Kleine Anfrage 5324des Abgeordneten Christian Loose vom 04.05.2021
Wie hoch sind die finanziellen Schäden durch Havarien bei Windindustrieanlagen?
Je nach Standort von Windindustrieanlagen gehen im Fall einer Windindustrie-anlagen-Havarie spezielle Gefahren aus. So brannte beispielsweise im Januar 2020 eine solche Anlage in einem Natur- und Umweltschutzgebiet in Holzminden, wodurch das Gebiet mit Schadstoffen kontaminiert wurde.1 Darüber hinaus können auch infrastrukturell wichtige Knotenpunkte, wie beispielsweise ein Umspannwerk, durch abreißende Rotorenblätter bedroht sein.2 Eine in der Nähe einer brennenden Anlage befindliche Kita in Emsdetten musste beispielsweise evakuiert werden.3
Der Öltank einer Windindustrieanlage umfasst bis zu 700 Liter4 und kann bei Auslaufen zu erheblichen ökologischen Schäden der Umgebung und des Grundwassers führen. In einem solchen Fall werden als Gegenmaßnahme rechtzeitige Erdabtragungsarbeiten benötigt.
Auch kleinere Teile der Rotorblätter können bei Flügelbruch die Bewirtschaftung von Äckern großflächig erschweren oder unmöglich machen, da Splitter aus Glas und Kunststoff bis zu 800 Meter weit verteilt werden.5 Die messerscharfen Glasfaser-splitter können Verletzungen herbeiführen.6
Ein abreißendes Rotorblatt kann selbst als wuchtiges Geschoss bis zu 60 Meter weit geschleudert werden.7
Abknickende und abreißende Flügelblätter können in der Nähe von Autobahnen und Schnellstraßen zu Sperrungen führen – wie es das Beispiel der mehrtägigen Sperrung der B58 belegt.8
Rettungsmaßnahmen für eingeschlossene Personen sind weder durch das Aufsteigen in den Turm noch durch einen Hubschraubereinsatz möglich.9
Der Verband der TÜV fordert seit langem umfassende Sicherheitsprüfungen.10
Vor allem auf Grund des Alters vieler Windkraftanlagen, die sich dem Ende der ausgelegten Betriebszeit von 20 bis 25 Jahren nähern, bestehen durch Materialschäden bedingte Gefahren.11
Der Bundesverband WindEnergie führt nicht einmal ein Register über Havarien wie Brände oder das Umknicken von Windindustrieanlagen.12 Auch die Feuerwehr muss Schäden an solchen Anlagen nicht grundsätzlich melden.13
Für Versicherer bedeutet dieses Vorgehen ein erhebliches finanzielles Risiko. So gilt bisher die Wahrscheinlichkeit vorkommender Schäden an Windindustrieanlagen als gering (dieses allerdings auf Grund mangelnder öffentlicher Zahlen); statistisch ist die Schadenshöhe aber sehr hoch14 und kann in die Millionenhöhe gehen.15
Ich frage die Landesregierung:
- Wie viele Windindustrieanlagen in NRW sind mit einer eigenen Löschvorrichtung ausgerüstet? (Bitte aufschlüsseln nach installierter Leistung, Höhe, Alter und Hersteller)
- Welche Art von Schäden an kritischen Elementen (z.B. Elektrik, elektronische Regelungseinheiten, Sensoren, Hydraulikanlagen, Windrichtungsnachführung, Rotornabe, mechanischer Bremse, Rotorblättern, Getriebe, Generator, Gehäuse, Antriebsstange und Fundament) sind an welchen Windindustrieanlagen in NRW in den Jahren von 2015 bis 2020 entstanden? (Bitte aufschlüsseln nach installierter Leistung, Höhe, Alter und Hersteller)
- Welche Art von Sekundärschäden sind in den Jahren von 2015 bis 2020 durch Windindustrieanlagen in NRW entstanden? (z.B. Austritt von Schadstoffen, Splitter und Faserverteilung auf Flächen, Infrastruktureinrichtungen, Privateigentumsschäden etc.)
- Wie hoch waren in den Jahren von 2015 bis 2020 die Gesamtschadens-kosten, die durch Havarien von Windindustrieanlagen in NRW entstanden sind (inkl. Kosten für Sekundärschäden, exklusive Kosten für Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW und Polizei)?
- Wurden in den Jahren von 2015 bis 2020 Betreiber von Windindustrieanlagen bei Ausfall durch Havarie und/oder durch Abschalten eigener, sich in der Nähe befindender Windindustrieanlagen durch das EEG entschädigt? (Falls ja: bitte auch die Entschädigungshöhe nennen)
Christian Loose
1 Vgl. https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Kreis-Hoexter/Hoexter/4105408-Windrad-fackelt-ab-Kritische-Initiative-fordert-Stilllegung-aller-Vestas-Anlagen-wegen-der-fiesen-Fasern-Windradbrand-Feuerwehren-und-Anwohner-gefaehrdet, abgerufen am 28.04.2021 um 10:30 Uhr. Ein Jahr später brannte es im gleichen Windpark erneut. Anwohner wurden gebeten, die Fenster zu schließen. Vgl. https://www.tah.de/newssingle/update-windrad-brennt-kontrolliert, abgerufen am 03.05.2021.
2 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/rotoren-sind-die-schwachstellen-der-windkraftanlagen/, abgerufen am 28.04.2021 um 10:30 Uhr.
3 Vgl. https://www.wn.de/NRW/4133256-Orkantief-Sturm-Victoria-beschaedigt-Windkraftanlage-in-Emsdetten, abgerufen am 28.04.2021 um 10:35 Uhr.
4 Vgl. https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/windpark-obbach-masteranlage-verlor-getriebeoel-art-10368938, abgerufen am 28.04.2021 um 10.35 Uhr.
5 Vgl. https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Kreis-Paderborn/Borchen/3256428-Nach-Windrad-Havarie-koennen-Aecker-seit-Wochen-nicht-genutzt-werden-Ueberall-Splitter-60-Bauern-betroffen, abgerufen am 28.04.2021 um 10.35 Uhr.
6 Vgl. https://dasmaklermagazin.de/2020/05/05/die-derzeit-laufende-energiewende-bietet-fuer-versicherungsmakler-einiges-an-potential/, abgerufen am 28.04.2021 um 10.35 Uhr.
7 Vgl. https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Fluegel-von-Windkraftanlage-abgerissen, abgerufen am 28.04.2021 um 10.40 Uhr.
8 https://www.24vest.de/haltern/haltern-windrad-verliert-einen-fluegel-strasse-gesperrt-13668848.html, abgerufen am 28.04.2021 um 10:45 Uhr.
9 Vgl. https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/wenn-ein-windrad-brennt-gibt-es-keine-rettung-art-8809946, abgerufen am 28.04.2021 um 10:45 Uhr.
10 Vgl. https://www.vdtuev.de/pressemitteilungen/sicherheitskontrolle-windenergieanlagen, abgerufen am 28.04.2021 um 10:50 Uhr.
11 Vgl. https://www.welt.de/wirtschaft/article176699938/Windkraft-TUEV-sieht-in-den-Anlagen-tickende-Zeitbomben.html, abgerufen am 28.04.2021 um 10:50 Uhr.
12 Vgl. https://www.neue-woche.com/startseite/wie-gefaehrlich-sind-windraeder/, abgerufen am 28.04.2021 um 10:50 Uhr.
13 Vgl. https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/gefahr-durch-windraeder-besseres-sicherheitskonzept-tuev-verband-feuerwehren-gefordert-11802400.html, abgerufen am 28.04.2021 um 10:50 Uhr.
14 Vgl. https://www.westfalenwind.de/geringe-eintrittswahrscheinlichkeit-fuer-haftpflichtschaeden-an-windkraftanlagen/, abgerufen am 28.04.2021 um 10:55 Uhr.
15 Vgl. https://www.wiwo.de/technologie/green/sicherheitsrisiko-fuer-menschen-und-umwelt-es-mangelt-an-unfall-statistiken-ueber-windraeder/24036034.html, abgerufen am 28.04.2021 um 10:55 Uhr.
Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 5324 mit Schreiben vom 14. Juni namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Landesregierung ist keine aktuelle, quantitative Datenbasis bekannt, die Schadensfälle an Windenergieanlagen (WEA) systematisch und fundiert erfasst. Die Sicherheit von WEA wird während des Betriebes regelmäßig durch eine Kombination von Fernüberwachung, Inspektio-nen,Wartungen und wiederkehrenden Prüfungen als Auflage aus dem Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) kontrolliert. Parallel hierzu erfolgen wiederkehrende Prüfungen an der WEA u.a. gemäß den Vorgaben der Richtlinie für Windenergieanlagen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt-Richtlinie) und der Betriebssi-cherheitsverordnung (BetrSichV) durch unabhängige Sachverständige bzw. zugelassene Überwachungsstellen.
Trotzdem kann es wie bei jeder anderen technischen Anlage auch beim Bau und Betrieb von Windenergieanlagen grundsätzlich zu Zwischenfällen kommen. Der Betrieb und damit verbundene Risiken werden üblicherweise durch eine sogenannte Betreiberhaftpflichtversicherung für Risiken Dritter abgesichert. Diese deckt Personen- und Sachschäden etwa durch Brände, Havarien, den Austritt von Betriebsstoffen und Eiswurf ab. Bei einer Deckungssumme von 5 Millionen Euro liegt der Haftpflichtversicherungsbeitrag für eine Windenergieanlage in Deutschland bei lediglich 50-100 Euro pro Jahr.
- Wie viele Windindustrieanlagen in NRW sind mit einer eigenen Löschvorrichtung ausgerüstet? (Bitte aufschlüsseln nach installierter Leistung, Höhe, Alter und Hersteller)
Bei Windenergieanlagen mit mehr als 30 m Höhe handelt es sich um Große Sonderbauten gemäß § 50 Absatz 2 Landesbauordnung (BauO NRW 2018), bei denen mit den Bauvorlagen ein Brandschutzkonzept bei der Genehmigungsbehörde einzureichen ist (§ 70 Absatz 2 Satz 3 BauO NRW 2018). Einzelheiten ergeben sich aus § 9 der Verordnung über bautechnische Prüfungen vom 6. Dezember 1995, die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 10. Dezember 2018 (GV. NRW. 2018 S. 669) geändert wurde. Windenergieanlagen müssen so beschaffen sein, dass der Entstehung eines Brandes der Anlage und der Brandweiterleitung auf die Umgebung (Gebäude, bauliche Anlagen und Wald) vorgebeugt wird. Dies wird in der Regel durch Wahrung der geltenden Abstandsregelungen erreicht.
Soweit besondere Standort- oder Risikofaktoren im Einzelfall erkennbar sind, wie dies regelmäßig bei Anlagen im Wald oder in der Nähe des Waldes anzunehmen ist, sind neben den regelmäßig zu beachtenden Anforderungen (z.B. Blitzschutzanlagen, Wartung und Instandhaltung) weitere geeignete Vorkehrungen zu treffen, wie beispielsweise die Vorhaltung selbsttätiger Feuerlöschanlagen. Darüber hinaus liegen der Landesregierung keine weiteren Informationen vor.
- Welche Art von Schäden an kritischen Elementen (z.B. Elektrik, elektronische Regelungseinheiten, Sensoren, Hydraulikanlagen, Windrichtungsnachführung, Ro-tornabe, mechanischer Bremse, Rotorblättern, Getriebe, Generator, Gehäuse, Antriebsstange und Fundament) sind an welchen Windindustrieanlagen in NRW in den Jahren von 2015 bis 2020 entstanden? (Bitte aufschlüsseln nach installierter Leistung, Höhe, Alter und Hersteller)
- Welche Art von Sekundärschäden sind in den Jahren von 2015 bis 2020 durch Windindustrieanlagen in NRW entstanden? (z.B. Austritt von Schadstoffen, Splitter und Faserverteilung auf Flächen, Infrastruktureinrichtungen, Privateigentums-schäden etc.)
- Wie hoch waren in den Jahren von 2015 bis 2020 die Gesamtschadens-kosten, die durch Havarien von Windindustrieanlagen in NRW entstanden sind (inkl. Kosten für Sekundärschäden, exklusive Kosten für Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW und Polizei)?
Die Fragen 2 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Zu diesen Fragen liegen der Landesregierung keine Informationen vor.
- Wurden in den Jahren von 2015 bis 2020 Betreiber von Windindustrieanlagen bei Ausfall durch Havarie und/oder durch Abschalten eigener, sich in der Nähe befindender Windindustrieanlagen durch das EEG entschädigt? (Falls ja: bitte auch die Entschädigungshöhe nennen)
Bei einem Ausfall einer WEA aufgrund von Schäden an der Anlage sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz keine Entschädigung für den Betreiber vor.