Kleine Anfrage 2746
der Abgeordneten Christian Loose und Klaus Esser (AfD
Welche ökonomischen und ökologischen Folgen ergeben sich aus dem Tank-Chaos bei den Wasserstoff-Müllwagen in Bielefeld?
In Bielefeld fährt seit 2021 ein wasserstoffbetriebener Abfalllaster mit 300 km Reichweite und 200 km Arbeitsstrecke. Dieser tankt mit der verbliebenen Reichweite einmal wöchentlich in der fast 40 km entfernten Nachbarstadt Rheda-Wiedenbrück bei der einzigen öffentlichen Wasserstofftankstelle im Regierungsbezirk Detmold, statt in Bielefeld bei der von der Bundesregierung subventionierten Tankstelle für H2-Busse. Dies auch, weil jene Busse mit 350 Bar Druck betankt werden, der Müllwagen aber mit 700 Bar.1
Eine Million Euro kostete der erste Müllwagen, das Vierfache eines herkömmlichen Müllfahrzeugs. Der Bund subventionierte 90 Prozent der Mehrkosten, schoss also satte 675.000 € zu.2
Der Umweltbetrieb Bielefeld hat für sechs Millionen Euro sechs weitere Brennstoffzellen-Abfallsammler bestellt3, die nun voraussichtlich ebenfalls ein Drittel ihrer Reichweite nur für Tankfahrten aufwenden müssen.
Laut der „Wasserstoff Roadmap“ des Landes NRW sollen bis 2030 allein 1.000 Brennstoffzellen-Abfallsammler sowie 200 H2-Tankstellen für Lkw und Pkw in NRW vorhanden sein.4 Für den Regierungsbezirk Detmold sind keine konkreten H2-Tankstellen in Planung bis 2024 verzeichnet.5
Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellenfahrzeugen in der Well-to-Wheel-Betrachtung beträgt lediglich 17,8 %. Hinzu kommt im Fall des Bielefelder Konzepts, dass ein zusätzliches Drittel durch Tankfahrten verloren geht.6
Daher fragen wir die Landesregierung:
- Eine steigende Anzahl H2-Abfall-LKW ohne Ausbau von Wasserstofftankstellen bedeutet eine Umweltbelastung durch Umwege. Lange Pendelwege bedeuten eine Kraftstoffverschwendung. Wie beziffert die Landesregierung Umweltauswirkungen (wie Reifenabrieb und höhere Treibstoffkosten) pro tatsächlicher Arbeitsstrecke am Beispiel des Brennstoffzellen-Mülllasters in Bielefeld?
- Welche zusätzlichen Kosten fallen durch die Tankstellen-Umwege (Arbeitskosten, Brennstoffkosten, Kosten für zusätzlichen Verschleiß etc.) bei den Bielefelder Wasserstoffmüllautos an?
- Im Hinblick auf die bald sieben H2-Müllfahrzeuge in Bielefeld: Welche Wasserstofftankstellen sind für die Stadt Bielefeld bzw. für die Umgebung in Ostwestfalen-Lippe geplant?
- Wie bewerten Sie den realen Well-to-Wheel-Wirkungsgrad des Bielefelder Konzepts der Wasserstoffmüllfahrzeuge mit langen Tankfahrten im Hinblick auf die reale CO2-Einsparung?
- Von welchen effektiven CO2-Vermeidungskosten gehen Sie bei den Bielefelder H2-Müllfahrzeuge aus? (Bitte nehmen Sie insbesondere Bezug zum Anschaffungspreis, der Tankinfrastruktur, den laufenden Kosten usw.)
Christian Loose
Klaus Esser
1 https://www.westfalen-blatt.de/owl/bielefeld/bielefeld-braucht-eine-wasserstofftankstelle-2811159
2 https://www.westfalen-blatt.de/owl/mullwagen-hat-wasserstoff-im-tank-2410911
3 https://www.westfalen-blatt.de/owl/bielefeld/mullflotte-setzt-auf-wasserstoff-2579687
4 https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/documents/mwide_br_wasserstoff-roadmap-nrw_web-bf.pdf S. 9
5 ebd. S. 50
6 https://transport-online.de/news/conference-days-2023-warum-der-h2-lkw-keine-chance-hat-81186.html
Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 2746 mit Schreiben vom 10. November 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Kommunen beziehungsweise kommunale Unternehmen, die im öffentlichen Raum als Auftraggeber handeln, müssen seit August 2021 ihre Fuhrparks emissionsärmer gestalten. Grundlage ist das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (Saubere-Fahrzeuge-Be-schaffungs-Gesetz – SaubFahrzeugBeschG). Es gibt verbindliche Mindestquoten für die Mitgliedsstaaten zur Beschaffung emissionsarmer und emissionsfreier Fahrzeuge vor. Diese gelten für Pkw, leichte und schwere Nutzfahrzeuge und Busse im ÖPNV.
Der Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld hat sich aus diesem Grund und vor dem Hintergrund
– der steigenden Energiekosten für fossilbasierte Kraftstoffe,
– des Hochlaufes des Wasserstoff-Angebots verbunden mit zu erwartenden sinkenden Marktpreisen,
– dass die elektrische Antriebstechnologie ein verschleißärmeres Fahren im kommunalen Sammelbetrieb erwarten lässt,
– der positiven Wirkungen auf die Menschen in Bielefeld durch geringere Schadstoffbe-lastungen und Reduzierung von Lärmemissionen
auf den Weg gemacht, seine Müllfahrzeugflotte sukzessive auf klimaschonende und emissionsarme Fahrzeuge mit Elektroantrieb umzustellen. Wegen der Betriebsanforderungen kamen hierbei Brennstoffzellen-Abfallsammler in die erste Wahl. Eine Nutzung der vorhandenen Bielefelder ÖPNV-Wasserstofftankstelle von MoBiel ist für Abfallsammelfahrzeuge nicht möglich, weil die Förderrichtlinien eine solche Nutzung nicht zulassen.
- Eine steigende Anzahl H2-Abfall-LKW ohne Ausbau von Wasserstofftankstellen bedeutet eine Umweltbelastung durch Umwege. Lange Pendelwege bedeuten eine Kraftstoffverschwendung. Wie beziffert die Landesregierung Umweltauswirkungen (wie Reifenabrieb und höhere Treibstoffkosten) pro tatsächlicher Arbeitsstrecke am Beispiel des Brennstoffzellen-Mülllasters in Bielefeld?
- Welche zusätzlichen Kosten fallen durch die Tankstellen-Umwege (Arbeitskosten, Brennstoffkosten, Kosten für zusätzlichen Verschleiß etc.) bei den Bielefelder Wasserstoffmüllautos an?
Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Umweltauswirkungen sind bei wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Abfallsammelfahr-zeugen als Null-Emissions-Fahrzeuge zunächst deutlich geringer als bei klassischen dieselbetriebenen Abfallsammelfahrzeugen. Die Pendelfahrten zur Wasserstoffbetankung des eingesetzten Abfallsammelfahrzeugs werden durch intelligentes Betankungsmanagement, welches sich an der Tourenplanung für das jeweilige Fahrzeug orientiert, stark minimiert. So werden z. B. Entleerungsfahrten im Bielefelder Süden auch für eine Fahrt zur Betankung genutzt. Die Kosten für die zusätzliche Tankfahrt sind in der Praxis nicht relevant.
Der Reifenabrieb infolge der gefahrenen Mehrkilometer ist zu vernachlässigen. Aufgrund anderer starker Beanspruchungen, z. B. infolge von Beschädigungen der Reifenflanken durch den Sammelbetrieb, werden die Reifen bei Müllsammelfahrzeugen ohnehin eher runderneuert oder ausgewechselt, bevor diese vollständig abgefahren sind.
Ein weiterer zusätzlicher Verschleiß ist nicht erkennbar, da die Fahrzeugtechnik von Brennstoffzellen-Abfallsammlern mechanisch nicht komplexer ist als bei dieselbetriebenen Abfallsammlern. Die sehr geringen Mehrkilometer sind in der Praxis weder für die Verschleiß- noch für die Kostenbetrachtung relevant.
Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die neue Antriebstechnologie mit Elektroantrieb, Batterie und einer Brennstoffzelle als Range Extender ein deutlich verschleißärmeres Fahren im kommunalen Müllsammelbetrieb erwarten lässt als bei dieselbetriebenen Müllsammlern.
- Im Hinblick auf die bald sieben H2-Müllfahrzeuge in Bielefeld: Welche Wasserstofftankstellen sind für die Stadt Bielefeld bzw. für die Umgebung in Ostwestfalen-Lippe geplant?
Die Landesregierung hat zu dem Thema einen Förderaufruf gestartet, der mindestens eine neue Wasserstofftankstelle für den Regierungsbezirk Detmold ermöglicht.
- Wie bewerten Sie den realen Well-to-Wheel-Wirkungsgrad des Bielefelder Konzepts der Wasserstoffmüllfahrzeuge mit langen Tankfahrten im Hinblick auf die reale CO2-Einsparung?
Das Abfallsammelfahrzeug des Umweltbetriebes Bielefeld fährt lokal emissionsfrei (insoweit mit einer 100%igen CO2-Einsparung ggü. einem Dieselfahrzeug). Es ist mit einem Elektroantrieb und aufladbarer Batterie ausgestattet und nutzt eine Brennstoffzelle nur als Reichweiten-verlängerer (Range Extender). Es besitzt damit einen höheren Wirkungsgrad als reine Brenn-stoffzellenfahrzeuge.
Die Art des betankten Wasserstoffs liegt außerhalb des direkten Einflussbereichs des Umweltbetriebes Bielefeld. Üblicherweise müssen aber geförderte Wasserstofftankstellen mindestens 50 % erneuerbaren Wasserstoff anbieten.
Genaue Daten über den Well-to-Wheel-Wirkungsgrad und die reale CO2-Einsparung liegen nicht vor.
- Von welchen effektiven CO2-Vermeidungskosten gehen Sie bei den Bielefelder H2-Müllfahrzeuge aus? (Bitte nehmen Sie insbesondere Bezug zum Anschaffungspreis, der Tankinfrastruktur, den laufenden Kosten usw.)
Dem Umweltbetrieb Bielefeld liegen keine Daten zu den CO2-Vermeidungskosten vor. Für die Beschaffung der Brennstoffzellenfahrzeuge konnte eine 90 %-ige Förderung der Mehrkosten in Anspruch genommen werden.