Kleine Anfrage 1081
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Dr. Martin Vincentz vom 18.01.2023
Altersarmut bei Frauen in NRW
„Viele Frauen sind von Altersarmut bedroht“, titelte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) am 07.11.2022 mit Blick auf die neue Krise beim Warenhauskonzern Galeria. Stefanie Nutzenberger, Mitglied des Verdi-Bundesvorstands, erklärte der Zeitung gegenüber mit Blick auf die 17.400 Beschäftigten des Unternehmens: „Wir reden mehrheitlich über Frauen, die in Teilzeit arbeiten, seit vielen Jahren dem Unternehmen angehören, ortsgebunden und von Altersarmut bedroht sind.“1 In NRW besitzt der Konzern mehr als 30 Filialen.2 Viele Frauen drohen daher in die Arbeitslosigkeit zu fallen. Ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gilt als schwierig, da sie oftmals seit Jahrzehnten bei Galeria gearbeitet haben und am Ende ihrer Erwerbsbiografie stehen.3
Galeria steht dabei exemplarisch für die Rentenproblematik, mit der sich Frauen in Deutschland und gerade auch in NRW konfrontiert sehen. So hat die durch das Bundessenioren-ministerium geförderte Studie „Hohes Alter in Deutschland“ (D80+) gezeigt, dass 22,4 Prozent der Menschen über 80 Jahre in Deutschland von Armut betroffen sind. Der Anteil der Frauen liegt dabei sogar noch neun Prozentpunkte über dem Anteil der Männer. Die Armut in der gesamten deutschen Bevölkerung beläuft sich demgegenüber auf 14,8 Prozent. Als arm wurden dabei Personen definiert, die über ein maximales monatliches Einkommen von 1.167 Euro (60 % des mittleren Einkommens aller Haushalte) verfügten.4 Auch das Statistische Bundesamt kam bereits im Jahr 2018 zu ähnlichen Zahlen. So lag in diesem Jahr der Anteil der über 65-jährigen Senioren, die von relativer Einkommensarmut betroffen waren, bei Männern bei 12,7 Prozent und bei Frauen bei 16,4 Prozent.5 Der Vergleich belegt dabei einen generellen Trend zur Verschärfung der Altersarmut bei Frauen. Einer Prognose der Bertelsmann-Stiftung zufolge wird sie sich bis zum Jahr 2036 noch weiter erhöhen. Eine gestiegene Erwerbsquote von 62 Prozent im Jahr 1991 auf 75 Prozent im Jahr 2019 hat diesem Trend nicht entgegenwirken können.6
Für NRW stellen sich die Zahlen noch drastischer dar. So geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2020 (Drucksache 20/1253) hervor, dass in NRW 16,4 Prozent aller über 65-Jährigen in Altersarmut leben. Der Anteil der Frauen betrug sogar 18,5 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2010 hat sich die Zahl bei allen über 65-Jährigen damit um 4,3 Prozentpunkte erhöht (2010: 12,1 Prozent).
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung das Problem der Altersarmut bei Frauen in NRW?
- Wie möchte die Landesregierung dem sich verstärkenden Trend zur Altersarmut generell entgegenwirken?
- Wie möchte die Landesregierung dem sich verstärkenden Trend zur Altersarmut bei Frauen entgegenwirken?
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um Frauen zu unterstützen, die von Altersarmut bedroht sind?
- Inwieweit implementiert die Landesregierung das Thema Altersarmut in den diesjährigen Landeshaushalt?
Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz
1 Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Essen (Hauptausgabe), „Viele Frauen sind von Altersarmut bedroht“, 07.11.2022.
2 Htt p s : / / www. Ga l e r i a.de/filialen/s?q = Nord rhein-West falen % 2 C % 2 0 Deutschland.
3 Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Essen (Hauptausgabe), „Viele Frauen sind von Altersarmut bedroht“, 07.11.2022.
4 Htt p s : / /www. B m f s f j.de/bmfsfj/a ktuelles/alle-meldungen/f a s t-ein-viertel-der-ueber-8 0-jaehrigen-in-deutschland-leidet-unter-alters armut-1 9 0 0 6 6 .
5 Htt p s : / / de. S t a t i s t a.com/infografik/19 90 6/risiko-fuer-a l t e r s armut-in-deutschland-nach-geschlecht/.
6 Htt p s : / / www. Z w d .info/alters armut-ist-w e i b l i c h.ht ml.
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1081 mit Schreiben vom 15. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flüchtlinge und Integration beantwortet.
- Wie bewertet die Landesregierung das Problem der Altersarmut bei Frauen in NRW?
Da sich die Höhe der Rente im Wesentlichen nach den eingezahlten Beiträgen richtet, sind geringe Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung ein wesentlicher Grund für Altersarmut. Ein Erwerbsleben, das von Arbeitsunterbrechungen, Teilzeitarbeit, Arbeitslosigkeit oder niedrigen Löhnen gekennzeichnet ist, bedeutet im Alter eine niedrige Rente. Dies gilt für Frauen und Männer gleichermaßen.
Frauen sind von diesen Armutsfaktoren statistisch jedoch häufiger betroffen als Männer. Entsprechend haben Frauen auch ein höheres Armutsrisiko. Immer noch sind es meistens die Frauen, die aus familiären Gründen (Pflege Angehöriger, Kindererziehung) ihre Erwerbstätigkeit beenden oder reduzieren. Zum Ausgleich hierfür werden in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflege- und Kindererziehungszeiten anerkannt. Allerdings wählen viele Frauen eine längere Auszeit, wenn sie Kinder bekommen. Außerdem arbeiten sie anschließend häufiger nur in Teilzeit oder in einem Minijob.
Frauen haben zudem auch seltener eine betriebliche oder private zusätzliche Altersvorsorge. Im Jahr 2022 arbeiteten 66 % der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit, aber nur 7 % der Väter (ht t ps : / / w w w . d es t at i s. d e / D E /P r e sse/Pressemitteilun-gen/2022/03/PD22_N012_12.html).
- Wie möchte die Landesregierung dem sich verstärkenden Trend zur Altersarmut generell entgegenwirken?
Da die Rente das Erwerbsleben widerspiegelt, ist der wichtigste Ansatz bei der Bekämpfung von Altersarmut, die Grundlage für ein gelungenes Erwerbsleben zu schaffen. Dazu gehören insbesondere gute Schul- und Ausbildung, angemessene Löhne, ein chancenreicher Arbeitsmarkt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Reduzierung der prekären Beschäftigung. In der Folge besteht dann auch die Möglichkeit, Altersarmut – bei Frauen und Männern – dauerhaft und nachhaltig zu reduzieren.
- Wie möchte die Landesregierung dem sich verstärkenden Trend zur Altersarmut bei Frauen entgegenwirken?
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um Frauen zu unterstützen, die von Altersarmut bedroht sind?
Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 gemeinsam beantwortet.
Ziel der Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist es, die Position von Frauen im Erwerbsleben zu stärken und ihnen damit zu ermöglichen, eine eigenständige und auskömmliche Alterssicherung aufzubauen. Dazu gehören die Verbesserungen der Voraussetzungen für Frauen am Arbeitsmarkt, die Förderung der beruflichen Entwicklung weiblicher Erwerbstätiger und die Schaffung von Transparenz bei der Entlohnung von Frauen und Männern. Die Ausrichtung der Förderpolitik in der neuen Legislaturperiode auf die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern knüpft hier an und sieht eine Vielzahl entsprechender Maßnahmen vor.
Die Frage der Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt hat auch in der Arbeitspolitik des Landes einen hohen Stellenwert. Seit Jahren werden – insbesondere vor dem Hintergrund der Überwindung des Arbeits- und Fachkräftemangels und zur Vermeidung besonderer Armutsrisiken – enorme Anstrengungen unternommen, der Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen, alle Potenziale auszuschöpfen, zielgruppenspezifisch sinnvolle Angebote zu unterbreiten und Unterstützung zu geben.
Mit Blick auf die Erwerbstätigenquote, die bei den Frauen für den Zeitraum 2011-2021 einen Anstieg von gut fünf Prozentpunkten (von 63,4 % auf 68,8 %) zu verzeichnen hat und damit deutlich stärker ausfiel als bei den Männern (von 75,0 % auf 76,7 %), gelingt es zunehmend, über die Verbesserung der Erwerbsbeteiligung die Armutsrisiken für die Frauen zu vermindern. Dabei profitieren Frauen auch von den Aktivitäten der Landesregierung, die auf die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung der Frauen ausgerichtet sind. Mit einer Vielzahl an Förderangeboten, wie dem Landesprogramm „Teilzeitberufsausbildung: Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ (TEP), dem Konzept der Teilqualifizierung, dem Modellprojekt „Chance“, der genderspezifischen Zielsteuerung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, werden Frauen hinsichtlich ihrer Arbeitsmarktintegration besonders unterstützt.
Mit Blick speziell auf das Risiko von Altersarmut bei Frauen als Folge einer durch Care-Arbeit unterbrochenen Erwerbsbiografie wird sich die Landesregierung außerdem auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die häusliche Pflege stärker in der Rente berücksichtigt wird.
- Inwieweit implementiert die Landesregierung das Thema Altersarmut in den diesjährigen Landeshaushalt?
Wie in der vorstehenden Antwort ausgeführt dienen zahlreiche Maßnahmen der Landesregierung – gerade im Bereich Arbeitsmarktpolitik – der Bekämpfung der Altersarmut. Auf zahlreiche Haushaltsansätze im Bereich der Arbeitsmarktpolitik wird verwiesen.
Die Unterstützung von Frauen, die nach dem Berufsleben von Altersarmut betroffen sind und bei denen auf das Berufsleben und die Erzielung auskömmlicher Alterssicherungsansprüche ausgerichtete Ansätze daher nicht mehr wirksam werden können, ist zudem ein wichtiger Gegenstand der Altenpolitik der Landesregierung. Das oberste Ziel dieser Altenpolitik ist die Sicherstellung einer guten Versorgung für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen, unabhängig von Wohnort und Einkommen. So soll u.a. im Rahmen des Landesförderplans „Alter und Pflege“ Teilhabe im direkten Wohn- und Lebensumfeld ermöglicht werden. Eine wichtige Aufgabe ist es, Teilhabemöglichkeiten so zu gestalten, dass sie auch Menschen erreichen, die nicht über ausreichende eigene finanzielle Ressourcen verfügen. So können z.B. gefördert werden: Maßnahmen zur Integration alter Menschen in allen Lebenslagen und Verhinderung aller Formen der Ausgrenzung oder Abwertung älterer Menschen, Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen durch Begegnungsangebote, Beratung, Qualifizierung, Aktivierung und Partizipation, Stärkung und Ausbau von Nachbarschaftshilfen sowie stadtteilorientierten Angeboten u.a. in Stadtteiltreffs oder Begegnungszentren. Auch die für den Landesförderplan bereitgestellten Haushaltsmittel dienen der Bekämpfung von Altersarmut.