Wer garantiert die Neutralität und Objektivität der Träger der Meldestellen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 337
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Sven Tritschler vom 18.08.2022

 

Wer garantiert die Neutralität und Objektivität der Träger der Meldestellen?

Wie aus einer Rückfrage des Magazins CICERO bei der Landesregierung hervorgeht, kann bereits das „Zuraunen von Unflätigkeiten, das Ausspucken auf die Straße im Vorbeigehen oder auch eine obszöne Geste“ ein meldewürdiger Vorgang sein.1 All diese Vorgänge lassen sich in der Regel nicht verifizieren. Erst recht lässt sich nichts über das genaue Motiv aussagen, sprich: ob die vermutete Herkunft des Geschädigten eine Rolle spielt.

Eine folglich eher geringe Aussagekraft beeinflusst in der Folge die wissenschaftliche Analyse. Es ist zweifelhaft bis gefährlich, darauf aufbauend politisches Handeln abzuleiten, welches rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt. In einem Artikel auf „Tichys Einblick“ heißt es recht kritisch zusammengefasst und analysiert:

„Wenn Meldestellen in „einem engen Austausch mit den jeweiligen Gemeinden und Communities“ arbeiten, werden sie zu Machtmitteln dieser Gemeinden und Communities und tragen zur Desintegration der Gesellschaft bei, weil dadurch die Mehrheitsgesellschaft selbst zum Verdachts- und Beobachtungsfall wird, der Diskriminierung und Rassismus aus Gründen des Alters, des Geschlechts, der Herkunft und der sexuellen Identität unterstellt werden. Mit staatlichen Mitteln soll im Grunde eine Denunziationsdatenbank aufgebaut werden, in der die Äußerungen von Bürgern, in der „Vorfälle“ gespeichert und dokumentiert werden. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Äußerungen und Vorfälle, die zweifelsfrei vom Grundgesetz und von den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland gedeckt sind. […] Der Skandal besteht darin, dass gesetzlich nicht Inkriminiertes durch NGOs und Lobbygruppen staatsfinanziert und staatautorisiert quasi kriminalisiert werden darf.“2

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Auf welcher rechtlichen Grundlage sollen private NGOs erfassungswürdige Sachverhalte definieren, die sie im Anschluss an die Aufbauphase der Meldestellen dann selbst erfassen sollen, ohne dabei in Interessenskonflikte zu geraten?
  2. Welche Intention verbarg sich hinter dem Auswahlverfahren im Rahmen eines landesweiten Interessenbekundungsverfahrens und nicht über ein Ausschreibungsverfahren?
  3. War bei der Auswahl der Träger der Meldestellen die notwendige Objektivität das ausschlaggebende Kriterium oder nicht vielmehr die „Betroffenenperspektive“ der NGOs?
  4. Warum werden die Vorgaben zur Erfassung nicht strafrechtlich relevanter Sachverhalte nicht von der Landesregierung, sondern ausgelagert durch private NGOs vorgenommen?
  5. Inwiefern besteht die Gefahr, dass legitime Meinungsäußerungen durch einseitig definierte Grenzziehungen delegitimiert werden?

Enxhi Seli-Zacharias
Sven Tritschler

 

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1 Vgl. https://www.cicero.de/kultur/neue-meldestellen-in-nrw-strafbarkeitsgrenze-paul-gruene.

2 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/meinungen/gruene-cdu-buergerrechte-

meldestellen/?fbclid=IwAR16adWdzlDIG4jSnZh-lGqM8Yv-i0oR01HtOs0-J_EefMdGUaiwNNhVY8g.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie , Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 337 mit Schreiben 19. September 2022 namens der Landesregierung be­antwortet.

  1. Auf welcher rechtlichen Grundlage sollen private NGOs erfassungswürdige Sach­verhalte definieren, die sie im Anschluss an die Aufbauphase der Meldestellen dann selbst erfassen sollen, ohne dabei in Interessenskonflikte zu geraten?

Die Art und Weise der Bestimmung erfassungsfähiger Sachverhalte ist Gegenstand eines wei­terhin fortlaufenden, ergebnisoffenen Diskussionsprozesses.

  1. Welche Intention verbarg sich hinter dem Auswahlverfahren im Rahmen eines lan­desweiten Interessenbekundungsverfahrens und nicht über ein Ausschreibungs­verfahren?

Die jeweiligen Aufbauarbeiten der Meldestellen erfolgen im Rahmen von Projektförderungen nach einem öffentlichen Aufruf zur Interessenbekundung.

Die Eröffnung eines Vergabeverfahrens setzt voraus, dass der Auftragsgegenstand eindeutig und erschöpfend beschreibbar ist. Vorliegend handelt es sich jedoch um ein nicht im Voraus beschreibbares konzeptionelles Aufbauprojekt im Landesinteresse, welches ergebnisoffen und dynamisch in Abstimmung der Beteiligten untereinander im Rahmen eines koordinierten Systems erfolgt. Im Übrigen liegt bei den Aufbauarbeiten auch kein gegenseitiger Leistungs­austausch im Sinne des Vergaberechts vor.

  1. War bei der Auswahl der Träger der Meldestellen die notwendige Objektivität das ausschlaggebende Kriterium oder nicht vielmehr die „Betroffenenperspektive“ der NGOs?

Grundlage für die Trägerauswahl war die Eignung ihrer Interessensbekundungen.

  1. Warum werden die Vorgaben zur Erfassung nicht strafrechtlich relevanter Sach­verhalte nicht von der Landesregierung, sondern ausgelagert durch private NGOs vorgenommen?

Es besteht keine Vergleichbarkeit zwischen dem Strafrecht und dem Wesen der Tätigkeit der avisierten Meldestellen. Das Strafrecht zielt auf individuelle Verantwortlichkeit für bestimmte, in den Strafgesetzen umschriebene Verhaltensweisen. Die Tätigkeit der Meldestellen hinge­gen ist phänomenologisch veranlasst und gerade nicht auf konkrete natürliche Personen be­zogen. Im Hinblick auf die Erarbeitung möglicher Vorgaben wird auf die Antwort zu Frage 1 Bezug genommen.

  1. Inwiefern besteht die Gefahr, dass legitime Meinungsäußerungen durch einseitig definierte Grenzziehungen delegitimiert werden?

Schutzbereich und Schranken des Grundrechts auf Meinungsfreiheit ergeben sich aus Artikel 5 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes.

 

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