Organisierte Kriminalität – Geschäftsmodell der Zwangsversteigerung?

Kleine Anfrage 255
der Abgeordneten Markus Wagner und Carlos Clemens vom 02.08.2022

 

Organisierte Kriminalität Geschäftsmodell der Zwangsversteigerung?

Bereits seit Jahren wird darüber diskutiert, ob es der Organisierten Kriminalität in Deutschland zu leicht gemacht werde, Geld aus illegalen Geschäften in die Legalität zu überführen. Auffällig dabei ist, dass offensichtlich Zwangsversteigerungen von Immobilien als ein probates Mittel genutzt werden. Es handelt sich dabei um ein bundesweites Problem, wie die Ersteigerung eines früheren Grundstücks von Rapmusikinterpret Bushido und A. durch den Abou-Chaker-Clan darlegt. Hier wurden die Immobilien von einem erst 21-jährigen studentischen Alleinbieter für insgesamt 7,4 Millionen Euro ersteigert. Bei diesem Bieter handelt es sich um den Sohn von A.1,2

Die Marler Zeitung berichtete von einem angesetzten Zwangsversteigerungstermin hinsichtlich einer Immobilie, die nach Einschätzung eines Sachverständigen mit 44.000 € in die Versteigerung gehen sollte. Aufgrund der Überfüllung des Gerichtssaals mit potentiellen Bietern wurde der Termin allerdings kurzerhand abgesagt und verschoben. Derartige Zustände seien keine Seltenheit mehr, da „hier eine Klientel mit kurzer Zündschnur auftrete“. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei dem nächsten anvisierten Termin die Organisierte Kriminalität mitbietet und die Immobilie sodann für mindestens 200.000 € verkauft wird, sei sehr hoch.3

Erst im vergangenen Jahr kam es in Leverkusen, Nordrhein-Westfalen, zu einer Razzia gegen Angehörige der Clanfamilie A., die trotz Sozialleistungsbezug in einer Villa residierten. Diese Immobilie hatte zuvor ein mittelloser Sohn der Familie gekauft und an seinen Vater vermietet. Diese Art der Finanzierung spreche für „Geldwäsche in Reinkultur“, wie der leitender Ermittler gegen Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt NRW zu bedenken gab. Der damalige wie aktuelle Innenminister Herbert Reul verkündete nach dem Einsatz, man habe dem ranghohen Clanmitglied „sein Zuhause weggenommen“. Obwohl die Immobilie laut Grundbuch dem Staat übertragen wurde, leben aber auch Monate nach dieser Razzia weiterhin Mitglieder des Clans in der Villa – und das mietfrei.4

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Erkenntnisse hat die nordrhein-westfälische Landesregierung darüber, dass insbesondere Vertreter aus Phänomenbereichen der Organisierten Kriminalität (beispielweise Clankriminalität oder Rockerkriminalität) durch Immobilienverkäufe und bei Zwangsversteigerungen in Nordrhein-Westfalen miteinsteigen, um illegales Vermögen durch Geldwäsche abzusichern?
  2. Wie oft kam es in Nordrhein-Westfalen seit 2015 zu Zwangsversteigerungen von Immobilien? (Bitte nach Jahr und Gemeinde aufschlüsseln.)
  3. Wie oft sind die Objekte wieder konfisziert worden, weil sie aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität erworben wurden?
  4. Wie oft mussten die konfiszierten Objekte wieder zurückgegeben werden?
  5. In welchem Umfang ist der Landesregierung respektive den zuständigen Behörden in Nordrhein-Westfalen bekannt, dass es im Zuge einer Zwangsversteigerung zu Einschüchterungs- bzw. Bedrohungsversuchen anderer Mitbieter durch die Organisierte Kriminalität oder Personen aus dem Umfeld arabischer Großfamilienclans gekommen ist?

Markus Wagner
Carlo Clemens

 

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1 Vgl. https://www.rbb24.de/panorama/beitrag

2 Vgl. https://www.focus.de/panorama/abou-chakers-landen-villen-coup-sogar-das-amtsgericht-wundert-sich_id_107969780.html.

3 Vgl. https://www.marler-zeitung.de/marl/marl-zwangsversteigerung-einer-schrottimmobilie-die-clans-bieten-mit-w1772289-p-9000214971/.

4 Vgl. https://www.t-online.de/region/koeln/news/id_90878232/leverkusen-clan-wohnt-immer-noch-in-villa-und-zahlt-keine-miete.html.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 255 mit Schreiben vom 26. August 2022 im Einvernehmen mit dem Minister des Innern namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Welche Erkenntnisse hat die nordrhein-westfälische Landesregierung darüber, dass insbesondere Vertreter aus Phänomenbereichen der Organisierten Kriminalität (beispielweise Clankriminalität oder Rockerkriminalität) durch Immobilienverkäufe und bei Zwangsversteigerungen in Nordrhein-Westfalen miteinsteigen, um illegales Vermögen durch Geldwäsche abzusichern?

Allgemein ist der Erwerb in Deutschland gelegener Immobilien durch der Organisierten Kriminalität zuzurechnender Personen ein bekanntes Geldwäschephänomen, wobei zu Erwerbshandlungen auch das Zwangsversteigerungsverfahren zählt.

Kriminalpolizeiliche Erkenntnisse belegen, dass Personen mit Bezügen zur Organisierten Kriminalität vereinzelt Immobilien im Wege der Zwangsversteigerung erwerben. Der Immobilienerwerb kann als Anlagestrategie zur Vermögenssicherung und -erweiterung dienen. Der Erwerb kann unter anderem aber auch dem Zweck der Verschleierung inkriminierter Vermögenswerte dienen und dazu führen, diese dem legalen Wirtschaftskreislauf zuzuführen. In diesem Kontext treten Scheinfirmen und Strohleute als Erwerber von Immobilien in Erscheinung. Derart gelagerte Erkenntnisse in Bezug auf Immobilienverkäufe liegen nicht vor.

  1. Wie oft kam es in Nordrhein-Westfalen seit 2015 zu Zwangsversteigerungen von Immobilien? (Bitte nach Jahr und Gemeinde aufschlüsseln.)

Die Anzahl der erfolgten Zwangsversteigerungen wird in den bundesweit abgestimmten Geschäftsübersichten statistisch nicht erfasst. Erhoben wird darüber hinaus nur der Geschäftsanfall bei den (Amts-)Gerichten, nicht bei den Gemeinden.

Die gewünschten Daten ließen sich nur durch eine Auswertung der bei den Amtsgerichten noch vorhandenen Akten gewinnen. Dies ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand in der

zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten.

  1. Wie oft sind die Objekte wieder konfisziert worden, weil sie aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität erworben wurden?
  2. Wie oft mussten die konfiszierten Objekte wieder zurückgegeben werden? 

Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet.

Eine verfahrensbezogene Verlaufsstatistik vermögensabschöpfender Maßnahmen wird nicht geführt. Dementsprechend hätte es zur Ermittlung der Anzahl der Objekte einer händischen Auswertung sämtlicher in Betracht kommender Verfahren bedurft, die mit vertretbarem Verwaltungsaufwand in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten ist.

  1. In welchem Umfang ist der Landesregierung respektive den zuständigen Behörden in Nordrhein-Westfalen bekannt, dass es im Zuge einer Zwangsversteigerung zu Einschüchterungs- bzw. Bedrohungsversuchen anderer Mitbieter durch die Organisierte Kriminalität oder Personen aus dem Umfeld arabischer Großfamilienclans gekommen ist?

Statistische Erhebungen im Sinne der Anfrage liegen nicht vor. Die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen ermittelten in der Vergangenheit vereinzelt im Kontext von Sachverhalten, in denen es im Rahmen von Zwangsversteigerungen zu Einschüchterungs-bzw. Bedrohungshandlungen durch Personen, die der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, gekommen ist.

Weitere Erkenntnisse zu Einschüchterungs- bzw. Bedrohungsversuchen anderer Mitbieterinnen und Mitbieter durch den in der Kleinen Anfrage bezeichneten Personenkreis liegen der Landesregierung nicht vor.

 

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