Wurden vor dem Hintergrund des Migrationsstroms über die sogenannte „Balkanroute“ die Asylbewerber aus dem Westbalkan selbst aus dem Blick verloren?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 814
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 23.11.2022

Wurden vor dem Hintergrund des Migrationsstroms über die sogenannte „Balkanroute“ die Asylbewerber aus dem Westbalkan selbst aus dem Blick verloren?

Wie aus einem Bericht der WAZ vom 23. Oktober 2022 hervorgeht, ist in Gelsenkirchen aktuell ein stark gestiegener Zuzug aus den Balkanländern zu verzeichnen.1 Gemeint sind hierbei Zuzüge aus den Westbalkanstaaten Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Nordmazedonien.

Bürgern der genannten Staaten bietet sich u.a. mit der Westbalkanregelung die Möglichkeit der legalen Arbeitsaufnahme in Deutschland. Die wichtigsten Voraussetzungen sind in diesem Zusammenhang ein verbindliches Arbeitsplatzangebot von einem Arbeitgeber in Deutschland und ein entsprechendes Visum. Zum Schutz vor einem möglichen Missbrauch der Regelung dürfen die Antragsteller in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen haben.2 Darüber hinaus gibt es beispielsweise über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder die Blaue Karte EU weitere Möglichkeiten der legalen Arbeitsaufnahme in der EU.

Zu rein touristischen Zwecken ist die Einreise in die Schengen-Staaten – zu einem Aufenthalt von bis zu 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen – dagegen auch ohne Schengen-Visum möglich. Diese Möglichkeit wird oftmals zur Asylantragstellung „zweckentfremdet“. Da die Anerkennungsquote aus den aufgeführten Staaten gegen Null tendiert, sind diese gem. § 29a Asylgesetz (AsylG) als sogenannte sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Zudem ist gem. § 30a AsylG ein beschleunigtes Asylverfahren vorgesehen.

Aus dem aufgeführten Bericht der WAZ geht hervor, dass Gelsenkirchen derzeit von einem stark gestiegenen Zuzug aus den Balkanländern betroffen ist, darunter viele Menschen aus den Westbalkanstaaten, die einen Asylantrag stellen. Wie die dortige Sozialdezernentin berichtet, handele es sich seit dem 1. Juli bis zum 1. Oktober um insgesamt 137 Menschen, die alleine in Gelsenkirchen aufgenommen wurden.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Asylanträge wurden in den Jahren 2020, 2021 und bisher im Jahre 2022 von Menschen aus den Westbalkanstaaten in NRW gestellt? (Bitte nach Staat, Jahr und Anzahl der Asylanträge differenziert listen)
  2. Wie viele dieser Asylanträge wurden in den Jahren 2020, 2021 und bisher im Jahre 2022 anerkannt? (Bitte nach Staat, Jahr und Anzahl der anerkannten Asylanträge differenziert listen und die jeweilige Schutzquote nennen)
  3. Wie viele Abschiebungen bzw. ggf. Dublin-Rücküberstellungen von Staatsangehörigen der Westbalkanstaaten aus NRW in ihre jeweiligen Herkunftsländer gab es in den Jahren 2020, 2021 und bisher im Jahre 2022?
  4. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung zukünftig der Umgehung regulärer und legaler Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme in Deutschland durch Staatsangehörige der Westbalkanstaaten in Form einer – von wenigen Ausnahmen abgesehenen – „Zweckentfremdung“ des Asylrechts entgegenwirken?
  5. In welcher Form wird die Landesregierung – zur Unterstützung der Kommunen – zukünftig landesseitig zur besseren und schnelleren Umsetzung von § 29a i.V.m. § 30a des AsylG, sprich zur beschleunigten Rückführung, beitragen?

Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. htt p s : / /www. W a z.de/staedte/ g e l s e n k i r c h e n /gelsenkirchen-zuzug-aus- b a l k a n – bereitet-stadt-sorgen-id 236 711 703 .h t m l ?

2 Vgl. htt p s : / / www. A r b e i t s a g e n t u r .de/vor-ort/zav/ w e s t b a l k a n -regelung /west balkan regelung – deutsch


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 814 mit Schreiben vom 21. Dezember 2022 namens der Landesregierung be­antwortet.

  1. Wie viele Asylanträge wurden in den Jahren 2020, 2021 und bisher im Jahre 2022 von Menschen aus den Westbalkanstaaten in NRW gestellt? (Bitte nach Staat, Jahr und Anzahl der Asylanträge differenziert listen)
  2. Wie viele dieser Asylanträge wurden in den Jahren 2020, 2021 und bisher im Jahre 2022 anerkannt? (Bitte nach Staat, Jahr und Anzahl der anerkannten Asylanträge differenziert listen und die jeweilige Schutzquote nennen)

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs mit folgenden Tabellen ge­meinsam beantwortet:

 

2020
Anträge Entscheidun- gen Anerkennun- gen Schutzquote
Albanien 344 419 4 1,0 %
Bosnien und Herzegowina 91 89 5 5,6 %
Kosovo 184 225 5 2,2 %
Montenegro 6 8 0 0,0 %
Nordmazedo- nien 363 355 1 0,3 %
Serbien 447 434 0 0,0 %

 

2021
Anträge Entscheidun- gen Anerkennun- gen Schutzquote
Albanien 695 585 5 0,9 %
Bosnien und Herzegowina 288 210 1 0,5 %
Kosovo 105 136 3 2,2 %
Montenegro 28 11 0 0,0 %
Nordmazedo- nien 1.389 1.125 1 0,1 %
Serbien 522 486 3 0,6 %

 

2022 (bis November)
Anträge Entscheidun- gen Anerkennun- gen Schutzquote
Albanien 646 755 8 1,1 %
Bosnien und Herzegowina 230 296 1 0,3 %
Kosovo 129 121 2 1,7 %
Montenegro 9 21 0 0,0 %
Nordmazedo- nien 1.250 1.304 3 0,2 %
Serbien 717 782 4 0,5 %

 

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Schutzquote wurde anhand der von dort übermittelten Zahlen errechnet.

  1. Wie viele Abschiebungen bzw. ggf. Dublin-Rücküberstellungen von Staatsange­hörigen der Westbalkanstaaten aus NRW in ihre jeweiligen Herkunftsländer gab es in den Jahren 2020, 2021 und bisher im Jahre 2022?

Anzahl der durchgeführten Rückführungen und Dublin-Überstellungen von Staatsangehörigen der Westbalkan-Staaten seit 2020 bis zum Stichtag 31.10.2022:

 

2020 2021 2022 (Stand 31.10.2022)
1.019 981 597

 

Quelle: Bundespolizeistatistik

  1. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung zukünftig der Umgehung re­gulärer und legaler Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme in Deutschland durch Staatsangehörige der Westbalkanstaaten in Form einer – von wenigen Ausnah­men abgesehenen – „Zweckentfremdung“ des Asylrechts entgegenwirken?

Die bundesgesetzliche Regelung des § 26 Abs. 2 BeschV ermöglicht Angehörigen der West­balkanstaaten unabhängig von ihren beruflichen Qualifikationen bereits die legale Er­werbsmigration in das Bundesgebiet.

  1. In welcher Form wird die Landesregierung – zur Unterstützung der Kommunen – zukünftig landesseitig zur besseren und schnelleren Umsetzung von § 29a i.V.m. § 30a des AsylG, sprich zur beschleunigten Rückführung, beitragen?

Die für die Aufnahmeeinrichtung ausländerrechtlich zuständige Zentrale Ausländerbehörde prüft nach ablehnender Asylentscheidung des BAMF, ob die Rückführung aus einer Landes-einrichtung in das jeweilige Herkunftsland während der Dauer der Wohnverpflichtung wahr­scheinlich erscheint oder ob eine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise besteht und leitet die entsprechenden Maßnahmen ein. Darüber hinaus gehender Handlungsbedarf wird nicht ge­sehen.

 

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