Kleine Anfrage 3838
der Abgeordneten Carlo Clemens, Enxhi Seli-Zacharias, Markus Wagner und Christian Loose AfD
CDU-Spendenskandal weitet sich aus: Spenden des Schleuser-Verdächtigen gingen direkt an Innenminister Herbert Reul zur Unterstützung des Landtagswahlkampfs 2022
Wie im Rahmen der Ermittlungen rund um den landesweiten Schleuserskandal zur Erlangung von Aufenthaltserlaubnissen mit gefälschten Unterlagen wohlhabender Personen (meist aus China) bekannt wurde, wurde als einer der Hauptverdächtigen der Anwalt B. aus Frechen in Untersuchungshaft genommen. Dieser soll in den vergangenen Jahren persönlich oder über ein Firmengeflecht mutmaßlich zehntausende Euro an CDU-Gliederungen im Raum Köln gespendet haben.
Nach ersten internen Recherchen der CDU sind in den Jahren 2020 bis 2023 angeblich acht Einzelspenden in einer Höhe von insgesamt 52.500 Euro von besagtem Hauptverdächtigen im Schleuserskandal an die CDU geflossen. Auffällig ist die Spendenhöhe, die sich wohl teilweise nur ganz knapp unter der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro bewegte. Sechs Spenden gingen an die CDU im Rhein-Erft-Kreis und im Rheinisch-Bergischen-Kreis, zwei Zuwendungen kamen der Jungen Union in NRW und im Bund zugute. Im Detail soll es sich um folgende Spendensummen handeln: CDU-Kreisverband Rhein-Erft (rd. 12.500 Euro), CDU-Kreisverband Rhein-Berg (rd. 30.000 Euro) sowie Junge Union NRW (rd. 10.000 Euro).1
Der beschuldigte Jurist unterhielt nach Presseberichten offenbar enge Kontakte in die Politik und war bis Ende 2023 angeblich Mitglied der Kölner CDU.2 Auch zum amtierenden Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) bestand ein persönlicher Kontakt, wie dieser selber zugibt.3 Reul ist direkt gewählter Abgeordneter des Landtagswahlkreises 22 (Rheinisch-Bergischer Kreis II) – dies lässt die Angelegenheit besonders brisant erscheinen.
In der Pressesmitteilung der CDU im Rheinisch-Bergischen-Kreis heißt es dazu: „Die interne Prüfung hat ergeben, dass es im Jahr 2022 insgesamt drei Einzelspenden in Höhe von jeweils 9.990 Euro gab. Eine Spende kam von besagtem Rechtsanwalt. Die beiden anderen von Firmen, in denen er Geschäftsführer war. […] Der Spender hat im Verwendungszweck der Überweisung angegeben, dass er den Landtagswahlkampf des örtlichen Landtagskandidaten Herbert Reul unterstützen wolle. Das Geld wurde im Jahr 2022 entsprechend für den Landtagswahlkampf im Rheinisch-Bergischen Kreis verwendet. Der Rechtsanwalt war Herbert Reul bekannt.“4
Bezüglich der Kontaktaufnahme des Beschuldigten Anwalts B. mit dem Innenminister heißt es im Kölner Stadtanzeiger: „Herr B. ist 2022 auf mich zugekommen. Er wollte sich mit mir treffen, weil er die Partei und mich im Landtagswahlkampf unterstützen wollte“, so der NRW-Innenminister. Er habe den Kölner Anwalt zwar nicht gekannt, sich dann aber nach ihm erkundigt. „Danach hatte ich keinen Grund, an der Ernsthaftigkeit zu zweifeln“, so Reul. „In der Folge“ sei er dem Mann „einige Male begegnet“, sagte Reul.“5
Hermann-Josef Tebroke, Mitglied des Bundestages, Kreisvorsitzender der CDU und ehemaliger Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises, bestätigte: „Bei einer internen Prüfung haben wir festgestellt, dass aus dem Kreis der aktuell bekannten Beschuldigten und deren Umfeld in den letzten zehn Jahren auch drei Einzelspenden an unseren CDU-Kreisverband mit einer Gesamtsumme von 29.970 Euro erfolgt sind.“6
Anders als im Kreis Düren gibt es nach derzeitigen Erkenntnissen offenbar keine konkreten Verdachtsmomente, wonach die Spenden im Rheinisch-Bergischen Kreis mit Gegenleistungen im Sinne des Schleusernetzwerkes verbunden waren. Dem in diesem Zusammenhang beschuldigten SPD-Funktionär B. sollen dagegen etwa 300.000 Euro an Schmiergeldern in bar gezahlt worden sein. Im Gegenzug soll er bei den Behörden seinen Einfluss geltend gemacht haben, wenn in einzelnen Fällen Zweifel aufkamen, einen Aufenthaltstitel zu genehmigen.7 Betroffen war in diesem Zusammenhang wohl hauptsächlich die kommunale Ausländerbehörde in Düren.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche weiteren CDU-Kreisverbände sind nach derzeitigem Ermittlungsstand – abgesehen von den genannten Kreisverbänden Rheinisch-Bergischer-Kreis und Rhein-Erft-Kreis – vom aktuellen CDU-Spendenskandal betroffen?
- Wann sind die Spenden des Hauptverdächtigen – direkt oder wie in der Presse angedeutet über ein Firmengeflecht – bei der CDU eingegangen? (bitte das jeweilige Datum und die Spendenhöhe benennen)
- Inwiefern sind nach derzeitigem Ermittlungsstand vom aufgeführten Hauptverdächtigen bzw. von anderen Personen und Organisationen, die dem Schleusernetzwerk zugeordnet werden, weitere Spenden an Gliederungen der CDU in NRW geflossen? (bitte jeweils Spender/Organisation, die CDU-Gliederung, das Datum des Spendeneingangs und die Höhe der Spende benennen)
- Wer wurde bei den derzeit bekannten Spenden an Gliederungen der CDU in NRW im Rahmen des Schleuserskandals jeweils konkret als Empfänger angegeben? (bitte die jeweilige Gliederung der CDU oder eine Einzelperson aufschlüsseln und in diesem Zusammenhang auch jeweils Angaben zum konkret angegebenen Verwendungszweck benennen)
- Inwiefern waren – neben Innenminister Reul – politische Funktionsträger direkt oder indirekt Begünstigte der Spenden? (bitte nach Vertretern der Landesregierung bzw. Mitarbeiter in Ministerien, Landräte oder Mitarbeiter in Kreisverwaltungen aufschlüsseln und dabei ggf. konkret Name und Funktion benennen)
Carlo Clemens
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Christian Loose
1 Vgl. https://in-gl.de/2024/05/10/fast-30-000-euro-aus-schleuser-kreisen-gingen-an-cdu-rhein-berg/.
3 Vgl. https://www.ksta.de/politik/nrw-politik/schleuser-skandal-nrw-innenminister-herbert-reul-profitierte-von-spenden-793382.
4 Vgl- https://www.cdu-rhein-berg.de/stellungnahme-spenden und https://in-gl.de/wp-content/uploads/2024/05/24-05-13-Update-Stellungnahme-Spenden-an-CDU-Rhein-Berg.pdf
5 Vgl. https://www.ksta.de/politik/nrw-politik/schleuser-skandal-nrw-innenminister-herbert-reul-profitierte-von-spenden-793382? und https://in-gl.de/2024/05/15/spenden-von-schleuser-verdaechtigen-waren-fuer-herbert-reul/
6 https://in-gl.de/2024/05/10/fast-30-000-euro-aus-schleuser-kreisen-gingen-an-cdu-rhein-berg/.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3838 mit Schreiben vom 24. Juni 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
- Welche weiteren CDU-Kreisverbände sind nach derzeitigem Ermittlungsstand – abgesehen von den genannten Kreisverbänden Rheinisch-Bergischer-Kreis und Rhein-Erft-Kreis – vom aktuellen CDU-Spendenskandal betroffen?
- Wann sind die Spenden des Hauptverdächtigen – direkt oder wie in der Presse angedeutet über ein Firmengeflecht – bei der CDU eingegangen? (bitte das jeweilige Datum und die Spendenhöhe benennen)
- Inwiefern sind nach derzeitigem Ermittlungsstand vom aufgeführten Hauptverdächtigen bzw. von anderen Personen und Organisationen, die dem Schleusernetzwerk zugeordnet werden, weitere Spenden an Gliederungen der CDU in NRW geflossen? (bitte jeweils Spender/Organisation, die CDU-Gliederung, das Datum des Spendeneingangs und die Höhe der Spende benennen)
- Wer wurde bei den derzeit bekannten Spenden an Gliederungen der CDU in NRW im Rahmen des Schleuserskandals jeweils konkret als Empfänger angegeben? (bitte die jeweilige Gliederung der CDU oder eine Einzelperson aufschlüsseln und in diesem Zusammenhang auch jeweils Angaben zum konkret angegebenen Verwendungszweck benennen)
- Inwiefern waren – neben Innenminister Reul – politische Funktionsträger direkt oder indirekt Begünstigte der Spenden? (bitte nach Vertretern der Landesregierung bzw. Mitarbeiter in Ministerien, Landräte oder Mitarbeiter in Kreisverwaltungen aufschlüsseln und dabei ggf. konkret Name und Funktion benennen)
Die Fragen 1 bis 5 werden wegen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen berichtet, dass hinsichtlich des genauen Umfangs der Spenden, den Personalien der Spender und der jeweils Begünstigten keine hinreichend belastbaren Erkenntnisse vorliegen, die eine abschließende Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt ermöglichten.