Was unternimmt die Landesregierung, um Verbraucher vor GFK- und CFK-Partikeln in landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu schützen?

Kleine Anfrage
vom 16.01.2025

Kleine Anfrage 4990

der Abgeordneten Christian Loose und Zacharias Schalley AfD

Was unternimmt die Landesregierung, um Verbraucher vor GFK- und CFK-Partikeln in landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu schützen?

Am 27.09.2024 hat ein etwas stärkerer Wind auf dem Gebiet der Gemeinde Langenberg im Kreis Gütersloh ein Rotorblatt einer dort betriebenen Windindustrieanlage abknicken lassen. Die dabei abgebrochenen Teile des Rotorblattes fielen aus rund 160 Metern Höhe zu Boden. Die Demontage der an der Nabe verbliebenen Rotorblattteile begann witterungsbedingt erst rund einen Monat später, am 21.10.2024.1

Unter dem Datum 12.11.2024 – also rund sechs Wochen nach der Havarie – berichten an den Aufräumarbeiten Beteiligte auf der Plattform X, dass sie gerade insgesamt 150 Hektar Boden – eine Fläche von etwas mehr als 200 Fußballfeldern – nach herabgefallenen Teilen und Teilchen abgesucht haben. Die Fläche wurde im „Schachbrettmuster“ abgesucht – einmal längs, einmal quer. Dabei wurden glas- und carbonfaserverstärkte Kunststoffteile sowie ausgehärtete Schaumstoffstücke wie auch Balsaholzfragmente gefunden. Die kleinsten gefundenen Stücke der glas- und carbonfaserverstärkten Kunststoffteile waren wenige Millimeter groß, das größte Stück 8,5 Meter lang. Der Bericht erklärt, dass die Teile umso mehr zerfallen, je länger sie liegen bleiben. Die kleineren und leichteren Teile können dann auf umliegende Flächen verweht werden. Auf dem Boden angrenzender Maisflächen wurden entsprechende Teilchen gefunden, weshalb der gesamte dort angebaute Mais – rund 200 Tonnen wertvolle, landwirtschaftliche Erzeugnisse – in die Verbrennung verbracht wurde.2

Vom 27.09.2024, dem Tag, an dem das Rotorblatt abknickte, bis zum 12.11.2024, dem Tag, an dem die Beteiligten über ihre Aufräumaktion berichteten, waren rund sechs Wochen vergangen, in denen die zum Teil sehr kleinen GFK- und CFK-Teilchen weiter zerfielen und ungehindert verwehten.

Die Landesregierung hat in ihrer Antwort zur Großen Anfrage 20 der SPD den Flächenverbrauch von Windindustrieanlagen mit 0,46 Hektar angegeben.3 Zudem wurden die Abstandsregeln zwischen Wohnhäusern und Windindustrieanlagen von der Landesregierung vollständig gestrichen.

Deshalb frage ich die Landesregierung:

  1. Welche Bodengutachten wurden von den zuständigen Behörden in Auftrag gegeben, um zweifelsfrei die Belastung des landwirtschaftlich genutzten Bodens mit glas- und carbonfaserverstärkten Kunststoffteilen auszuschließen?
  2. Wie schätzt die Landesregierung das Maß der gesundheitlichen Gefährdung durch kleinste glas- und carbonfaserverstärkte Kunststoffteile bei dem hier geschilderten Fall ein?
  3. Warum ist der Suchbereich nach solchen Teilchen auf 150 Hektar eingeschränkt worden, nachdem Wind und Wetter sechs Wochen Zeit hatten, diese Teilchen weit zu verwehen?
  4. Welche Kosten sind durch die Absuchung der Flächen, der Entsorgung der GFK- und CFL-Teilchen sowie der Rotorblätter und Vernichtung des Mais entstanden (bitte getrennt Aufschlüsseln)
  5. Welchen Gefährdungsraum rund um Windindustrieanlagen hält die Landesregierung angesichts des geschilderten Falles – immerhin wurden 150 Hektar abgesucht – für angemessen?

Christian Loose

Zacharias Schalley

 

MMD18-12483

 

1 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/windrad-fluegel-sturm-langenberg-100.html, abgerufen am 09.01.2025.

2 Vgl. https://x.com/FranzBranntwe10/status/1856409180338364604?t=B0DBdNWV34qecRBKlgV3tQ&s=08, abgerufen am 09.01.2025.

3 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-9651.pdf, abgerufen am 14.01.2025. Hier speziell Nummer 66 auf Seite 38.


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 4990 mit Schrei­ben vom 17. Februar 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz beant­wortet.

  1. Welche Bodengutachten wurden von den zuständigen Behörden in Auftrag gege­ben, um zweifelsfrei die Belastung des landwirtschaftlich genutzten Bodens mit glas- und carbonfaserverstärkten Kunststoffteilen auszuschließen?

Bodengutachten sind für den beschriebenen Sachverhalt nicht zweckdienlich. Die Rotorblätter bestehen nach Herstellerangaben aus Verbundwerkstoffen unter Verwendung auch von Glas-und Carbonfasern. Weder einzelne Komponenten noch der Materialmix der verwendeten Werkstoffe stellen eine akute Gefahr für das Schutzgut Boden oder das Grundwasser dar. Bei einer Havarie kann von den Abbruchkanten des Verbundwerkstoffs eine Gefahr ausgehen, da sie bei einem ungeschützten Kontakt etwa mit der Hautoberfläche zu Verletzungen führen können. Um diese Gefahr zu minimieren, ist im vorliegenden Fall auf Veranlassung der Kreis­behörde über den Anlagenhersteller eine intensive Such- und Sammelaktion durch einen auf derartige Havariefälle spezialisierten Fachentsorger organisiert worden. Das Aufsammeln der oberflächlich verteilten Fragmente findet in enger Kommunikation mit Vertreterinnen und Ver­tretern der Landwirtschaftskammer und den Bewirtschaftenden der von Trümmerfragmenten beaufschlagten Flächen sowie unter der Leitung eines Boden- und Landwirtschaftssachver­ständigen statt und wird kontinuierlich fortgeführt, bis eine weitere Exposition von Rotorblatt-fragmenten ausgeschlossen werden kann.

Die landwirtschaftlich genutzten Flächen dürfen erst nach Freigabe durch den Gutachter wie­der bewirtschaftet werden.

  1. Wie schätzt die Landesregierung das Maß der gesundheitlichen Gefährdung durch kleinste glas- und carbonfaserverstärkte Kunststoffteile bei dem hier geschilder­ten Fall ein?

Zu gesundheitlichen Gefährdungen durch einatembare Partikel und Fasern wird auf die LT-Drs. 18/3258, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1132 vom 23. Januar 20234, und auf die LT-Dr. 18/4977, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1945 vom 12. Juni 20235, verwiesen.

  1. Warum ist der Suchbereich nach solchen Teilchen auf 150 Hektar eingeschränkt worden, nachdem Wind und Wetter sechs Wochen Zeit hatten, diese Teilchen weit zu verwehen?

Der Suchbereich ist nie auf eine bestimmte Flächengröße beschränkt worden, sondern orien­tiert sich mit dem situativen Blick auf Windrichtung und -stärke an einem maximalen Sammel­ergebnis. Nicht zutreffend ist die implizierte Annahme, dass „Wind und Wetter sechs Wochen Zeit hatten“, diese Teilchen zu verwehen. Vielmehr hat das Einsammeln der Rotorblattfrag-mente am Tag nach der Havarie begonnen und wird seither kontinuierlich fortgesetzt.

  1. Welche Kosten sind durch die Absuchung der Flächen, der Entsorgung der GFK-und CFL-Teilchen sowie der Rotorblätter und Vernichtung des Mais entstanden (bitte getrennt Aufschlüsseln)

Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Kosten sind von privaten Un­ternehmen – Anlagenhersteller und -betreiber bzw. deren Versicherern – zu tragen.

  1. Welchen Gefährdungsraum rund um Windindustrieanlagen hält die Landesregie­rung angesichts des geschilderten Falles immerhin wurden 150 Hektar abge­sucht für angemessen?

Zum Gefährdungsraum wird auf die Regelungen in der Verwaltungsvorschrift Technische Bau­bestimmungen NRW (VV TB NRW) 2018, Anlage A 1.2.8/6 verwiesen, wonach Abstände von Windenergieanlagen zu Verkehrswegen und Gebäuden einzuhalten sind, um Gefährdungen durch Eisabwurf oder Eisfall auszuschließen. Ein Abstand von mehr als 1,5 fachem Rotor-durchmesser plus Nabenhöhe, gemessen von der Turmachse, wird als ausreichend angese­hen.

Ein zusätzlicher „Havariesicherheitsabstand“ ist in den Technischen Regeln des Landes NRW nicht vorhanden und würde auch den Grundanforderungen an bauliche Anlagen widerspre­chen (u.a. Forderung zum Nachweis der mechanischen Festigkeit + Standsicherheit; siehe VV TB, A1).

 

MMD18-12913