Kleine Anfrage 4100
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Christian Loose AfD
Neue Enthüllungen in Schleuserskandal: CDU-Funktionär soll zusammen mit dem mutmaßlichen Schleuser-Boss eine „unkooperative“ Mitarbeiterin der kommunalen Ausländerbehörde im Rhein-Erft-Kreis „kaltgestellt“ haben – Wer ist der „altgediente“ CDU-Funktionär?
Wie aus aktuellen FOCUS-Online-Recherchen hervorgeht, soll ein bekannter CDU-Politiker aus NRW massiven Druck auf eine Mitarbeiterin einer kommunalen Ausländerbehörde ausgeübt haben.1
Konkret geht es um eine Mitarbeiterin des Ausländeramts im Rhein-Erft-Kreis, die nach eingehender Prüfung die Aufenthaltsgenehmigung für zwei vermögende Investoren aus China verweigert haben soll. Die Geschehnisse werden wie folgt geschildert:
„Die […] Klienten beantragten ein Schengen-Visum als Touristen, das ihnen beispielsweise von den tschechischen Vertretungen in China auch umgehend ausgestellt wurde. Sofort nach der Einreise fuhren die Leute den Ermittlern zufolge weiter nach Deutschland. Dort berief man sich jetzt auf die Paragraphen 18 und 19 des deutschen Aufenthaltsgesetzes, die eine Zuwanderung für besonders qualifizierte Migranten regeln. Den dafür notwendigen Arbeitsvertrag und die Meldeadresse konnten die angeblichen Touristen aufgrund der Vorarbeiten von Rechtsanwalt B. problemlos vorweisen – wodurch ihnen schließlich von einigen Ausländerämtern wie in Rhein-Erft eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wurde. Ein Umstand, de[r] [die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde] offenbar misstrauisch machte. Als die Sachbearbeiterin des Ausländeramtes deshalb 26 „anerkannte“ Chinesen zu einer persönlichen Vorsprache bat, erschien nur einer von ihnen. Der aber habe nicht erklären können, wie seine tägliche Arbeit aussehe.“2
Dieses (korrekte) Vorgehen der Mitarbeiterin der Ausländerbehörde soll zu Unmutsbekundungen beim hauptbeschuldigten Anwalt B. aus Frechen geführt haben. In der Folge richtete er sich am 22. Dezember 2021 per E-Mail an einen „altgedienten Lokalpolitiker“ der CDU. In der E-Mail soll es heißen, dass die Personalie der renitenten „Dame“ vom Amt nun ein für alle Mal geklärt werden müsse. Von der Bundespolizei abgehörte Gespräche sollen angeblich nahelegen, dass sich der CDU-Funktionär für die Interessen des mutmaßlichen Schleuserchefs B. bei der Verwaltungsspitze im Landkreis eingesetzt habe.
Focus Online berichtet von fragwürdigen Kontakten in Parteikreise von SPD, CDU und Grünen. Eingeschleust wurden die Migranten nach derzeitigem Stand über die Ausländerbehörden in Düren, Kerpen, Solingen und dem Rhein-Erft-Kreis. Offen sei bisher die Frage, ob die Beteiligung an den Schleusungen im Einzelfall bewusst oder unbewusst geschah.
Zudem steht der Verdacht im Raum, dass der CDU-Funktionär im Rhein-Erft-Kreis beim Hauptbeschuldigen Frechener Anwalt B. eine „Dankeschön-Spende“ für seine politische Einflussnahme bei der Kreisverwaltung eingeworben haben könnte. Angeblich habe B. der CDU im betroffenen Landkreis in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt 12.500 Euro an Spenden zukommen lassen.
Am 23. Dezember 2021 soll der CDU-Funktionär mit B. über die missliebige Teamleiterin aus dem Ausländeramt gesprochen haben. „Die Mitarbeiterin hatte Kontrollen veranlasst, bei denen die angeblichen Migranten an ihren Meldeadressen nicht angetroffen wurden.“3 Der CDU-Funktionär habe sich in der Folgezeit an die Chefetage des Ausländeramts gewandt, um „den angeblichen Kontrollwahn der Sachbearbeiterin zu beseitigen“. Am 25. Februar 2022 soll es einen Termin mit der Behördenleitung gegeben haben.
Aus weiteren abgehörten Gesprächen des CDU-Funktionärs mit B. soll hervorgehen, dass dieses Vorgehen erfolgreich war und man die Niederlassungserlaubnisse bald abholen könne. Zudem wäre auch die Intervention in Bezug auf die offenbar unerwünschten Kontrollbesuche der Ausländerbehörde bei den eingeschleusten Migranten erfolgreich gewesen.
Kurz darauf soll die Mitarbeiterin der Ausländerbehörden ins Rechnungsprüfungsamt gewechselt sein. Weiter heißt es dann auf Focus Online: „Der Christdemokrat reagierte erleichtert und ergänzte, dass es gute Aussichten für eine vernünftige Nachbesetzung gebe. Anwalt B. bedankte sich für die Unterstützung.“ Berichtet wird zudem, dass am 25. Februar 2022 nicht nur der CDU-Funktionär, sondern auch der mutmaßliche Schleuserboss B. im Ausländeramt vorsprachen. Hierbei soll der Frechener Anwalt seine Sicht der Dinge zu den Aufenthaltsakten seiner chinesischen Kunden erläutern haben.4
Brisant ist die Frage nach der Identität des „altgedienten“ CDU-Funktionärs im Rhein-Erft-Kreis. So gibt es z.B. im CDU-Kreisvorstand zahlreiche aktive Mandatsträger, insbesondere auch im Landtag NRW.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Inwiefern trifft es nach derzeitigem Ermittlungsstand zu, dass der Frechener Anwalt B. über einen (im Artikel nicht benannten) CDU-Funktionär und die Behördenleitung der Ausländerbehörde im Rhein-Erft-Kreis Druck auf die betroffene Mitarbeiterin ausgeübt hat?
- Nach Recherchen von Focus Online soll neben dem Frechener Anwalt B. auch der namentlich nicht benannte CDU-Funktionär direkt bei der Behördenleitung vorgesprochen haben. Was war nach derzeitigem Ermittlungsstand der Inhalt der beiden Gespräche?
- Inwiefern ist es zutreffend, dass die Intervention des Frechener Anwalts B. sowie des namentlich nicht benannten CDU-Funktionärs gegenüber der Behördenleitung im Sinne der Schleuserbande erfolgreich war und somit Einfluss auf das Agieren der betroffenen Mitarbeiterin hatte?
- In welcher Form und insbesondere wann hat das Ministerium für Flucht und Integration in seiner Funktion als höchste Ausländerbehörde der möglichen Einflussnahme entgegengewirkt? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, wann das Ministerium von den geschilderten Vorgängen in Kenntnis gesetzt wurde)
- Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung derzeit vor bezüglich möglicher finanzieller Gegenleistungen aus dem Kreis der Schleuser für ein ‚Entgegenkommen‘ bei den Einschleusungen der Migranten an Mitarbeiter der Ausländerbehörde im Rhein-Erft-Kreis, den nicht benannten CDU-Funktionär bzw. die CDU im Rhein-Erft-Kreis generell?
Enxhi Seli-Zacharias
Christian Loose
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Vgl. ebd.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 4100 mit Schreiben vom 22. August 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
- Inwiefern trifft es nach derzeitigem Ermittlungsstand zu, dass der Frechener Anwalt B. über einen (im Artikel nicht benannten) CDU-Funktionär und die Behördenleitung der Ausländerbehörde im Rhein-Erft-Kreis Druck auf die betroffene Mitarbeiterin ausgeübt hat?
- Nach Recherchen von Focus Online soll neben dem Frechener Anwalt B. auch der namentlich nicht benannte CDU-Funktionär direkt bei der Behördenleitung vorgesprochen haben. Was war nach derzeitigem Ermittlungsstand der Inhalt der beiden Gespräche?
- Inwiefern ist es zutreffend, dass die Intervention des Frechener Anwalts B. sowie des namentlich nicht benannten CDU-Funktionärs gegenüber der Behördenleitung im Sinne der Schleuserbande erfolgreich war und somit Einfluss auf das Agieren der betroffenen Mitarbeiterin hatte?
Zum Schutz der andauernden Ermittlungen wird derzeit von der Mitteilung weiterer Einzelheiten im Sinne der Fragestellungen 1 bis 3 abgesehen. Eine solche Mitteilung könnte die Aussagen in Betracht kommender Zeuginnen und Zeugen sowie die Aussagebereitschaft beschuldigter Personen nicht unwesentlich beeinflussen und Rückschlüsse auf Erkenntnisquellen der Ermittlungsbehörden ermöglichen.
- In welcher Form und insbesondere wann hat das Ministerium für Flucht und Integration in seiner Funktion als höchste Ausländerbehörde der möglichen Einflussnahme entgegengewirkt? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, wann das Ministerium von den geschilderten Vorgängen in Kenntnis gesetzt wurde)
Für ein etwaiges fachaufsichtliches Entgegenwirken durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration als oberste Ausländerbehörde bleibt zwecks Gewährleistung einer einheitlichen Bewertungsgrundlage zu nachweislichen und konkreten Rechtsverstößen der Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten. Ergänzend wird auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage 4017 (Landtagsdrucksache 18/10182) verwiesen.
- Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung derzeit vor bezüglich möglicher finanzieller Gegenleistungen aus dem Kreis der Schleuser für ein ‚Entgegenkommen‘ bei den Einschleusungen der Migranten an Mitarbeiter der Ausländerbehörde im Rhein-Erft-Kreis, den nicht benannten CDU-Funktionär bzw. die CDU im Rhein-Erft- Kreis generell?
Dem Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Düsseldorf vom 15.07.2024 zufolge bestehen nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür, dass Bedienstete der Ausländerbehörde oder ein CDU-Funktionär im Rahmen der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen im Rhein-Erft-Kreis finanzielle Gegenleistungen erhalten haben. Ergänzend wird auf die Antwort der Landesregierung zu den Fragen 1 bis 3 und 5 der Kleinen Anfrage 3837 (Landtagsdrucksache 18/9762) verwiesen.