Kleine Anfrage 753
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 11.11.2022
Was steckt hinter den neuen Vorwürfen der BILD gegenüber Islamic Relief?
Am 1. November sprach die Bild im Zusammenhang mit Islamic Relief von einem „alarmierenden Verdacht in Köln“ und warf zugleich die Frage auf: „Werden in der Domstadt Flüchtlinge von Islamisten geködert, die dafür auch noch Geld vom Staat erhalten?“1
Dabei ging es um den „Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln“. Islamic Relief soll zu den Gründern des Arbeitskreises gehören. Weiter heißt es, dass der Arbeitskreis von der „Islamic Relief Kleiderkammer GmbH“ gegründet wurde, deren Geschäftsführer durch einen Hamas-Sympathisant ernannt worden sei.
Angeblich belegt durch ein Foto aus dem Jahre 2015 werden dem Geschäftsführer, der zugleich Geschäftsführer von Islamic Relief Deutschland (IRD) sei, Kontakte zur Muslimbrüder-nahen „Islamischen Gemeinschaft Deutschland (IGD)“ zugesprochen. Aus der IGD wurde nach einer erneuten Umbenennung im Jahre 2018 die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG)2. Diese wurde erst im Januar 2022 aus dem Zentralrat der Muslime ausgeschlossen.
Der ehemaligen rot-grünen Landesregierung Nordrhein-Westfalens wird vorgeworfen, der „Islamic Relief Kleiderkammer“ im Rahmen des Landesprogramms „KOMM-AN NRW“ – zugewiesen vom Integrationszentrum Köln – im Jahre 2016 4.000 Euro „spendiert“ zu haben. Aus diesem Budget sollen Printmedien und Webseiten finanziert worden sein. Hierfür findet sich auf der Homepage eine Bestätigung. Dort heißt es: „Diese Website wurde im Rahmen von „Komm-An NRW“ aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.“3
Brisant sind hierbei auch die, gem. Homepage, weiteren Mitglieder des Arbeitskreises DITIB4, IGMG5 und ATIB6. Auf BILD-Anfrage erklärte Islamic Relief, dass ATIB formell noch Teilnehmer, aber seit 2018 inaktiv sei.
Auch von Seiten der Stadt Köln soll es eine jahrelange Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe gegeben haben. Nach Informationen der BILD wurde „eine halbe Koordinierungsstelle im Rahmen der Mindeststandards zur Unterbringung und Betreuung Geflüchteter“ gefördert. Für diese Koordinierung soll der Arbeitskreis „Zuschüsse“ erhalten haben, für das Jahr 2022 beispielhaft 40.112 Euro.
Die BILD stellt als Fazit fest, dass es eine Förderung dafür gab, dass Flüchtlinge zu einem Islamisten-Verein geschickt wurden.
Zudem soll es in einer Stellungnahme der Stadt Köln heißen, dass nicht Islamic Relief die Finanzmittel erhalten würde, sondern das „Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (BFmF)“, dass „maßgeblich“ den Arbeitskreis führe. Und weiter: „Die Mitglieder des Arbeitskreises spielen eine wichtige Rolle im Bereich des ehrenamtlichen Engagements für Geflüchtete.“
Die BILD mutmaßt, dass die Stadt Köln so wohl umginge, „dass die Finanzmittel direkt an die laut Impressum vertretungsberechtigte Hilfsorganisation gehen“.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Inwiefern gibt es nach Ansicht der Landesregierung bzw. des Landesamts für Verfassungsschutz aktuell Bezüge von Islamic Relief Deutschland zu islamistischen Organisationen bzw. Einzelpersonen im In- und Ausland?
- Welche Verbindungen gibt es nach Ansicht der Landesregierung bzw. des Landesamts für Verfassungsschutz zwischen Islamic Relief Deutschland und anderen internationalen Organisationen mit dem Namen Islamic Relief, wie z.B. Islamic Relief Worldwide (IRW)?
- In welchem Umfang gab es in der Vergangenheit über Landesprogramme, wie z.B. KOMM-AN NRW, Fördermittel an Islamic Relief, an die Islamic Relief Kleiderkammer an den „Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln“?
- Wie bewertet die Landesregierung generell die Vergabe von Fördermitteln an den „Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln“ an das „Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (BFmF)“ vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Mitglieder des Arbeitskreises?
- Wie verhindert die Landesregierung generell, dass islamistisch beeinflusste Organisationen in die Flüchtlingsarbeit einbezogen werden?
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. htt p s : / / www. B i l d.de/bild-plus/politik/inland/ p o l i t i k – i n l a n d /mit-staatsmitteln-aus-nrw-das-miese-spiel-von- i s l a m i s t e n – m i t – f l u e c h t l i n g e n-817 884 66 .bild.html ?ticket =ST – A – 159 704 7-CT 14T q36 gVg JJg 4m StZ v-sso- s i g n i n -server
2 Vgl. Verfassungsschutzbericht NRW; S. 242 ff.
3 Vgl. htt p s : / / www. M u s l i m i s c h e -fluechtlingsarbeit- k o e l n.d e/
4 Vgl. htt p s: / / www. B p b .de/themen/islamismus/ d o s s i e r – i s l a m i s m u s /29 04 22/die-muslimbruderschaft-in- d e u t s c h l a n d /
5 Vgl. Verfassungsschutzbericht NRW 2021; S. 248 ff.
6 Vgl. Verfassungsschutzbericht NRW 2021; S. 178 ff.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 753 mit Schreiben vom 15. Dezember 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.
- Inwiefern gibt es nach Ansicht der Landesregierung bzw. des Landesamts für Verfassungsschutz aktuell Bezüge von Islamic Relief Deutschland zu islamistischen Organisationen bzw. Einzelpersonen im In- und Ausland?
Der Landesregierung liegen vereinzelte Erkenntnisse über Bezüge von „Islamic Relief Deutschland“ (IRD) zur Muslimbruderschaft oder zu ihr nahestehenden Organisationen vor. Die Muslimbruderschaft wird als islamistische Organisation durch den Verfassungsschutz beobachtet.
- Welche Verbindungen gibt es nach Ansicht der Landesregierung bzw. des Landesamts für Verfassungsschutz zwischen Islamic Relief Deutschland und anderen internationalen Organisationen mit dem Namen Islamic Relief, wie z.B. Islamic Relief Worldwide (IRW)?
„Islamic Relief Deutschland“ agiert als nationaler Ableger des internationalen Islamic Relief-Netzwerks. Aus diesem Grund bestehen zahlreiche finanzielle, organisatorische und personelle Verflechtungen zwischen „Islamic Relief Deutschland“ und weiteren Akteuren dieses Netzwerks, darunter auch „Islamic Relief Worldwide“.
- In welchem Umfang gab es in der Vergangenheit über Landesprogramme, wie z.B. KOMM-AN NRW, Fördermittel an Islamic Relief, an die Islamic Relief Kleiderkammer an den „Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln“?
Das MKJFGFI (vorher MKFFI) stellt dem Kommunalen Integrationszentrum pro Jahr 407.500 Euro für die Umsetzung von KOMM-AN NRW (Programmteile I und II) zur Verfügung. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung werden die Mittel vor Ort administriert und zum Beispiel lokale Förderanträge geprüft und bewilligt/abgelehnt.
Die Gemeinnützige Islamic Relief Kleiderkammer gGmbH beantragte 2016 beim Kommunalen Integrationszentrum Köln im Rahmen des Ehrenamtsprogramms KOMM-AN NRW eine einmalige, pauschalierte Zuschuss-Förderung für die Bausteine „Erstellung, Druck und Anschaffung von Printmedien“ (2.000 Euro) sowie die „Erstellung, Erweiterung, Pflege bzw. Aktualisierung von Internetseiten“ (2.000 Euro). Es wurden zwei pauschalierte Zuschuss-Förderungen à 50 Euro für den Baustein „Austausch von ehrenamtlich tätigen Personen untereinander“ beantragt und bewilligt. Der Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit beantragte eine einmalige, pauschalierte Zuschuss-Förderung für die Bausteine „Erstellung, Druck und Anschaffung von Printmedien“ (2.000 Euro) sowie für die „Erstellung, Erweiterung, Pflege bzw. Aktualisierung von Internetseiten“ (2.000 Euro).
Das Kommunale Integrationszentrum Köln bewilligte damit im Jahr 2016 Förderungen über 4.100 Euro für die Islamic Relief Kleiderkammer gGmbH sowie über 4.000 Euro für den Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit.
In den Folgejahren erfolgte keine Förderbeantragung durch eine der Organisationen und dementsprechend auch keine Förderung.
- Wie bewertet die Landesregierung generell die Vergabe von Fördermitteln an den „Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln“ an das „Begegnungs-und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (BFmF)“ vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Mitglieder des Arbeitskreises?
Wie in der Antwort auf Frage 3 dargestellt, liegt die Entscheidung über die lokale Verteilung der einzelnen Fördermittel aus dem Landesprogramm Komm-AN NRW in der kommunalen Selbstverwaltung der Kommunalen Integrationszentren. Erkenntnisse zu einer extremistischen Beeinflussung des „Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln“ liegen nicht vor.
Was das „Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V. (BFmF)“ betrifft, so handelt es sich dabei um einen anerkannten gemeinnützigen Verein. Das BFmF erhält Landesmittel als Träger einer Integrationsagentur sowie im Rahmen verschiedener Förderansätze. So wird das Zentrum u.a. nach dem Weiterbildungsgesetz NRW (WbG) als anerkannte Familienbildungsstätte gefördert. Das BFmF leistet, wie alle Familienbildungsstätten in Nordrhein-Westfalen, einen wichtigen Beitrag nach dem WbG und erreicht zahlreiche Familien im Sozialraum.
Einrichtungen werden gemäß WbG anerkannt, soweit sie die erforderlichen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen (§ 15 WbG). Aktivitäten in etwaigen Arbeitskreisen stellen kein Förderkriterium bzw. keine Begründung für die Aufhebung einer Anerkennung dar.
- Wie verhindert die Landesregierung generell, dass islamistisch beeinflusste Organisationen in die Flüchtlingsarbeit einbezogen werden?
Die Landesregierung arbeitet weder in der Flüchtlingsarbeit noch in anderen Kontexten mit islamistischen oder islamistisch beeinflussten Organisationen zusammen.
Im Rahmen der Bewilligungsverfahren werden die Satzungen der jeweiligen Träger sowie die Anerkennung der Gemeinnützigkeit geprüft und alle Informationen einbezogen, die den fördernden Häusern zu den jeweiligen Antragstellern vorliegen.