„Corona-App“: Viele Risiken, wenig Nutzen?

Das „Corona-Kabinett“ will sie: Die Kontaktverfolgung via Handy. Die Technik sei datenschutzfreundlich, die Nutzung freiwillig. Also alles paletti?

Mehrere Fachleute bezweifeln, dass das sogenannte Handy-Tracing bei der Eindämmung der Pandemie wirklich hilft – nicht das einzige Bedenken, das Sie jetzt kennen sollten.

„Zu wem hatten Sie Kontakt?“ Diese Frage stellen Mediziner Infizierten nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die Suche nach Kontaktpersonen und deren vorsorgliche Quarantäne soll die Ausbreitung von infektiösen Krankheiten aufhalten – und am besten geschehe dieser Prozess bald digital.

Kontaktinformationen sollen für drei Wochen auf den Smartphones gespeichert werden. Die vom „Corona-Kabinett“ gewählte Technik sei datenschutzkonform, erfasse keine Bewegungsprofile und verfolge, gottlob, einen „gesamteuropäischen Ansatz“, wie es in der am Mittwoch veröffentlichten Beschlussempfehlung heißt. Noch besser:

Die Nutzung sei freiwillig. Der Virologe Alexander Kekulé ist dennoch kein Freund solcher Ideen:

Es gebe „keine wissenschaftliche Evidenz, dass das was bringt“, stellte er am 30. März im Mitteldeutschen Rundfunk klar. „Es ist keineswegs klar, ob der Erfolg, den diese Länder haben, auf diesen Apps beruht“, sagte er bezogen auf asiatische Nationen mit niedrigen Infektionsverläufen. Kekulé zufolge sammelten diese Anwendungen vor allem eine Unmenge an Daten, „die zu einem großen Teil völlig sinnlos sind“. Der Epidemiologe Gérard Krause gibt ihm recht:

„Wenn wir wissen, wie nah jemand an einer anderen Person war“, hatte er bereits Mitte März im Deutschlandfunk erklärt, „können wir deswegen noch lange nicht schließen, dass sich daraus ein direktes Infektionsrisiko ergibt. Die Infektion findet ja nicht durch räumliche Nähe allein statt, sondern auch durch Schmierinfektion, durch Kontaktinfektionen.“

Neben der Nützlichkeit der Anwendung wird längst auch die „Freiwilligkeit“ hinterfragt:

Die Stiftung Datenschutz weist darauf hin, dass Arbeitgeber durchaus auf die Nutzung der App bestehen könnten. Das mag nicht rechtlich sein. Aber wie viele Arbeitnehmer würden das anfechten?

Nicht zuletzt würde eine digitale Kontaktverfolgung den Gewöhnungseffekt an digitale Überwachung und Kontrolle bedenklich verstärken – vom Missbrauchspotential solch einer Anwendung ganz zu schweigen.

„Natürlich gibt es immer Gründe dafür, mehr Daten sammeln zu wollen und alles noch strenger zu kontrollieren“, kommentiert Dr. Martin Vincentz, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion NRW. „Als Konservativer ist aber die Eigenverantwortlichkeit das Maß aller Dinge.“

„Für mich stehen bei der Corona-App viel zu viele Fragezeichen, was den Nutzen betrifft, einem viel zu großen Risiko für unsere Freiheit gegenüber.“

➡️ zu den Aussagen von Alexander Kekulé: https://bit.ly/3cwmOBj
➡️ zu den Aussagen von Gérard Krause: https://bit.ly/2ymu6Zo

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