Kleine Anfrage 3983
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Prof. Daniel Zerbin AfD
Widerstand gegen Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Wulfen, selbst von Seiten der SPD – Wahlkampfgetöse oder späte Einsicht?
Wie das Online-Portal „Dorsten Online“ berichtet, gibt es in Wulfen erhebliche Unruhe, seitdem Mitte Mai bekannt wurde, dass eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) im Dorf geplant ist.1 Selbst die SPD schloss sich – entgegen der sonst üblichen Agenda – jetzt wohl dem Protest an. Das geschah medienwirksam zuletzt in Gladbeck, wo die SPD-Abgeordnete Siebel die geplante ZUE in einem 4-Sterne Hotel aufgrund der schlechten ÖPNV-Anbindung zur Innenstadt Gladbecks ablehnte, da dies „menschenunwürdig“ sei.2
In einem Industriegebiet zwischen Alt-Wulfen und Wulfen-Barkenberg ist eine Wohnanlage aus mobilen Elementen mit 350 Plätzen geplant, zuzüglich 50 „Stand by-Plätzen“, die kurzfristig als „Puffer“ genutzt werden können, aber nicht dauerhaft belegt werden sollen. Die Belegung soll sich nach der jeweils aktuellen Zusammensetzung der in NRW ankommenden Asylsuchenden richten. Die Nutzungsdauer ab Inbetriebnahme beträgt nach aktuellem Planungsstand 10 Jahre.
Zum Standort heißt es: „Die Zentrale Unterbringungs-Einrichtung (ZUE) soll errichtet werden auf Flurstück 352 zwischen Hessenweg und Frankenstraße unmittelbar angrenzend an das Gewerbegebiet ‚Dimker Heide‘. Ein Teil des 15 000 Quadratmeter großen Grundstücks ist im Flächennutzungsplan (FNP) bereits als Erweiterungsfläche für Gewerbe sowie für den Bau des Dorstener Damm vorgemerkt und damit bebaubar. Eine Ergänzung ist nach Baugesetzbuch möglich. Ver- und Entsorgungsleitungen sind vorhanden. Erschlossen werden kann die ZUE über die Thüringerstraße in Höhe Allemannenallee und / oder die Frankenstraße.“3
Wie bereits bei vorherigen Planungen (z. B. in Dingden oder Oeventrop) passt das Verhältnis der Einwohnerzahl (ca. 13.500 Personen) erneut nicht zur Größe der geplanten ZUE (400 Personen). Die Reaktion der Anwohner ist daher mehr als verständlich. Eine Betrachtung der Aufnahmezahlen für die Stadt Dorsten insgesamt verfängt in diesem Zusammenhang nicht, da sich der Ortsteil Wulfen weit abseits des Dorstener Stadtkerns befindet. Betroffen wären folglich nicht die Bürger Dorstens insgesamt, sondern insbesondere die direkten Anwohner in Wulfen.
Laut der Meldung auf dem Online-Portal „Dorsten Online“ haben in Wulfen bereits Tausende eine Unterschriftenliste gegen die Unterkunft unterzeichnet. An vielen Geschäften lägen Unterschriftenlisten gegen die ZUE aus. Eine Online-Petition habe bereits über 2000 Unterzeichner.
Recht unerwartet meint selbst die SPD Dorsten, dass durch die geplante ZUE eine Überforderung der bestehenden Gemeinschaft in Wulfen drohe und damit der soziale Frieden im Stadtteil zu gefährdet sei. Der Stadtteil bewältige bereits jetzt erhebliche soziale und integrative Herausforderungen. Viele geflüchtete Menschen, anerkannte Familien sowie Personen aus früheren Einwanderungswellen lebten schon in Wulfen.4 Eine ZUE in der vorgeschlagenen Dimension könnte das noch funktionierende Gefüge im Ort aus der Balance bringen. Menschen würden in einem konstruktiven Ton offen über ihre Ängste und Sorgen sprechen. Die Stimmung könne kippen, wenn man diese Sorgen vernachlässigt. Die SPD Dorsten fordert in diesem Zusammenhang eine Prüfung auf mögliche Alternativstandorte bzw. eine Begrenzung der ZUE auf eine Kapazität von 200–250 Personen sowie eine Beherbergung überwiegend von Familien. Zudem wird eine Herabsetzung der Bestandsdauer der Einrichtung von mindestens zehn auf höchstens sechs Jahre gefordert.
Selbst das Thema Sicherheit wurde völlig überraschend von der SPD adressiert. Auf Dauer sollen ein 24-Stunden-Wachdienst und ein Sozialdienst vor Ort sein, falls sich das Flüchtlingsheim Wulfen nicht verhindern lasse. Auch eine verstärkte Polizeipräsenz sei wünschenswert. Zudem sollten Menschen ohne Bleibeperspektive direkt von der ZUE aus ausgewiesen werden und nicht einfach an die Kommune weitergereicht werden.
Das plötzliche Interesse der SPD an den Belangen der Bürger im Zusammenhang mit der Neuerrichtung einer ZUE irritiert an dieser Stelle und wirft die Frage auf, was diesen Standort von anderen ZUE-Standorten mit ähnlicher Problemlage unterscheidet.
Zur aktuellen Beschlusslage heißt es von Seiten der Stadt Dorsten: „Die Stadtverwaltung hat das Vorhaben aber in Abstimmung mit der Bezirksregierung soweit geprüft, dass es grundsätzlich beschlossen werden kann. Die endgültige Entscheidung trifft der Rat der Stadt Dorsten. Der aktuelle Zeitplan dafür: Eine Beschlussvorlage wird voraussichtlich Ende Mai für die Vorberatung im Haupt- und Finanzausschuss am 12. Juni im Ratsinformationssystem der Stadt Dorsten veröffentlicht. Der Rat der Stadt Dorsten berät diese Vorlagen dann in seiner Sitzung am 19. Juni. Trifft der Rat diesen Beschluss, beginnt eine voraussichtlich 12 bis 15 Monate dauernde Planungs- und Realisierungsphase, in der zahlreiche Fragen noch zu klären sind. Die Inbetriebnahme der Unterkunft wäre dann um den Jahreswechsel 2025 / 2026 herum realistisch. Aktuell sieht die Stadt für die Planungsphase keine Fragestellungen, die nicht zu lösen wären.“5
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Inwiefern ist auch die Landesregierung bereit anzuerkennen, dass die Bürger in Wulfen mit einer ZUE dieser Größenordnung in ihrem Dorf weit überfordert wären?
- Inwiefern sollen die betroffenen Anwohner in den weiteren Entscheidungs- und Planungsprozess noch eingebunden werden? (Bitte konkret am vorliegenden Fall beantworten)
- In einer Bürgerinformation ist von einer Wohnanlage aus mobilen Elementen mit 350 Plätzen und zuzüglich 50 „Stand by-Plätzen“ die Rede. Wie sehen die derzeitigen Planungen im Detail aus, also im Außen- und Innenbereich?
- Von welchem Kostenrahmen zur Errichtung der ZUE sowie zur vorherigen Erschließung des Grundstücks geht die Landesregierung derzeit aus?
- Mitten durch das vorgesehene Grundstück verläuft ein Entwässerungsgraben. Mit welchen Mehrausgaben bei der Erschließung des Grundstücks rechnet die Landesregierung in diesem Zusammenhang?
Enxhi Seli-Zacharias
Prof. Daniel Zerbin
1 Vgl. https://dorsten-online.de/widerstand-gegen-fluechtlingsunterkunft-wulfen-auch-von-spd
3 Vgl. https://wulfen-wiki.de/index.php?title=ZUE
4 Ebd.
5 Vgl. https://www.dorsten.de/rathaus-stadt/verwaltung/pressestelle/pressemitteilungen-mai-2024/infoabend
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3983 mit Schreiben vom 18. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
- Inwiefern ist auch die Landesregierung bereit anzuerkennen, dass die Bürger in Wulfen mit einer ZUE dieser Größenordnung in ihrem Dorf weit überfordert wären?
Die Landesregierung verkennt nicht, dass die Errichtung einer Landeseinrichtung für Anwohnerinnen und Anwohner eine Veränderung des persönlichen Lebensumfeldes nach sich ziehen kann. In Abhängigkeit vom zukünftigen Projekt- und Planungsfortschritt der einzelnen Einrichtungen werden betroffene Bürgerinnen und Bürger und Anwohnerinnen und Anwohner umfassend, transparent und zeitnah informiert und eingebunden werden. Eine frühzeitige Information bedeutet, dass die Bezirksregierung im Vorfeld der Eröffnung einer Einrichtung durch geeignete Informations- und Veranstaltungsformate in den Dialog mit der Öffentlichkeit eintritt. Die Bezirksregierung informiert dabei über den Stand der Planungen, steht für Fragen zur Verfügung und setzt sich mit den Sorgen, Ängsten und Anregungen der Anwohnerschaft auseinander und weist auf Möglichkeiten einer konstruktiven Mitwirkung, z.B. durch ehrenamtliche Tätigkeiten, hin.
- Inwiefern sollen die betroffenen Anwohner in den weiteren Entscheidungs- und Planungsprozess noch eingebunden werden? (Bitte konkret am vorliegenden Fall beantworten)
- In einer Bürgerinformation ist von einer Wohnanlage aus mobilen Elementen mit 350 Plätzen und zuzüglich 50 „Stand by-Plätzen“ die Rede. Wie sehen die derzeitigen Planungen im Detail aus, also im Außen- und Innenbereich?
Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Bezirksregierung Münster arbeitet im Planungsprozess möglichst eng mit den Fachstellen der Standortkommunen zusammen. Berechtigte Einwände der unmittelbaren Nachbarschaft werden während der Planungen geprüft und berücksichtigt. Die Belange der Nachbarschaft werden selbstverständlich auch einbezogen werden, wenn der Prozess der Planung für einen Standort in Dorsten-Wulfen beginnen wird. Dies ist aktuell noch nicht der Fall.
- Von welchem Kostenrahmen zur Errichtung der ZUE sowie zur vorherigen Erschließung des Grundstücks geht die Landesregierung derzeit aus?
- Mitten durch das vorgesehene Grundstück verläuft ein Entwässerungsgraben. Mit welchen Mehrausgaben bei der Erschließung des Grundstücks rechnet die Landesregierung in diesem Zusammenhang?
Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4 und 5 gemeinsam beantwortet.
Eine Kostenschätzung ist mangels Planungen noch nicht erfolgt. Dies gilt auch für möglicherweise erforderliche Erschließungsmaßnahmen.