Kleine Anfrage 1759des Abgeordneten Dr. Christian Blex vom 22.11.2018
Zerstörung von Hochsitzen durch militante Tierrechtler in Nordrhein-Westfalen
Aktuell werden reihenweise Hochsitze mutwillig zerstört, wie mehrere Medien berichteten.1 Aktuell handelt es sich wohl um mindestens 60 Fälle2 bei denen sowohl private Revierinhaber als auch staatliche Reviere betroffen sind. Der Sachschaden beträgt bisher ca. 30.000 €, für den in den staatlichen Revieren im Endeffekt der Steuerzahler aufkommen muss.
Dabei ist das Vorgehen der oder des Täters höchst professionell. Die Hochsitze werden nicht nur angesägt, sondern sogar Metallstangen werden in kleine Stücke geschnitten, sodass ein vollständiger Wiederaufbau notwendig wäre.3 Teilweise wurden die Hochsitze auch in Brand gesteckt, oder so angesägt, dass beim Besteigen durch den Jäger die Konstruktion zusammen fallen sollte. Dies wäre unter Umständen strafrechtlich auch jenseits der Sachbeschädigung relevant.
Die Kreisjägerschaft geht bei den Taten von einem politischen Motiv aus und überlegt, eine Belohnung auszusetzen.
Die steigende Militanz und Gewaltbereitschaft von vermeintlichen Umwelt-Aktivisten hat sich nicht nur im Hambacher Forst gezeigt, sondern äußert sich auch in diesem Fall, bei dem Menschen bewusst gefährdet werden. Besonders makaber ist die Tatsache, dass Anleitungen zur Sabotage an Hochsitzen offen im Internet einzusehen sind und es den Verfassern offenbar noch Vergnügen bereitet.4
Vor dem Hintergrund des drohenden Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest ist eine sichere und ordnungsgemäße Jagd auf Wildschweine zur Reduzierung der Bestände und damit Prävention enorm wichtig. Durch die Sabotageakte wird dieses wichtige Ziel, welches auch dem Tierschutz dient, von den militanten Tierrechtlern unterminiert.
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Wie viele Fälle von Sachbeschädigung an Hochsitzen hat es in Nordrhein-Westfalen in den letzten fünf Jahren gegeben? (Bitte aufschlüsseln nach Ort und Jahr.)
2. Werden die oben genannten Fälle in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik unter dem Motivbereich der politisch motivierten Kriminalität „Tierschutz/ Tierrecht/ Jagd“ aufgenommen werden?
3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Personen und Organisationen des militanten Tierschutzes in Nordrhein-Westfalen?
4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über personelle, finanzielle oder organisatorische Überschneidungen zwischen Aktivisten oder Organisationen aus dem Motivbereich „Tierschutz/ Tierrecht/ Jagd“ und der linksextremistischen Szene?
5. Wieso werden keine Personen oder Organisationen aus dem Bereich des militanten Tierschutzes vom Verfassungsschutz beobachtet?
Dr. Christian Blex
1 https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/duisburg-hochsitze-zerstoert-jaeger-100.html
4 https://barrikade.info/Hochsitze-sabotiert-Anleitung-307
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 04.01.2019
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1759 mit Schreiben vom 4. Januar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
1. Wie viele Fälle von Sachbeschädigung an Hochsitzen hat es in Nordrhein-Westfalen in den letzten fünf Jahren gegeben? (Bitte aufschlüsseln nach Ort und Jahr.)
2. Werden die oben genannten Fälle in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik unter dem Motivbereich der politisch motivierten Kriminalität „Tierschutz/ Tierrecht/ Jagd“ aufgenommen werden?
Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet:
Sachbeschädigungen an Hochsitzen werden im Kriminalpolizeilichen Meldedienst „Politisch motivierte Kriminalität“ erfasst, soweit eine politische Motivation für die Begehung zugrunde lag. In diesem Fall erfolgt eine Zuordnung zu dem Unterthema „Tierschutz/ Tierrecht/ Jagd“. Diesem Unterthema wurden im Zeitraum 2013 bis 2018 (Stichtag 11.12.2018) insgesamt 188 Straftaten zugeordnet. Eine Einzelauswertung dieser Sachverhalte ergab, dass in 82 der 188 Fälle Hochsitze beschädigt wurden. In diese Auswertung wurden nicht nur Sachbeschädigungen gem. §§ 303, 304 Strafgesetzbuch (StGB) einbezogen, sondern auch Branddelikte. Einzelheiten bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen.
3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Personen und Organisationen des militanten Tierschutzes in Nordrhein-Westfalen?
4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über personelle, finanzielle oder organisatorische Überschneidungen zwischen Aktivisten oder Organisationen aus dem Motivbereich „Tierschutz/ Tierrecht/ Jagd“ und der linksextremistischen Szene?
5. Wieso werden keine Personen oder Organisationen aus dem Bereich des militanten Tierschutzes vom Verfassungsschutz beobachtet?
Die Fragen 3 bis 5 werden gemeinsam beantwortet:
Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, bereits im Vorfeld von konkreten Gefährdungslagen Informationen zu extremistischen Bestrebungen oder Organisationen zu beschaffen, zu sammeln und auszuwerten.
Dazu gehören Aktivitäten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder darauf abzielen, die Amtsführung von Verfassungsorganen des Bundes oder eines Landes ungesetzlich zu beeinflussen. Des Weiteren betrifft dies Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind oder die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht darstellen.
Für die Bestimmung der Aufgaben des Verfassungsschutzes werden die Begriffe „extremistisch“ und „verfassungsfeindlich“ in der Regel synonym benutzt. Die Verfassungsschutzbehörden sprechen vom „politischen Extremismus“ als Sammelbegriff für diejenigen politischen Gesinnungen und Bestrebungen, die unseren demokratischen Verfassungsstaat beziehungsweise seine fundamentalen Werte und Regeln ablehnen. Es geht also um politische Bestrebungen, die sich gegen die wesentlichen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung richten, wie sie das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1952 und 1956 konkretisiert hat.
Das Thema Tierschutz gehört daher grundsätzlich nicht zum Aufgabenkatalog des Verfassungsschutzes, weil es sich um keine politische Bestrebung handelt, die sich gegen die wesentlichen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung richtet. Dies gilt auch, wenn Tierschützer Gewalt anwenden.
In Nordrhein-Westfalen sind bisher keine Anhaltspunkte für Überschneidungen zwischen der linksextremistischen Szene und Aktivisten oder Organisationen der militanten Tierschutz-Szene bekannt geworden.