Bei der Landtags-Anhörung zum Salafisten-Präventionsprogramm „Wegweiser“ wurde verschwiegen, dass zwei der geladenen Experten selber für das Programm tätig sind. Tatsächlich neutrale Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung überraschend kritisch. „Bei mir ist das so angekommen, dass es bei Wegweiser nicht um Deideologiesierung, sondern nur darum geht, die Salafisten von Gewalt abzuhalten. Und das ist für mich kein Konzept“, sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Wagner. „Solange wir nicht gegen die Ideologie vorgehen, werden immer mehr Salafisten nachkommen.“
Sollten bei der Sachverständigen-Anhörung zum Salafismus-Präventionsprogramm „Wegweiser“ am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags Öffentlichkeit und Ausschussmitglieder darüber getäuscht werden, dass zwei der insgesamt fünf geladenen Sachverständigen selber für das Programm tätig sind? So wurde der als Sachverständiger benannte Samy Charchira als Mitarbeiter der Universität Osnabrück vorgestellt. Anfang der Woche brachte jedoch ein Medienbericht ans Licht, dass Charchira als Kassierer für „Wegweiser“ in Düsseldorf fungiert. Der ebenfalls als Sachverständige geladene Kenan Kücük wurde als Geschäftsführer eines multikulturellen Vereins aus Lünen vorgestellt. Während der Anhörung aber verplapperte er sich plötzlich mit der Formulierung „Wir bei Wegweiser Dortmund“ und räumte damit ein, ebenfalls für das Programm tätig zu sein.
Damit war es nicht verwunderlich, dass sich Charchira und Kücük nur lobend über „Wegweiser“ äußerten. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Wagner aber hakte nach und sprach davon, dass bei diesem Programm bis heute noch kein einziger erfolgreich abgeschlossener Fall bekannt sei. Sein CDU-Kollege Christof Katzidis schloss sich dieser Stoßrichtung an und wollte ebenfalls wissen, warum Charchira das Programm so gut beurteile. Daraufhin behauptete Samy Charchira, es gebe abgeschlossene Fälle. In Wahrheit aber musste das Landesinnenministerium erfolgreich abgeschlossene Fälle bei „Wegweiser“ erst im Herbst in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage verneinen.
Tatsächlich neutrale Sachverständige wie Marwan Abou-Taam vom LKA Rheinland-Pfalz und Aladin El-Mafaalani von der Fachhochschule Münster hingegen äußerten sich überraschend kritisch. So kritisierte Abou-Taam den Grundgedanken des Präventionsprogrammes, nach dem junge Muslime nur aufgrund von Diskriminierung oder schlechter Bildung für den Salafismus anfällig seien. Abou-Taam verwies auf das hohe Bildungsniveau der 9/11-Attentäter und mahnte an, sich auch mit der Ideologie hinter dem Salafismus auseinanderzusetzen: „Die Personen beziehen sich auf den Islam.“
Auf Nachfrage von Markus Wagner, warum es keine Erkenntnisse über die Wirksamkeit solcher Programme gebe, sagte Abou-Taam, dass in solche Programme viel Geld fließe, aber keine Evaluierung stattfinde. Ebenso wie Aladin El-Mafaalani beklagte er die bei solchen Programmen fehlenden Standards. Auch kritisierten beide Experten, dass nicht erkennbar sei, ob das Ziel solcher Maßnahmen eine Deideologisierung sei oder ob die potentiellen Salafisten lediglich von Gewalt abgehalten werden sollen.
„Bei mir ist das so angekommen, dass es bei Wegweiser nicht um Deideologiesierung geht, sondern nur darum geht, die Salafisten von Gewalt abzuhalten. Und das ist für mich kein Konzept, denn solange wir nicht gegen die Ideologie vorgehen, bewirkt das Programm bestenfalls einen Jo-Jo-Effekt“, lautete das Fazit von Markus Wagner. „Natürlich ist mir bewusst, wie schwierig die Auseinandersetzung mit der Ideologie dahinter ist – denn das ist hier der Islam. Aber ähnlich wie in der Auseinandersetzung mit dem Links- oder Rechtsextremismus müssen wir da ran, weil sonst immer mehr Salafisten nachkommen.“
Eine Grundlage dafür, das Wegweiser-Programm in die Regelfinanzierung des Landtags aufzunehmen, sieht Wagner nicht. „Dem Programm fehlt jede Evaluierung. Und solange es keine Evaluierung gibt, schließt das für mich Regelfinanzierung aus“, sagte der AfD-Fraktionschef. „Solche Fragen stellen sich frühestens, wenn es eine unabhängige Evaluierung und entsprechende wissenschaftliche Begleitung gibt.“ Die Anhörung der Sachverständigen kam auf Wunsch der Grünen zustande, die eine Aufnahme von „Wegweiser“ in die Regelfinanzierung des Landes beantragt haben.