Wie ist die Situation der Kavernen und Speicher, die Bürger und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen mit Gas und Öl versorgen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 260
des Abgeordneten Christian Loose vom 02.08.2022

 

Wie ist die Situation der Kavernen und Speicher, die Bürger und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen mit Gas und Öl versorgen?

Momentan ist Deutschland mit reduzierten Gaslieferungen aus Russland konfrontiert. Die Gas­pipeline Nord Stream 1 ist nur mit 20 Prozent der möglichen Kapazität befüllt. Nord Stream 2 wurde nicht in Betrieb genommen.

Es gibt daher Debatten über die Füllstände der Gaskavernen/-speicher und ob diese für den kommenden Winter ausreichen, wenn Russland im Zuge des Ukrainekrieges seine Lieferung endgültig einstellen würde. Wenn der Füllstand zu gering wäre, drohen kalte Wohnungen und der Zusammenbruch der deutschen Industrie, welche auch in NRW stark vom Einsatzstoff Gas abhängig ist.

Zusätzlich gibt es wohl Sorgen bezüglich des Gasspeichers Haidach für Bayern. Dieser liegt nämlich nicht in Bayern, sondern in Österreich. Er ist aktuell nur an das deutsche Gasnetz angeschlossen. Die Regierung der Republik Österreich möchte diesen Speicher jetzt auch direkt an das österreichische Netz anschließen.1 In der Vergangenheit musste Gas aus diesem Speicher via Bayern nach Österreich geliefert werden.

Zu den Eigentümern des Speichers in Haidach gehören die Gazprom-Tochterunternehmen Astora und GSA, RAG Austria sowie die deutsche Wingas.2

Im Falle einer Gasnotlage in Europa bestünde zumindest die theoretische Gefahr, dass jeder Nationalstaat einfach die Kontrolle über die Gasspeicher auf seinem Territorium übernimmt und über dessen Nutzung verfügt, selbst wenn das Gas eigentlich für einen anderen Staat bestimmt ist.

In Nordrhein-Westfalen gibt es den Gasspeicher in Gronau-Epe3. An diesem Standort betreibt u.a. Vattenfall Kavernen. An dem Standort werden auch Ölkavernen betrieben.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Aus welchen Gas- und Ölkavernen/-speichern werden Verbraucher in NRW beliefert? Ich bitte um eine Nennung der Standorte einschließlich möglicher Speicher im grenz­nahen Ausland, deren Speicherkapazität, Einspeicherleistung, Ausspeicherleistung, deren Eigentümerstruktur bzw. Betreiberstruktur und der Gasbeschaffenheit.
  2. Wo genau befinden sich in Nordrhein-Westfalen Kavernen (Speicher) für Gas und Öl?
  3. Wie sind die Füllstände der in den Frage 1 und 2 abgefragten Gas- und Ölspeicher am 31. Juli 2022?
  4. Welchen Füllgrad erachtet die Landesregierung zum 01. Oktober 2022 06.00 Uhr (Start des Gaswirtschaftsjahres) als erforderlich, um Haushalte und Industrie in NRW über den Winter ausreichend mit Gas versorgen zu können?
  5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um sicherzustellen, dass diese Kavernen und Speicher ausreichend mit Gas für den anstehenden Winter gefüllt sind und NRW über diese Speicherreserven dann auch verfügen kann?

Christian Loose

 

Anfrage als PDF

 

1 https://www.br.de/nachrichten/bayern/gasspeicher-haidach-in-oesterreich-markus-soeders-sorge,TCbiKuk abgerufen am 27.07.2022

2 https://www.spiegel.de/wirtschaft/gazprom-verliert-zugriff-oesterreich-laesst-gas-speicher-haidach-befuellen-a-80cef181-dccf-48b1-81b7-b9a622c7f5cb abgerufen am 28.07.2022

3 https://group.vattenfall.com/de/energie/gas/epe-gasspeicher abgerufen am 27.07.2022

4 https://group.vattenfall.com/de/energie/gas/epe-gasspeicher abgerufen am 28.07.2022


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 260 mit Schreiben vom 24. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Gasversorgungsnetz in Deutschland ist sehr dicht gespannt und umfassend in das europäische Gasnetz eingebunden. Deutschland ist hier eine zentrale Gas-Drehscheibe und daher auch für die europäische Gasversorgungssicherheit von wesentlicher Bedeutung. Im

hydraulisch        verbundenen        europäischen         Gasnetz       werden                          bereits                  alle
Gasversorgungsprozesse und die zugehörigen Sicherheitsfragen europäisch gedacht. Dazu gehört auch ein Solidaritätsmechanismus angrenzender Mitgliedstaaten bei einer Gasmangellage und die Erstellung nationaler, aber mit der EU-KOM abgestimmter Präventions- und Notfallpläne (hieraus resultieren z. B. auch die Einordnung in Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe). Folgerichtig wird seitens des federführend für die Gasversorgungssicherheit in Deutschland zuständigen Bundes auch regelmäßig – seit Ausrufung der Alarmstufe weiter intensiviert – der Austausch zwischen dem Bund und den europäischen Mitgliedsstaaten sowie der EU-KOM über konkrete Fragestellungen rund um die Gasversorgungssicherheit geführt.

Die gegenwärtige Gasmangellage hat eine bundesweite und auch europäische Dimension, was aus Sicht der Landesregierung ein bundesweit einheitliches und in die verankerten europäischen Gasversorgungssicherheitsmaßnahmen eingebettetes Vorgehen erfordert.

Ein Teil der nationalen Erdölreserve wird auch in Nordrhein-Westfalen entsprechend dem

Gesetz        über        die        Bevorratung         mit          Erdöl       und                   Erdölerzeugnissen
(Erdölbevorratungsgesetz – ErdölBevG) vorgehalten. Die Erfüllung der gesetzlichen Bevorratungspflicht obliegt dem Erdölbevorratungsverband (EBV) als bundesunmittelbare rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Hamburg. Aufgabe des EBV ist es, Vorräte an Erdöl und Erdölerzeugnissen (Benzin, Dieselkraftstoff, Heizöl EL und Flugturbinenkraftstoff [Kerosin]) im Umfang von mindestens 90 Tagen der entsprechenden Nettoimporte von Rohöl und Mineralölprodukten bezogen auf das vorangegangene Jahr und ausgedrückt in Rohöläquivalenten zu halten. Im Krisenfall ist ein Ausgleich zwischen den fünf Versorgungsregionen (Nordrhein-Westfalen ist Teil der Versorgungsregion Nord-West) innerhalb der Bundesrepublik ebenso möglich wie ein Ausgleich auf internationaler Ebene, mit der die Erfüllung deutscher Verpflichtungen zum internationalen Versorgungsausgleich gemäß den vertraglichen Vereinbarungen mit der Internationalen Energieagentur (IEA) gewährleistet wird. Federführend zuständig für die Freigabe von Beständen der deutschen Erdölreserve ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

3          https://group.vattenfall.com/de/energie/gas/epe-gasspeicher abgerufen am 27.07.2022

4          https://group.vattenfall.com/de/energie/gas/epe-gasspeicher abgerufen am 28.07.2022

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN – 18. Wahlperiode                                                                                                                                                         Drucksache 18/656

  1. Aus welchen Gas- und Ölkavernen/-speichern werden Verbraucher in NRW beliefert? Ich bitte um eine Nennung der Standorte einschließlich möglicher Speicher im grenznahen Ausland, deren Speicherkapazität, Einspeicherleistung, Ausspeicherleistung, deren Eigentümerstruktur bzw. Betreiberstruktur und der Gasbeschaffenheit.
  2. Wo genau befinden sich in Nordrhein-Westfalen Kavernen (Speicher) für Gas und Öl?

Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Wie bereits in der Vorbemerkung dargelegt, ist eine bundesländerspezifische Sicht auf die jeweilige Gasversorgungssituation eines Bundeslandes in dem hydraulisch verbundenen europäischen Gasversorgungssystem nicht zielführend.

Dies vorausgeschickt, würde ein isolierter Blick auf Nordrhein-Westfalen jedoch ergeben, dass hier das Gasversorgungsnetz besonders dicht gesponnen und unmittelbar an Lieferländer angebunden ist. Darüber hinaus verfügt Nordrhein-Westfalen über eine besonders stark ausgeprägte Gasspeicherinfrastruktur. Aus den oben genannten Gründen wäre es dennoch unzulässig, in dem hydraulischen Gesamtsystem auf eine besonders begünstigte Position Nordrhein-Westfalens im Gesamtversorgungsverbund zu schließen. Vielmehr legt die hydraulische Verbundenheit insbesondere auch den Schluss nahe, dass mit der in Nordrhein-Westfalen vorhandenen Infrastruktur auch Verbrauchergruppen außerhalb Nordrhein-Westfalens versorgt werden.

Die Untergrundspeicher für Erdöl in Nordrhein-Westfalen befinden sich im Münsterland im Raum Ahaus / Gronau-Epe (Kreis Borken) im sogenannten Kavernenfeld Epe. Dort werden fünf Kavernen für die Untergrundspeicherung von Erdöl vorgehalten.

Außerdem sind im Kavernenfeld Epe 51 Kavernen, die als H-Gasspeicher und 25 Kavernen, die als L-Gasspeicher genutzt werden, lokalisiert. Eine Kaverne ist darüber hinaus als Helium-Speicher5 aktiv. In Xanten befinden sich 8 Kavernen, welche als H-Gasspeicher genutzt werden.

Die Daten zu den Untergrundspeichern für Erdgas in NRW sind Anlage 1 zu entnehmen. Die räumliche Lage der Kavernen ist dem Jahresbericht der Bergbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen6 zu entnehmen.

In Belgien, Frankreich und den Niederlanden befinden sich ebenfalls Untergrundspeicher für Erdgas, die mitunter auch für die deutsche Gasversorgung zur Verfügung stehen. Eine Auswahl dieser Untergrundspeicher befindet sich in Anlage 2. Die Daten zu Untergrundspeichern für Erdgas in Europa sind transparent unter https://agsi.gie.eu/ abrufbar.

Informationen zu Lage und Kapazität von Lagereinrichtungen, die Vorräte der nationalen Erdölreserve entsprechend dem Erdölbevorratungsgesetz beinhalten, sind als „Verschlusssachen – nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) eingestuft. Deshalb können hierzu keine genauen Angaben gemacht werden, was auch die Lagerung dieser Vorräte in Untergrundspeichern für Erdöl in Nordrhein-Westfalen betrifft. Für Erdölspeicher im benachbarten Ausland liegen keine Informationen vor.

  1. Wie sind die Füllstände der in den Frage 1 und 2 abgefragten Gas- und Ölspeicher am 31. Juli 2022?

Die Füllstände der Untergrundspeicher für Erdgas in Nordrhein-Westfalen und dem benachbarten Ausland sind Anlage 3 zu entnehmen. Die Füllstände der Untergrundspeicher für Erdgas in Europa sind transparent unter https://agsi.gie.eu/ abrufbar.

Zu den Füllständen der Erdölspeicher in Nordrhein-Westfalen können gemäß Antwort zu den Fragen 1 und 2 keine Aussagen gemacht werden.

  1. Welchen Füllgrad erachtet die Landesregierung zum 01. Oktober 2022 06.00 Uhr (Start des Gaswirtschaftsjahres) als erforderlich, um Haushalte und Industrie in NRW über den Winter ausreichend mit Gas versorgen zu können?

Mit Verabschiedung des Gasspeichergesetzes auf Bundesebene wurden die regulatorischen Voraussetzungen festgelegt, um folgende Speicherfüllstände an bestimmten Stichtagen zu erreichen:

  • September: 75%,
  • Oktober: 85 %,
  • November: 95 % und
  • Februar: 40 %

Die Landesregierung betont seit Jahren gegenüber dem Bund die hohe Bedeutung ausreichend gefüllter Gasspeicher für die Gasversorgungssicherheit in Deutschland und bewertet die o. g. Speicherfüllstandsziele daher als wichtigen Baustein für die Gasversorgungssicherheit im kommenden Herbst und Winter.

Gleichwohl ist absehbar, dass dies alleine nicht reichen dürfte; insbesondere bei weiter niedrigen oder ganz ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland. Es bedarf – worauf auch der Bund zurecht immer wieder hinweist – mit Blick auf die Versorgung mit Gas im kommenden, aber auch im übernächsten Winter weiterer erheblicher Einsparanstrengungen und der Ausweitung der Gasbezüge aus anderen Lieferländern; insbesondere auch von LNG.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um sicherzustellen, dass diese Kavernen und Speicher ausreichend mit Gas für den anstehenden Winter gefüllt sind und NRW über diese Speicherreserven dann auch verfügen kann?

Seit Ausrufung der Frühwarnstufe durch das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK im März ist die Landesregierung in enger Abstimmung mit dem Bund und mit den Marktakteuren. So nimmt Nordrhein-Westfalen vertretend für die westdeutschen Bundesländer an den seit 30. März 2022 stattfindenden Sitzungen des Krisenteams Gas auf Bundesebene teil. Ergänzend tagt seit dem 4. April 2022 das regionale „Krisenteam Gas NRW“ wöchentlich. Die Landesregierung hat also einen sehr genauen Blick auf die Lage und ihre Entwicklung.

Zahlreiche Gesetzesnovellen sowie Gesetzes- und Verordnungsinitiativen wurden angesichts der Eingriffsintensität und der Regelungsauswirkungen auf den Markt sehr zügig unter Mitwirkung der Landesregierung entwickelt. Somit stehen nunmehr zahlreiche Instrumente zur Verfügung, die helfen werden, eine Gasversorgungskrise zu bewältigen. Beispielhaft zu nennen sind die Instrumente zur Stärkung der Gaseinspeicherung, die LNG-Ausbaubeschleunigung, die temporäre Rückkehr von Kohlekraftwerken in den Strommarkt oder auch die Erleichterungen beim industriellen Fuel Switch, welcher auch in der AG Gaseinsparpotenziale in Nordrhein-Westfalen behandelt wird.

Die letztgenannten Instrumente dienen der Reduzierung des Gasverbrauchs. Nicht verbrauchtes Gas kann für den Winter eingespeichert werden und außerdem der Gasverbrauch im Winter reduziert werden. In diesem Zusammenhang unterstützt die Landesregierung auch die BMWK-Kampagne „80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel“ (https://www.energiewechsel.de/) mit der Kampagne „Energiespartipps – Jede Kilowattstunde zählt!“ (https://www.wirtschaft.nrw/energiesparen). Außerdem werden auch in den Liegenschaften der Landesregierung Einsparpotenziale mit Blick auf den Energieverbrauch realisiert und die Beschäftigten hierfür sensibilisiert.

 

Antwort samt Anlage als PDF

Beteiligte:
Christian Loose