Welche Folgen hat die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Sozialhilfe für Nordrhein Westfalen?

Kleine Anfrage
vom 08.12.2018

Kleine Anfrage 1797
der Abgeordneten Dr. Martin Vincentz und Gabriele Walger-Demolsky vom 04.12.2018

 

Welche Folgen hat die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Sozialhilfe für Nordrhein Westfalen?

Anerkannte Flüchtlinge dürfen nicht weniger Sozialhilfe erhalten als einheimische Staatsbürger. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Mittwoch, den 21.11.2018, hervor1. Diese Vorgabe gelte unabhängig davon, ob das Aufenthaltsrecht nur befristet sei oder nicht. Im konkreten Fall ging es um eine Regelung aus Oberösterreich, nach der alleinstehende Flüchtlinge maximal 520 Euro im Monat erhalten sollten statt 921 Euro wie österreichische Alleinstehende. Das Gericht befand nun, dass diese Ungleichbehandlung nicht mit der EU-Richtlinie zur Anerkennung von Drittstaatenangehörigen vereinbar sei, berichtet die FAZ am 21.11.2018. Vielmehr sehe die Genfer Flüchtlingskonvention vor, dass anerkannte Flüchtlinge in einem EU-Land den Anspruch auf Sozialleistungen in gleicher Höhe wie die eigenen Staatsangehörigen haben, dieses Urteil hat bindende Wirkung für alle EU Mitgliedsstaaten. Sollte nationales Recht dem entgegenstehen, geht das EU Recht vor. Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) regelt als eigenständiges Gesetz die materiellen Leistungen für den leistungsberechtigten Personenkreis. Es ist nicht im formalen Sinne dem Sozialrecht zuzuordnen, gehört seinem Leistungsinhalt nach dennoch zum materiellen Sozialrecht. Gemäß § 10a AsylbLG sind Kostenträger der Leistungen nach diesem Gesetz das Land, die Landkreise und Kommunen, der Bund beteiligt sich anteilig mit einem Pauschalbeitrag.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung:

1. Inwieweit sind zum jetzigen Zeitpunkt die Leistungen für Asylbewerber denen der Sozialleistungen der eigenen Staatsangehörigen angepasst?

2. Ergibt sich eine Differenz der finanziellen Leistungen, welche an Staatsbürger nach dem SGB II zu denen, die an Asylbewerber nach dem AsylbLG gezahlt werden?

3. Welche Auswirkungen hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auf den Leistungsanspruch nach AsylbLG?

4. Ergibt sich ein abweichender Leistungsanspruch von anerkannten Flüchtlingen bei der Sozialhilfe, die von der Dauer des Aufenthaltsrechts abhinge?

Dr. Martin Vincentz
Gabriele Walger-Demolsky

 

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1 (AZ: C-713/17)


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 03.01.2019

 

Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1797 mit Schreiben vom 3. Januar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Während eines laufenden Asylverfahrens haben Asylbewerber einen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG endet u.a. mit Ablauf des Monats, in dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Ausländer als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Nach einer gemeinsamen Absprache des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus September 2016 gilt dies auch für Personen, die als Konventionsflüchtling an- oder denen subsidiär Schutz zuerkannt wurde. Dies bedeutet, mit Ablauf des Monats der Bekanntgabe der positiven Entscheidung des BAMF entfällt die Leistungsberechtigung im AsylbLG und Betroffene werden leistungsberechtigt nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II/ SGB XII – allgemeines Grundsicherungsrecht).

Die nach Art. 29 Abs. 1 EURL 2011/95 vorgegebene Gleichbehandlung von Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der internationale Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit deutschen Staatsangehörigen im Sozialhilfebezug ist insofern in nationales Recht umgesetzt worden.

1. Inwieweit sind zum jetzigen Zeitpunkt die Leistungen für Asylbewerber denen der Sozialleistungen der eigenen Staatsangehörigen angepasst?

2. Ergibt sich eine Differenz der finanziellen Leistungen, welche an Staatsbürger nach dem SGB II zu denen, die an Asylbewerber nach dem AsylbLG gezahlt werden?

Die Fragen 1. und 2. werden aufgrund ihres Sachzusammenhanges zusammen beantwortet.

Die Leistungen des AsylbLG decken das verfassungsmäßig garantierte menschenwürdige Existenzminimum des berechtigten Personenkreises (u.a. Asylbewerber). Die Höhe der Leistungen richtet sich nach einem bundesweit einheitlichen, gesetzlich verankerten Berechnungsverfahren, welches auch die Grundlage für andere Sozialleistungen (Sozialgesetzbuch II – Grundsicherung für Arbeitslose – und XII – Sozialhilfe) bildet. Der für das AsylbLG zuständige Bundesgesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (EBeschlAsylVfG) vom 11.03.2016 – sog. Asylpaket II – die Geldbeträge der Grundleistungen im AsylbLG gekürzt und neu festgesetzt.

Insofern erhalten Asylbewerber niedrigere Grundleistungen als Leistungsberechtigte des allgemeinen Grundsicherungsrechts nach SGB II oder SGB XII.

3. Welche Auswirkungen hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auf den Leistungsanspruch nach AsylbLG?

Nach Auffassung der Landesregierung hat die in der Kleinen Anfrage zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes keine Auswirkungen auf den Leistungsanspruch nach dem AsylbLG. Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen.

4. Ergibt sich ein abweichender Leistungsanspruch von anerkannten Flüchtlingen bei der Sozialhilfe, die von der Dauer des Aufenthaltsrechts abhinge?

Nein.

 

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