Werden in Nordrhein-Westfalen die Mindestlöhne seit den Erhöhungen der letzten Jahre korrekt ausgezahlt?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 325
der Abgeordneten Dr. Martin Vincentz und Dr. Hartmut Beucker vom 15.08.2022

 

Werden in Nordrhein-Westfalen die Mindestlöhne seit den Erhöhungen der letzten Jahre korrekt ausgezahlt?

Am 1. Oktober 2022 wird der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro angehoben. Zuletzt hatte sich dieser ausgehend vom 1. Januar 2021 in vier Stufen von 9,50 Euro auf den aktuellen Stand vom 1. Juli 2022 von 10,45 Euro entwickelt1.

Nach dem Mindestlohngesetz hat jeder volljährige Arbeitnehmer einen unabdingbaren Anspruch auf Zahlung eines Lohns, welcher die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet. Dass das Mindestlohngesetz in der Praxis jedoch von vielen Arbeitgebern nicht immer umgesetzt wird, hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seiner Studie „Mindestlohn noch längst nicht für alle“2 bemängelt. Die Antwort auf die Kleine Anfrage vom 22. Juni 20183 bestätigte dies auch für Nordrhein-Westfalen. Im abgefragten Zeitraum von 2015 bis 2017 ergaben sich bei 26.042 Arbeitgeberprüfungen in der Summe 489 eingeleitete Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen die Zahlung des gesetzlichen Min­destlohns nach § 21 (1) Nr. 9 MiLoG und 793 Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht nach § 21 (1) Nr. 7, 8 MiLoG4. Angesichts der neuen Anpassungen des Mindestlohns gilt es zu überprüfen, inwiefern ein Aufwärtstrend bei den Verstößen zu erkennen ist, um gegebenenfalls die Höhe der Sanktionen anpassen zu können.

Die Überwachung und Kontrolle der Mindestlöhne liegt in der originären Zuständigkeit der Bundesfinanzverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS)), womit keine Zuständigkeit der Landesregierung besteht. Dennoch sind für die Prüfung der Arbeits­zeitvorschriften die Arbeitsschutzbehörden der Länder zuständig.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Kontrollen zum bundesweiten Mindestlohn haben vom 01.01.2018 bis zum 31.07.2022 durch die FKS in Nordrhein-Westfalen stattgefunden?
  2. Welche Branchen wurden schwerpunktmäßig im oben genannten Zeitraum kontrolliert?
  3. Wie viele Verstöße wurden dabei in dem oben genannten Zeitraum festgestellt?
  4. Bei wie vielen Verstößen handelt es sich um Verstöße gegen die Zahlung des Mindest­lohns, in dem oben genannten Zeitraum? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Verstößen und Sanktionen bei Verstößen)
  5. Bei wie vielen Verstößen handelt es sich um Unregelmäßigkeiten bei der Aufzeichnungspflicht, in dem oben genannten Zeitraum? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Verstößen und Sanktionen bei Verstößen)

Dr. Martin Vincentz
Dr. Hartmut Beucker

 

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1 Siehe https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/mindestlohn-gestiegen-1804568 (Zugriff vom 03.08.2022)

2 Siehe DIW Wochenbericht, „Mindestlohn noch längst nicht für alle: Zur Entlohnung anspruchsberechtigter Erwerbstätiger vor und nach der Mindestlohnreform aus der Perspektive Beschäftigter“, 2017, http://hdl.handle.net/10419/173064 (Zugriff vom 04.08.2022)

3 Siehe Lt-Drucksache 17/2942

4 Siehe Lt-Drucksache 17/3268


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 325 mit Schreiben vom 15. September 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die politische und strategische Steuerung der für die Schwarzarbeitsbekämpfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zuständigen Zollverwaltung obliegt dem Bundesministe­rium der Finanzen (BMF). Die Generalzolldirektion als zuständige Bundesoberbehörde hat zu den Fragen Stellung bezogen. Die Antworten sind dieser Stellungnahme entnommen. Der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen liegen zu den Fragestellungen darüber hinaus keine eigenen Erkenntnisse vor.

  1. Wie viele Kontrollen zum bundesweiten Mindestlohn haben vom 01.01.2018 bis zum 31.07.2022 durch die FKS in Nordrhein-Westfalen stattgefunden?

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung führt Prüfungen auf Grundlage der §§ 2ff. Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) durch. Die Auswahl der Prüfungsobjekte erfolgt dabei risikoorientiert. Die FKS verfolgt einen ganzheitlichen Prü­fungsansatz, welcher alle in Frage kommende Prüffelder aufgrund des Auftrages in § 2 Abs. 1 SchwarzArbG umfasst.

Auch während der anhaltenden Covid-19-Pandemie wird sichergestellt, dass die Arbeitsfähig­keit der FKS erhalten bleibt, ohne den gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten außer Acht zu lassen. Die FKS führt daher unter Beachtung der notwendigen Schutzmaßnahmen weiter­hin risikoorientiert Prüfungen und Ermittlungsverfahren durch.

Dennoch beeinflussen beispielsweise der erhöhte Aufwand zum Schutz der Beschäftigten und Personalausfälle auf Grund von Quarantänemaßnahmen die Aufgabenwahrnehmung der FKS. Bei einem Vergleich von Zahlen der Jahre 2020 bis 2022 mit denen der Vorjahre ist diese Sondersituation zu berücksichtigen.

Die Anzahl der vom 01. Januar 2018 bis zum 31. Juli 2022 in Nordrhein-Westfalen durch die FKS durchgeführten Arbeitgeberprüfungen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:

____________Arbeitgeberprüfungen NRW_______________
2018 2019 2020 2021 2022
10.873 11.190 8.264 9.248 6.344

 

  1. Welche Branchen wurden schwerpunktmäßig im oben genannten Zeitraum kon-
    trolliert?

Die zahlenmäßig meisten Arbeitgeberprüfungen hat die FKS in den vergangenen Jahren im Baugewerbe, im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe sowie im Speditions-, Transport und damit verbundenem Logistikgewerbe durchgeführt, wie nachfolgend dargestellt:

 

_Top 3 Branchen mit den zahlenmäßig meisten Arbeitgeberprüfungen_
2018 2019 2020
Bauhaupt- und Bau- nebengewerbe 2.513 Sonstige 2.697 Bauhaupt- und Bau-nebengewerbe 1.839
Sonstige 2.512 Bauhaupt- und Bau-nebengewerbe 2.339 Sonstige 1.800
Gaststätten und Be- herbergungsge- werbe 1.931 Gaststätten und Be- herbergungsge- werbe 2.055 Gaststätten und Be-herbergungsge-werbe 1.315

 

_Top 3 Branchen mit den zahlenmäßig meisten Arbeitgeberprüfungen_
2021 2022
Bauhaupt- und Baunebengewerbe 2.319 Bauhaupt- und Baunebengewerbe 1.408
Sonstige 1.727 Sonstige 1.335
Speditions-, Transport- und damit verbundenes Logistikgewerbe 1.269 Gaststätten und Beherbergungsge-werbe 895

 

Grundsätzlich legt die FKS im Rahmen ihrer risikoorientierten Prüf- und Ermittlungstätigkeit einen besonderen Fokus auf die im Katalog des § 2a SchwarzArbG aufgeführten Branchen (Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundenem Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, Un­ternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigungsgewerbe, Unternehmen, die sich am Auf-und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen, Fleischwirtschaft, Prostitutionsgewerbe und Wach- und Sicherheitsgewerbe) sowie auf besonders von Mindestlohnverstößen betrof­fenen Branchen und teilweise im Katalog nach § 2a enthaltenen Branchen (Abfallwirtschaft, Arbeitnehmerüberlassung, Bauhaupt- und Baunebengewerbe – einschl. Elektrohandwerk, Ge-rüstbauhandwerk, Maler- und Lackiererhandwerk -, Briefdienstleistungen, Fleischwirtschaft, Friseur- und Kosmetiksalons, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe – einschl. Caterer -, Gebäudereinigung, Getränkeeinzelhandel, Kioske und Tankstellenshops, Landwirtschaft, Per-sonenbeförderungsgewerbe, Sicherheitsdienstleistungen und Speditions-, Transport- und da­mit verbundenes Logistikgewerbe).

  1. Wie viele Verstöße wurden dabei in dem oben genannten Zeitraum festgestellt?

Die Anzahl der eingeleiteten Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren sind den beiden nach­stehenden Tabellen zu entnehmen.

Die Arbeitsstatistik der FKS unterscheidet bei der Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfah­ren nicht zwischen Verfahren, denen eine Arbeitgeberprüfung vorangegangen ist und Verfah­ren, welche beispielsweise auf Grund konkreter Hinweise, Zuleitungen von Zusammenarbeits­behörden oder aufgrund vorausgegangener Ermittlungen eingeleitet worden sind. Eine Korrelation der Anzahl Prüfungen in einem Zeitraum zu der Anzahl der eingeleiteten Ermitt­lungsverfahren im gleichen Zeitraum führt zu keinem tragfähigen Bewertungsansatz.

________Eingeleitete Ordnungswidrigkeiten NRW________
2018 2019 2020 2021 2022
6.198 6.752 4.957 8.421 6.573

 

___________Eingeleitete Strafverfahren NRW___________
2018 2019 2020 2021 2022
26.694 28.017 23.652 27.451 16.323

 

  1. Bei wie vielen Verstößen handelt es sich um Verstöße gegen die Zahlung des Min-
    destlohns, in dem oben genannten Zeitraum? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Verstößen und Sanktionen bei Verstößen)

Die Anzahl der durch die FKS wegen Verstößen gegen § 21 Abs. 1 Nr. 9 Mindestlohngesetz (MiLoG) eingeleiteten Ermittlungsverfahren sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:

Verstöße gegen die Zahlung des Mindestlohns (§ 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG) (eingeleitete Owi) in NRW
2018 2019 2020 2021 2022
609 709 556 705 259

 

Die Summe der Verwarnungs-, Bußgelder-, Einziehungs-, und Verfallbeträge wurden eben­falls für das Bundesland Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2018 bis Juli 2022 in der nach­stehenden Tabelle aufgeführt. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass kein direkter Zusam­menhang zwischen den o. g. Sanktionen und der Anzahl der Verstöße im gleichen Zeitraum besteht.

Summe Verwarnungs-, Bußgelder-, Einziehungs-, Verfallbeträge in Euro (§ 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG) in NRW
2018 2019 2020 2021 2022
1.107.554 1.897.522 4.608.598 1.845.811 1.211.752

 

  1. Bei wie vielen Verstößen handelt es sich um Unregelmäßigkeiten bei der Aufzeich-
    nungspflicht, in dem oben genannten Zeitraum? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Verstößen und Sanktionen bei Verstößen)

Die Anzahl der durch die FKS wegen Verstößen gegen § 21 Abs. 1 Nr. 7, 8 MiLoG eingeleite­ten Ermittlungsverfahren sind nachfolgend dargestellt:

 

Verstöße bei Unregelmäßigkeiten bei der Aufzeichnungspflicht (§ 21 Abs. 1 Nr. 7 u. 8 MiLoG) (eingeleitete Owi) in NRW
2018 2019 2020 2021 2022
788 899 598 1.133 423

 

Die Summe der Verwarnungs-, Bußgelder-, Einziehungs-, und Verfallbeträge wurden eben­falls für das Bundesland Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2018 bis Juli 2022 in der nach­stehenden Tabelle aufgeführt:

Summe Verwarnungs-, Bußgelder-, Einziehungs-, Verfallbeträge in Euro (§ 21 Abs. 1 Nr. 7 u. 8 MiLoG) in NRW
2018 2019 2020 2021 2022
559.797 632.756 425.462 313.382 197.265

 

Auch hier wird darauf hingewiesen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen den o.g. Sanktionen und der Anzahl der Verstöße im gleichen Zeitraum besteht.

 

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