierung die Gefahr für Politiker und Bürger, dass durch das bloße Erstatten einer solchen Anzeige durch Amtsträger öffentlich bedeutsame Probleme nicht mehr diskutiert werden. Dies insbesondere mit Blick auf die Äußerungen des Kölner Polizeipräsidenten im Bayerischen Rundfunk („einfach eine Anzeige erstattet“)?

Roger Beckamp

Sven Tritschler

Iris Dworeck-Danielowski

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 693 im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen wie folgt:

Frage 1        

Welche Person bzw. welcher Amtsträger hat, insbesondere mit Blick auf die Aussagen in der Rheinischen Post und gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, entschieden, eine Anzeige wegen Volksverhetzung gegen die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch zu erstatten?

Frage 2

Wer war an dieser Entscheidung in welcher Weise beteiligt, also die Landesregierung, Landeskriminalamt, Polizeipräsidium Köln oder darüber hinaus?

Frage 3

Auf welche Weise kam diese Entscheidung in so kurzer Zeit zu­stande, also welcher Sachverhalt wurde zugrunde gelegt und wie wurde dieser rechtlich gewürdigt, welche Abwägung fand statt?

Die Fragen 1 – 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachbearbeitung des Staatsschutzes der Kölner Polizei legte nach Feststellung des Tweets der Bundestagsabgeordneten Frau Beatrix von Storch gemäß § 163 Absatz 1 Satz 1 StPO den Sachverhalt in einem standardisierten, als „Strafanzeige“ bezeichneten Formular nieder und übersandte den Vorgang der zuständigen Staatsanwaltschaft Köln zur rechtlichen Würdigung.

Frage 4

Das geschützte Rechtsgut des Straftatbestandes der Volksverhet­zung ist der öffentliche Friede. In welcher Weise wird dieser seitens der Landesregierung durch den Tweet der Bundestagsabgeordne­ten Beatrix von Storch als gefährdet angesehen?

Für die Prüfung möglicherweise strafrechtlich relevanter Sachverhalte sind, soweit nicht die Polizei ihrem gesetzlichen Auftrag folgend selb­ständig tätig wird, ausschließlich die Staatsanwaltschaften zuständig. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind dem Legalitätsgrundsatz verpflichtet und üben ihr Amt ohne Ansehen der Person aus. Sie sind dabei inhaltlich unabhängig. Ihnen und nicht der Landesregierung ob­liegt die Entscheidungshoheit über die Aufnahme oder das Absehen von Ermittlungen. Vor diesem Hintergrund enthält sich die Landesregierung jeglicher Einflussnahme auf laufende staatsanwaltschaftliche Verfahren, insbesondere auch in Form sachlich-inhaltlicher Stellungnahmen.

Frage 5

Wie beurteilt die Landesregierung die Gefahr für Politiker und Bür­ger, dass durch das bloße Erstatten einer solchen Anzeige durch Amtsträger öffentlich bedeutsame Probleme nicht mehr diskutiert werden. Dies insbesondere mit Blick auf die Äußerungen des Köl­ner Polizeipräsidenten im Bayerischen Rundfunk („einfach eine Anzeige erstattet‘)?

Die Freiheit der Meinungsäußerung wird in der Bundesrepublik Deutsch­land durch das Grundrecht des Artikels 5 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützt.

Die Landesregierung sieht es als ihre Aufgabe dieses Grundrecht eben­so wie alle anderen Grundrechte sämtlicher Bürgerinnen und Bürger des Landes zu bewahren und zu schützen. Hierzu gehört es auch, dass die Behörden des Landes den Strafverfolgungsorganen Sachverhalte zur Kenntnis bringen, bei denen die Annahme eines Anfangsverdachts für eine strafrechtlich relevante Aussage naheliegt.

Mit freundlichen Grüßen

Herbert Reul