Wie agiert die Landesregierung im Zusammenhang mit einer Verschleierung der Identität bei Asylbewerbern?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1108
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner vom 20.01.2023

Wie agiert die Landesregierung im Zusammenhang mit einer Verschleierung der Identität bei Asylbewerbern?

Gemäß einer Kleinen Anfrage vom 05.08.2022 waren zum Stichtag 30.06.2022 17.545 Personen in Nordrhein-Westfalen im Besitz einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente. Weitere 4.961 Personen waren im Besitz einer Duldung nach § 60b Abs. 1 AufenthG für Personen mit ungeklärter Identität.1

Fehlende Dokumente bzw. eine ungeklärte Identität führen zu fast unüberwindbaren Problemen im Asylverfahren, da in erster Linie die subjektive Eigenauskunft des Betroffenen zur Klärung herangezogen werden muss. Insbesondere wird aber die Rückführung ausreispflichtiger Personen erschwert, wenn sich die potenziellen Herkunftsländer nicht als kooperativ erweisen.

In diesen Fällen besteht die Versuchung bzw. Gefahr, dass unüberwindbare Probleme, die von den Betroffenen oftmals erst vorsätzlich herbeigeführt wurden, zu einer Verfestigung des Aufenthalts ausreisepflichtiger Personen führen können. Dafür wurden in der Vergangenheit, mit Unterstützung der alten und der aktuellen Landesregierung, zahlreiche Bleiberechtsregelungen geschaffen bzw. erweitert.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Personen verfügten zum Stichtag 31.12.2022 in NRW über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente?
  2. Wie viele Personen verfügten zum Stichtag 31.12.2022 in NRW über eine Duldung nach § 60b Abs. 1 AufenthG für Personen mit ungeklärter Identität?
  3. Inwiefern wird die per Eigenauskunft angegebene Staatsangehörigkeit (der Personen gem. Frage 1 und 2) registriert? (Bitte auch nach angegebener Staatsangehörigkeit und Anzahl listen)
  4. Rückführungsmaßnahmen sind grundsätzlich von einer nachweisbaren Identität abhängig. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung zur Identifikation der Personen gem. Frage 1 und 2?
  5. Inwiefern kommen die Personen gem. Frage 1 und 2, nach Ansicht der Landesregierung, für eine Anwendung der Bleiberechtsregelungen, also der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung, der Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen, der Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration sowie dem neu geschaffenen Chancen-Aufenthaltsrecht, in Betracht?

Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/826


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1108 mit Schreiben vom 2. März 2023 namens der Landesregierung beant­wortet.

  1. Wie viele Personen verfügten zum Stichtag 31.12.2022 in NRW über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente?

Nach dem Ausländerzentralregister waren zum Stichtag 31.12.2022 insgesamt 17.029 Perso­nen im Besitz einer Duldung gemäß § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reise­dokumente.

  1. Wie viele Personen verfügten zum Stichtag 31.12.2022 in NRW über eine Duldung nach § 60b Abs. 1 AufenthG für Personen mit ungeklärter Identität?

Nach dem Ausländerzentralregister waren zum Stichtag 31.12.2022 insgesamt 4.539 Perso­nen im Besitz einer Duldung gemäß § 60b Absatz 1 AufenthG für Personen mit ungeklärter Identität.

  1. Inwiefern wird die per Eigenauskunft angegebene Staatsangehörigkeit (der Personen gem. Frage 1 und 2) registriert? (Bitte auch nach angegebener Staatsangehö­rigkeit und Anzahl listen)

Die von den Betroffenen selbst angegebene Staatsangehörigkeit, z.B. im Asylverfahren ge­genüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder gegenüber der Auslän­derbehörde, wird durch das BAMF in den Asylbescheid und durch die Ausländerbehörde in die Ausländerakte sowie in den dazugehörigen Personeneintrag im Ausländerzentralregister auf­genommen.

Es werden die nachstehenden Informationen für die zehn TOP- Herkunftsländer aus der BAMF–Statistik dargestellt:

Staat § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG § 60b Abs. 1 AufenthG
1 Syrien, Arab. Rep. 283 43
2 Afghanistan 706 26
3 Türkei 574 114
4 Irak 1.951 115
5 Georgien 169 18
6 Iran, Islam. Rep. 948 348
7 Somalia 226 57
8 Eritrea 97 37
9 Russische Föder. 782 133
10 Moldau 3 0

*Quelle: AZR-Statistik zum Stichtag 31.12.2022

  1. Rückführungsmaßnahmen sind grundsätzlich von einer nachweisbaren Identität abhängig. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung zur Identifika­tion der Personen gem. Frage 1 und 2?

Nordrhein-Westfalen hat sein Rückkehrmanagement in den letzten Jahren durch gezielte Maß­nahmen kontinuierlich verbessert, insbesondere auch durch den Ausbau der landesfinanzier-ten Zentralen Ausländerbehörden. Diese unterstützen die 81 kommunalen Ausländerbehörden aktiv bei der Rückführung unter anderem in dem zentralen Bereich der Passersatzbeschaffung und der damit zusammenhängenden Identitätsklärung.

Die fehlende Kooperationsbereitschaft von Herkunftsländern bei der Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen stellt ein wesentliches Hindernis dar. Hier bleibt die Bundesregierung gefordert, mit relevanten Zielstaaten stabile und praxiswirksame Rahmenbedingungen im Be­reich der Passersatzbeschaffung zu erreichen.

  1. Inwiefern kommen die Personen gem. Frage 1 und 2, nach Ansicht der Landesregierung, für eine Anwendung der Bleiberechtsregelungen, also der Ausbildungs-und Beschäftigungsduldung, der Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Ju­gendlichen, der Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration sowie dem neu geschaffenen Chancen-Aufenthaltsrecht, in Betracht?

Die Anwendung der unterschiedlichen Bleiberechtsregelungen kommt für alle Personen in Be­tracht, die die jeweiligen Erteilungsvoraussetzungen im Einzelfall erfüllen.

 

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