Zwei neue Flüchtlingsunterkünfte zwischen Solingen und Langenfeld im Naherholungsgebiet – Werden die Anwohner erneut vor vollendete Tatsachen gestellt?

Kleine Anfrage
vom 27.11.2023

Kleine Anfrage 2961

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Zwei neue Flüchtlingsunterkünfte zwischen Solingen und Langenfeld im Naherholungsgebiet Werden die Anwohner erneut vor vollendete Tatsachen gestellt?

Gleich zwei neue Flüchtlingsunterkünfte sollen zwischen Solingen und Langenfeld entstehen. Dabei handelt es sich um eine kommunale Einrichtung am östlichen Ortsausgang Langenfelds mit einem geplanten Baufenster von 34 mal 20 Meter sowie um die derzeitige St. Lukas Klinik in Solingen, die noch im Jahr 2023 schließen soll.

Die Grünfläche zwischen den beiden geplanten Einrichtungen wird derzeit von den Bürgern zur Naherholung oder auch für sportliche Aktivitäten genutzt. In diesem Bereich finden sich ein Ausflugslokal, ein großer Kinderspielplatz sowie ein Pferdehof. Zwischen der St. Lukas-Klinik und dem Stadtkern Solingens befinden sich zwei Friedhöfe und ein Seniorenheim. Die geplante kommunale Einrichtung in Langenfeld befindet sich zwar am Ortsausgang in einem Industriegebiet, die dichtere Wohnbebauung beginnt allerdings bereits in 800 m Entfernung, eine Grundschule, ein Kindergarten und ein Sportverein befinden sich in ca. 1,3 km Entfernung. In 900 m Entfernung befindet sich mit dem Richrather See ein weiteres Naherholungsgebiet. Direkt westlich und nördlich der St.-Lukas-Klinik befindet sich zudem ein Naturschutzgebiet.

Betroffen von den beiden Einrichtungen wären folglich insbesondere Kinder und Senioren sowie Bürger, die das Naherholungsgebiet bzw. das Naturschutzgebiet nutzen möchten, beispielsweise als Joggingstrecke oder auch für einen Spaziergang mit dem Hund.

Neben dem Viehbach, einem Gewässer im Norden, welches sich in einem Landschaftsschutzgebiet und zugleich in der Wasserschutzzone „Hilden-Karnap“ befindet, verläuft nach unseren Informationen direkt unter dem anvisierten Grundstück in Langenfeld eine Fernöl- und Ferngasleitung. Dieser Umstand wurde – so man der kommunalen Vorlage folgt – bisher wohl nicht berücksichtigt. Hier stellt sich die Frage, ob eine Versiegelung der Fläche mit anschließender Bebauung überhaupt ratsam ist. Momentan befindet sich dort ein Acker.

Gemäß dem Arbeitsblatt G 600 des Deutschen Vereins Gas- und Wasserfachs (auch als Technische Regel für Gasinstallationen bekannt) ist im Kapitel II (Leitungsanlage) im Absatz 5.3 vermerkt: Die Leitungsführung verdeckt verlegter Leitungen ist zu dokumentieren.

Weitere Anmerkungen zu erdverlegten Leitungen finden sich im Absatz 5.3.1.2. Dort heißt es: „Erdverlegte Leitungen dürfen nicht überbaut werden, sofern keine weiteren Schutzmaßnahmen (z.B. Mantelrohr) ergriffen werden. Soweit im Ausnahmefall die Leitungen unter nicht unterkellerten Teilen eines Gebäudes geführt werden, sind sie sinngemäß nach dem DVGW-Arbeitsblatt G459-1 zu verlegen.“ In Absatz 5.3.1.3 heißt es dann: „Erdverlegte Leitungen sind einzumessen und in Bestandsplänen festzuhalten.“

Insbesondere bei der Fernölleitung stellt sich die Frage, wie bei einer Überbauung mit möglichen Leckagen umgegangen wird.

Geplant ist explizit ein dauerhafter Bau, im Gegensatz zur meist üblichen Praxis rein temporärer Unterkünfte. Mit der de facto irreversiblen Errichtung wird aus unserer Sicht signalisiert, dass den verantwortlichen Stellen auf Landes- wie auf kommunaler Ebene explizit nicht an einem Absinken der Flüchtlingszahlen gelegen ist.

Da es sich zudem um eine Mischbebauung (Gewerbegebiet/Wohngebiet) handelt, stellt sich die Frage, inwiefern in konkretem Fall eine Sonderregelung im Baugesetzbuch (BauGB) in Anspruch genommen wird. Danach kann bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Es stellt sich die Frage, ob diese nachbarschaftlichen Interessen genügend gewürdigt wurden. Betroffen sind nicht nur angrenzende Industrieunternehmen und Wohnhäuser, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft auch eine Hundepension.

In Solingen dagegen soll die derzeitige St. Lukas Klinik zukünftig wohl nicht als kommunale, sondern als Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes umfunktioniert werden.1 In der Rheinischen Post ist die Rede von diesbezüglichen Gesprächen mit dem Land NRW. Im Zusammenhang mit der Schließung der Klinik gibt es eh bereits großen Unmut unter den Anwohnern und in den Reihen der Kommunalpolitik.

Statt einer Nachnutzung beispielsweise für Seniorenwohnungen in ruhiger Umgebung sollen auch an diesem Standort jetzt wohl Asylsuchende unterkommen. Da sich das Projekt noch in einem frühen Stadium befindet, wäre eine umfassende Bürgerbeteiligung von Seiten der Landes- bzw. Bezirksregierung angemessen. Damit ist ausdrücklich – wie andernorts leider üblich – nicht eine Informationsveranstaltung gemeint, wenn die Verträge mit dem Eigentümer der Immobile bereits in trockenen Tüchern sind.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Planungsstand in Bezug auf die geplante Unterbringungseinrichtung des Landes in der derzeitigen St. Lukas Klinik in Solingen? (Bitte unter Bezugnahme auf die Anzahl der unterzubringenden Personen, die Umbaukosten, die Mietkosten und den weiteren Zeitablauf)
  2. Inwiefern sieht die Landesregierung in der unterhalb der geplanten kommunalen Einrichtung in Langenfeld verlaufenden Fernöl- und Ferngasleitung ein Problem bzw. gar einen möglichen Ausschlussgrund für eine Bebauung an diesem Standort?
  3. Wie bewertet die Landesregierung den indirekten Eingriff in das Naherholungsgebiet zwischen den beiden Einrichtungen vor dem Hintergrund, dass dieses Gebiet momentan zur Freizeitgestaltung der Anwohner genutzt wird?
  4. Inwiefern berücksichtigt die Landesregierung bei den weiteren Vertragsverhandlungen die unmittelbare Nachbarschaft der geplanten Zentralen Unterbringungseinrichtung in der St. Lukas-Klinik in Solingen mit Senioren-Wohnanlagen, also folglich die Befindlichkeiten älterer Mitbürger?
  5. Wie auch andernorts befinden sich im Umfeld der geplanten Unterbringungseinrichtung in Langenfeld zahlreiche Industriebetriebe. Inwiefern unterstützt die Landesregierung die betroffenen Betriebe, wenn sich durch Unterbringungseinrichtungen ein zusätzlicher Aufwand ergeben sollte – beispielsweise durch die Notwendigkeit verstärkter Sicherheitsmaßnahmen?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-7002

 

1 Vgl. https://rp-online.de/nrw/staedte/solingen/kommen-fluechtlinge-ins-st-lukas-krankenhaus-solingen_aid-101544315 und https://rp-online.de/nrw/staedte/solingen/stadt-solingen-will-lukas-klinik-notfalls-mit-zwang-aufhalten_aid-101171169


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2961 mit Schreiben vom 21. Dezember 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Planungsstand in Bezug auf die geplante Unterbringungsein­richtung des Landes in der derzeitigen St. Lukas Klinik in Solingen? (Bitte unter Bezugnahme auf die Anzahl der unterzubringenden Personen, die Umbaukosten, die Mietkosten und den weiteren Zeitablauf)

Aufgrund der aktuellen Zugangslage und der daraus resultierenden Kapazitätssituation führt die Bezirksregierung Düsseldorf mit zahlreichen Kommunen und Liegenschaftseigentümern im Regierungsbezirk Gespräche zu potenziellen Unterkünften für geflüchtete Menschen.

Es haben Gespräche zur weiteren Nutzung der St. Lukas Klinik in Solingen durch das Land stattgefunden. Die bisherigen Informationen hinsichtlich eines möglichen Projekts in dieser Lie­genschaft sind noch rudimentär, so dass zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Aussagen zur Per­spektive gemacht werden können.

  1. Inwiefern sieht die Landesregierung in der unterhalb der geplanten kommunalen Einrichtung in Langenfeld verlaufenden Fernöl- und Ferngasleitung ein Problem bzw. gar einen möglichen Ausschlussgrund für eine Bebauung an diesem Stand­ort?

Da es sich bei der Einrichtung in Langenfeld um eine kommunale Einrichtung handeln würde, kann die Frage nicht beantwortet werden.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den indirekten Eingriff in das Naherholungsge­biet zwischen den beiden Einrichtungen vor dem Hintergrund, dass dieses Gebiet momentan zur Freizeitgestaltung der Anwohner genutzt wird?

Selbst wenn es zu einer Realisierung des Projekts und damit zu der Nutzung der St. Lukas Klinik als Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes für Geflüchtete käme, könnte das Naherholungsgebiet weiterhin von Anwohnerinnen und Anwohnern uneingeschränkt zur Frei­zeitgestaltung genutzt werden.

  1. Inwiefern berücksichtigt die Landesregierung bei den weiteren Vertragsverhand­lungen die unmittelbare Nachbarschaft der geplanten Zentralen Unterbringungs­einrichtung in der St. Lukas-Klinik in Solingen mit Senioren-Wohnanlagen, also folglich die Befindlichkeiten älterer Mitbürger?

Bei Gesprächen zur Nutzung einer Liegenschaft als Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes werden die Belange aller Beteiligter berücksichtigt und es wird eine umfassende Ab­wägung aller betroffenen Interessen vorgenommen.

  1. Wie auch andernorts befinden sich im Umfeld der geplanten Unterbringungseinrichtung in Langenfeld zahlreiche Industriebetriebe. Inwiefern unterstützt die Lan­desregierung die betroffenen Betriebe, wenn sich durch Unterbringungseinrich­tungen ein zusätzlicher Aufwand ergeben sollte beispielsweise durch die Not­wendigkeit verstärkter Sicherheitsmaßnahmen?

Sollten sich die Planungen konkretisieren, würden Sicherheitsbelange berücksichtigt und – ge­meinsam mit dem Unternehmen – auch geprüft, ob es hier weiterer Sicherheitsmaßnahmen bedürfte.

 

MMD18-7535