Was unternimmt die Landesregierung gegen den dramatischen Anstieg der Fallzahlen im Zusammenhang mit dem sogenannten Kirchenasyl?

Kleine Anfrage
vom 18.01.2024

Kleine Anfrage 3171

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Was unternimmt die Landesregierung gegen den dramatischen Anstieg der Fallzahlen im Zusammenhang mit dem sogenannten Kirchenasyl?

Wie aus Kleinen Anfragen der Bundestagsabgeordneten Brandner und Hess hervorgeht, ist seit 2016 ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen im Zusammenhang mit dem sogenannten Kirchenasyl zu verzeichnen – insbesondere in NRW.1 So liegt der NRW-Anteil bezüglich der Kirchenasylfälle seit 2019 deutlich über dem Königsteiner Schlüssel. Der Einbruch der Fallzahlen in Folge der Coronamaßnahmen ist längst kompensiert. Mit Stand 30.09.2023 wurde bereits 3 Monate vor Jahresende der Vorjahreswert erreicht. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr ist mit ca. 700 Personen in NRW zu rechnen.

Zeitraum: Anzahl Kirchenasylfälle
NRW
Anzahl Kirchenasylfälle Deutschland NRW-Anteil in %
01.08.-31.12.2016 37 421 8,8
01.01.-31.12.2017 214 1.561 13,7
01.01.-31.12.2018 318 1.521 20,9
Anzahl Personen NRW Anzahl Personen Deutschland NRW-Anteil in %
01.01.-31.12.2019 267 956 28
01.01.-31.12.2020 175 506 34,6
01.01.-31.12.2021 327 1.231 26,6
01.01.-31.12.2022 558 1.763 31,7
01.01.-30.09.2023 558 1.989 28

 

Wie die Antworten der Bundesregierung belegen, wird das Kirchenasyl in der Regel dazu missbraucht, Überstellungsfristen im Dublin-Verfahren abzusitzen.

So gab es im Zeitraum 01.10.-31.12.2021 bundesweit insgesamt 336 Personen im Kirchenasyl. In 335 Fällen (99,7 %) geht die Bundesregierung davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland u. a. in Folge des Aussitzens von Rücküberstellungsfristen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wurde. Im Jahr 2022 handelte es sich um 1.154 von insgesamt 1.173 Fallen (98,4 %).

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie verteilen sich die Kirchenasylfälle der Jahre 2022 und 2023 in NRW auf die beiden Amtskirchen? (Bitte möglichst differenziert nach den Landeskirchen bzw. Diözesen listen)
  2. Wie erklärt sich nach Ansicht der Landesregierung der überproportional hohe Anteil der Kirchenasylfälle in NRW?
  3. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung dem dramatischen Anstieg der Fallzahlen begegnen?
  4. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund der Trennung von Kirche und Staat die Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren durch die Kirchen?
  5. Inwiefern wird sich die Landesregierung vor dem Hinblick steigender Fallzahlen und der Existenz einer Härtefallkommission sowie eines Petitionsausschusses für eine Aufkündigung der Kirchenasylvereinbarung einsetzen?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-7800

 

1 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/055/2005516.pdf und https://dserver.bundestag.de/btd/20/096/2009673.pdf


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3171 mit Schreiben vom 20. Februar 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales so­wie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei beantwortet.

  1. Wie verteilen sich die Kirchenasylfälle der Jahre 2022 und 2023 in NRW auf die beiden Amtskirchen? (Bitte möglichst differenziert nach den Landeskir­chen bzw. Diözesen listen)

Nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind für das Jahr 2022 für Nord­rhein-Westfalen 389 Fälle von Kirchenasyl bei den beiden Amtskirchen gezählt. Davon entfal­len rd. 84% der Fälle auf die evangelische Kirche und die übrigen Fälle auf die katholische Kirche. Für das Jahr 2023 (Zeitraum 01.01. – 31.10.2023) sind für Nordrhein-Westfalen 474 Fälle von Kirchenasyl bei den beiden Amtskirchen erfasst, wovon rd. 78% auf die evangelische und rd. 22% auf die katholische Kirche entfallen (aktuellere Daten im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor).

  1. Wie erklärt sich nach Ansicht der Landesregierung der überproportional hohe An­teil der Kirchenasylfälle in NRW?
  2. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung dem dramati­schen Anstieg der Fallzahlen begegnen?

Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Entscheidung über die Gewährung von Kirchenasyl treffen die Kirchen. Die Landesregie­rung bewertet diese Entscheidungen nicht.

  1. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund der Tren­nung von Kirche und Staat die Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren durch die Kir­chen?

Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

  1. Inwiefern wird sich die Landesregierung vor dem Hinblick steigender Fallzahlen und der Existenz einer Härtefallkommission sowie eines Petitionsausschusses für eine Aufkündigung der Kirchenasylvereinbarung einsetzen?

Es wird auf die Antwort zu Frage 5 der Kleinen Anfrage 1742 verwiesen (Landtags-Drucksache 18/4600).

 

MMD18-8133