Wie sicher sind medizinische Implantate? Qualität evaluieren und die Sicherheit für den Patienten verbessern.

Antrag
vom 04.12.2018

Antragder AfD-Fraktion vom 04.12.2018

 

Wie sicher sind medizinische Implantate?
Qualität evaluieren und die Sicherheit für den Patienten verbessern.

I. Ausgangslage

Das Projekt „The Implant Files“ hat Weltweit für Schlagzeilen gesorgt. An dem Projekt beteiligt war ein Netzwerk aus mehr als 250 Journalisten von knapp 60 verschiedenen Medien aus 36 Ländern; in Deutschland unter anderem der NDR, der WDR und die Süddeutsche Zeitung.

Unter der Fragestellung, wie sicher Medizinprodukte wie Herzschrittmacher und Implantate tatsächlich sind, kamen erschreckende Fakten zu Tage. Wirbelsäulenprothesen, deren Kunststoffmaterial im Körper zerbröselt, statt anzuwachsen, implantierte Insulinpumpen die versagen oder künstliche Hüftgelenke, die nicht halten, sind nur einige der erschreckenden Ergebnisse.

Den „Implant Files“ genannten Recherchen zufolge sind in Deutschland im vergangenen Jahr 14.034 Fälle gemeldet worden, bei denen es zu Verletzungen, Todesfällen oder anderen Problemen gekommen ist, die im Zusammenhang mit Medizinprodukten stehen könnten. 2016 waren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) noch knapp 12.000 Vorkommnisse angezeigt worden. Die Anzahl der Verdachtsmeldungen steigt seit Jahren, wie die Statistik des BfArM belegt.1 Es ist von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen, sodass womöglich noch sehr viel mehr Menschen betroffen sein könnten. Doch dem BfArM werden davon offensichtlich nur vereinzelt Fälle gemeldet. Das zeigt etwa das Beispiel Brustimplantate: Über 3.000 Implantate mussten im vergangenen Jahr entfernt werden, weil das Gewebe um die Silikonkissen schmerzhaft vernarbt war. Meldungen an das BfArM erfolgten jedoch insgesamt nur 141 Fällen.2

Dabei ist bereits am 25.05.2017 die neue Medizinprodukte-Verordnung der EU in Kraft getreten.3 Drei Jahre haben die Mitgliedsstaaten Zeit, die sogenannte Medical Device Regulation (MDR) verpflichtend umzusetzen. Strengere Vorschriften sollen die Sicherheit für die Patienten erhöhen.

Rund 500 Seiten umfasst die neue EU-Verordnung für Medizinprodukte. Ein neues Klassifizierungssystem, höhere Anforderungen bei der Erstellung von klinischen Daten und verschärfte Anforderungen bei der Zertifizierung von Produkten sind nur einige der neuen Regelungen. Medizinprodukte sollen stärker reguliert und kontrolliert werden, die Vielschichtigkeit der Medizinprodukte-Industrie wird jedoch nicht abgebildet. Einheitliche Regeln lassen sich nur schwer auf unterschiedliche Produkte anwenden. Es resultiert mehr regulatorischer und mehr finanziellem Aufwand für Hersteller, während ein großer Gewinn für die Sicherheit der Patienten jedoch nicht zu erkennen ist.4

Denn noch immer geben die Gesetze viel Interpretationsspielraum her. Zum Beispiel heißt es darin, dass eine Bewertung auf der Basis von „ausreichend“ klinischen Daten erfolgen solle. Doch was konkret ausreicht, ist noch vollkommen unklar. Ein flächendeckender standartisierter Bewertungs- und Erfassungsprozess ist bisweilen nicht vorgesehen.

Beim eigentlichen Zulassungsprozess von Medizinprodukten wie Implantaten oder Herzschrittmachern ist das BfArM außen vor. Erst nachdem das Produkt auf dem Markt ist und Verdachtsmeldungen zu Medizinprodukten eintreffen, wird das BfArM involviert. Erfolgt eine Meldung, wird der Fall geprüft und eine Risikobewertung des Produkts durchgeführt. Dieses wird im Folgenden mit einer Empfehlung versehen. Die Zuständigkeiten entsprechende Maßnahmen zu überwachen oder anzuordnen liegen bei den Landesbehörden, wenn der Hersteller sie nicht in eigener Verantwortung umsetzt. Allerdings ist die Landesbehörde nicht an die Risikobewertung und Empfehlung des BfArM gebunden. Das BfArM selbst wiederum hat gegenüber dem Hersteller keine Befugnis, weitere Schritte anzuordnen.5

Dies lässt erkennen, dass die Zuständigkeiten keiner klaren Ordnungshierarchie unterliegen und die Effizienz dieses Systems nicht als ausreichend erachtet werden kann, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit für den Patienten zu garantieren. Auch gibt es aufgrund unklarer gesetzlich formulierter Vorschriften die Möglichkeit, medizinische Implantate ohne vorheriger Langzeitstudien auf den Markt zu bringen.

Es bedarf eines strukturierten Registers einer unabhängigen Zulassungsprüfungsstelle. So war der Aufbau eines Implantatregisters bereits Bestandteil des Koalitionsvertrages der großen Koalition in der 18 Legislaturperiode des deutschen Bundestages,6 eine Umsetzung hat jedoch bis heute nicht stattgefunden. Nordrhein Westfalen ist hier in der Pflicht zum Wohle des Patienten.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. eine unabhängige Zulassungs-Prüfungsstelle für Medizinprodukte beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales einzurichten.

2. eine Anlaufstelle in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für Patienten und Ärzteschaft in Nordrhein Westfalen zur Erfüllung der Kernaufgaben zu schaffen.

3. eine Evaluierung aller eingesetzten Implantate in Nordrhein-Westfalen anhand der vorhandenen Daten mit dem Schwerpunkt auf Verträglichkeit und Haltbarkeit durchzuführen.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte; Anzahl der Risikomeldungen, Stand 26.11.2018

2 https://www.tagesschau.de/inland/implantfiles/implantfiles-103.html

3 Verordnung (EU) 2017/745

4 Neue EU-Verordnung für Medizinprodukte: Mehr Überwachung und mehr Bürokratie bedeutet das auch mehr Sicherheit? – Medscape – 1. Feb 2017.

5 Die „Implant Files“: Schädigungen und Todesfälle durch fehlerhafte Medizinprodukte – was ist faul am Zulassungsprozess? – Medscape – 28. Nov 2018.

6 https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf Punkt 2.4