Das „Flüchtlingsgipfelchen“ der Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit den Vertre-tern der Länder und den Kommunalverbänden ist gescheitert – Die grenzpolizeilichen Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sind unverzüglich umzusetzen

Antrag

Antrag
der Fraktion der AfD

Das „Flüchtlingsgipfelchen“ der Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit den Vertre­tern der Länder und den Kommunalverbänden ist gescheitert – Die grenzpolizeilichen Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sind unverzüglich umzuset­zen

I. Ausgangslage

Auch der mit großer Hoffnung erwartete „Migrationsgipfel“ führte zu keinen elementaren Lö­sungen in der gegenwärtigen Migrationskrise. Die NZZ titelte passend: „Faesers Flüchtlings-gipfelchen: Deutschland bleibt ein Magnet für Migranten aus aller Welt.“1 Auch weiterhin steht – statt einer lange ersehnten Problemlösung – das Verwalten des Problems im Vordergrund. So sollen 64.000 Personen in Immobilien des Bundes untergebracht werden. Weitere 56 Im­mobilien mit 4.000 Plätzen sollen hinzukommen. Über 360.000 Betten soll es in Zusammen­arbeit mit privaten Akteuren geben. Die Länder und Kommunen sollen in diesem Zusammen­hang mit weiteren 2 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt entlastet werden.2 Bund, Länder und Kommunen wollen darüber hinaus eine gemeinsame digitale Plattform schaffen. Dort sol­len sich Fachleute über Verbesserungen bei der Unterbringung von Geflüchteten austau­schen können.

Immerhin ist die Besorgnis über die illegale Migration, d.h. über unerlaubte Einreisen, jetzt auch bei der Bundesinnenministerin angekommen: „Das macht mir Sorge, hier müssen wir klar für eine Begrenzung sorgen“, so Faeser.3 Dieses Bekenntnis „gegen illegale Einreisen“ erscheint allerdings unglaubwürdig, solange an den deutschen EU-Binnengrenzen und an der EU-Außengrenze nicht endlich konsequent gehandelt wird. Die angekündigten Maßnahmen der Innenministerin, also Grenzkontrollen an der EU-Binnengrenze zu Österreich sowie eine Schleierfahndung an der EU-Binnengrenze zu Tschechien, sind in diesem Zusam­menhang völlig unzureichend. Anders ausgedrückt lautet das sarkastische Fazit der NZZ: „Es gibt einen besorgniserregenden Anstieg der unerlaubten Einreisen, also machen wir weiter mit den Instrumenten, die auch bisher kaum geholfen haben.“1

Einzig erfolgreich war bisher scheinbar die Aufforderung an Serbien, die visafreie Einreise für Staatsangehörige vieler Drittstaaten, die zu einer Zunahme der unerlaubten Einreisen in die EU geführt hat, zu stoppen. In dieser Angelegenheit wurde im Rahmen der Westbalkan-Kon­ferenz eine Angleichung der VISA-Politik der Westbalkan-Staaten – unter Einbeziehung Serbiens – an den europäischen VISA-Standard vereinbart.4 Wie erfolgreich bzw. effektiv die Umsetzung des beschlossenen Maßnahmenpakets – nach sieben Jahren des permanenten Kontrollverlusts – am Ende sein wird, bleibt allerdings abzuwarten. Der Hintergrund ist, dass Serbien die Visa-Pflicht für zahlreiche Staaten ausgesetzt hat. Dadurch können Drittstaatsan­gehörige für drei Monate ohne Hürden nach Serbien einreisen. In der Folge kommt es dann oftmals zu einer Migrationsbewegung über Bratislava und Prag nach Dresden. Serbien ist so­mit zur neuen Drehscheibe im Migrationsgeschehen geworden. Illegale Schlepperbanden er­fahren hier eine erneute Hochkonjunktur. Immerhin hat Tschechien bereits reagiert und führt an der Grenze zur Slowakei Grenzkontrollen durch.

Die Anzahl der Erstanträge auf Asyl ist in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 auf bun­desweit 135.000 Gesuche gestiegen. Hinzu kommen knapp 20.000 Folgeanträge, was eine Gesamtzahl von 154.557 Anträgen ergibt. An der deutsch-tschechischen Grenze wurden 2021 rund 4.200 Personen festgestellt, im laufenden Jahr sind es bereits knapp 12.000 registrierte unerlaubte Einreisen. Allein im August und September waren es mehr als 7.000. Klar ist: Da die Beamten an den Schengen-Binnengrenzen nur stichprobenhaft kontrollieren, wird das Dunkelfeld um ein Vielfaches höher sein.5 Hinzu kommen bundesweit mittlerweile über eine Million Flüchtlinge mit Bezug zum Krieg in der Ukraine. Zum Stichtag 16.10.2022 waren im Ausländerzentralregister 215.381 Personen gemeldet, die seit dem 24.02.2022 nach NRW eingereist sind und zu diesem Personenkreis zählen. Darunter befinden sich zu 4% (8.599 Personen) Drittstaatsangehörige.6

Ähnlich dramatisch sieht die Situation an den EU-Außengrenzen aus. Laut einer internen Ana­lyse der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) wurden im Juli ins­gesamt knapp 35.000 unerlaubte Grenzübertritte an den EU- und Schengen-Außengrenzen erfasst. Damit lagen die Zahlen deutlich über denen der Vormonate (Juni: 29.000) wie auch des Vergleichsmonats im Vorjahr (20.700). Gestiegen ist zudem die Zahl der Asylanträge. In den EU-Staaten, Norwegen und der Schweiz gingen laut EU-Asylagentur EUAA in der ersten Jahreshälfte 2022 rund 406.000 Asylgesuche ein. Im Vergleich zum selben Zeitraum des Vor­jahres sei das ein Anstieg um 68 Prozent.7 Auch die instabile Situation in der Türkei könnte zu einer weiteren illegalen Migration, insbesondere syrischer Staatsbürger, nach Deutschland führen.8

Bereits jetzt zeichnet sich deutlich ab, dass sich die Migrationskrise von 2015 in diesem Herbst und Winter wiederholen wird – mit dem Unterschied, dass bereits mehr als 2 Mio. Menschen aufgenommen wurden und die wirtschaftliche Lage sich deutlich verschlechtert hat. Die eige­nen Bürger müssen bereits eine dramatische Inflation und eine für unser Land verehrenden Wirtschaftskrise, maßgeblich verstärkt durch die „dümmste Energiepolitik der Welt“9, verkraf­ten.

Die Migrationskrise wird zudem begünstigt durch immer größere Anreize, in Deutschland „Schutz“ zu suchen, fast immer verbunden mit einer nicht vorgesehenen EU-Binnenmigration. Zu diesen Pull-Faktoren gehören u. a. eine zurückhaltende Abschiebepraxis, immer großzügi­gere Bleiberechtsregelungen für Ausreisepflichtige, wie zuletzt durch das Chancen-Aufenthaltsrecht, sowie im internationalen Vergleich großzügige Sozialleistungen, zukünftig auch durch das geplante Bürgergeld.

Das Krisenmanagement besteht auf Bundes- wie auf Landesebene auch weiterhin darin, dem Chaos freien Lauf zu lassen. Dadurch öffnet man Schleppern ein fortwährendes Geschäfts­modell und öffnet der Organisierten Kriminalität Tür und Tor.

Aufgrund der aktuell erneut prekären Lage forderte die deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in einer Pressemitteilung vom 6. September 2022 die Einführung stationärer Grenzkontrol-len.10 Damit wiederholte die DPolG ihren eindringlichen Appell an die Bundesregierung aus dem Jahre 2021.11 Die Anzahl der Feststellungen unerlaubt eingereister Personen, insbeson­dere über die tschechisch-deutsche Grenze, sei auf einem Rekordhoch. „Solch drastische Zahlen haben wir zuletzt 2015 erlebt“, so der Vorsitzende der DPolG Bundespolizei, Heiko Teggatz, gegenüber BILD.12 Teggatz mahnt: „Diese Entwicklung ist alarmierend und ein wei­teres Indiz dafür, dass der europäische Außengrenzschutz große Lücken aufzeigt. […] Gesi­cherte Erkenntnisse deuten darauf hin, dass sich die Schleuserbanden neu aufgestellt haben und nunmehr den Weg über die Slowakei und Tschechien nach Deutschland nutzen. […] Die Erfahrung aus den letzten Jahren lässt vermuten, dass diese Zahlen nur die Vorboten einer seit 2015 nie da gewesenen Migrationsbewegung nach Deutschland und Europa sind. Bun­desinnenministerin Nancy Faeser, SPD muss jetzt handeln und die stationären Grenzkontrol­len nach Österreich auf Tschechien erweitern. Anders werden wir die Lage nicht in den Griff bekommen.“13

Am 30. September 2022 folgte ein ausführliches DPolG-Strategiepapier.14 In einem Interview mit dem Cicero wirft Teggatz Innenministerin Faeser vor, „das Problem auszublenden“. Er habe den Eindruck, dass die Bundesregierung Migration gar nicht zum Thema machen möchte. Dem Innenministerium wirft er gar vor, der Bundespolizei beim Thema illegale Ein­wanderung einen „Maulkorb“ verpassen zu wollen. Auch das Migrationsgeschehen an der deutsch-polnischen Grenze sei alles andere als gelöst: „Die Zahl der Feststellungen unerlaub­ter Einreisen an der Grenze zu Polen hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 240 Prozent ge­steigert. […] Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich unter die Ukraine-Flüchtlinge auch Mig-ranten aus Ländern wie dem Irak oder Syrien mischen. Es wird zum Beispiel behauptet, man würde in der Ukraine studieren. Dabei sprechen diese Menschen kein Wort Englisch, kein Wort Ukrainisch, sondern nur ihre Heimatsprache […] Mit Menschen, die aus Syrien kommen, aber behaupten, in der Ukraine Studenten zu sein, hat die Bundespolizei so zu verfahren [,] als handle es sich um Kriegsvertriebene aus der Ukraine. […] Die haben meistens überhaupt keine Dokumente dabei. Als Nachweis reicht ein ukrainischer Geldschein.“ Zudem befürchtet Teggatz nach dem Regierungswechsel in Italien eine weiter ansteigende Sekundärmigration, da viele abgelehnte Asylbewerber vermutlich bestrebt sein werden, im Zuge einer illegalen Einreise nach Deutschland einer vorgesehenen Abschiebung aus Italien in die jeweiligen Her­kunftsländer zu entgehen.15

Gegenüber Tichys Einblick präzisierte Teggatz die Forderungen der DPolG.16 Entscheidend sei, dass die Bundespolizei als Grenzschutzbehörde nur agieren könne, wenn die deutschen EU-Binnengrenzen notifiziert sind. Erst dadurch würde die EU-Binnengrenze in den Zustand einer Außengrenze und die Bundespolizei, gem. § 15 Asylgesetz, in den Zustand einer Grenz­behörde versetzt. Gewahrsamszentren sollten dazu dienen, aufenthaltsbeendende Maßnah­men im Falle von unzulässigen Schutzanträgen zu sichern. Das Gewahrsam könne dabei durchaus solange dauern, bis die Zurückweisung umgesetzt wird. Anders ausgedrückt, man ließe die Personen gar nicht erst einreisen, um – anders als aktuell üblich – den unerwünsch­ten Vollzug der Einreise eben nicht zu ermöglichen. Somit geraten die Ausländer auch nicht in die Zuständigkeit der Länder. Zurückweisungen könnten in diesen Fällen somit wieder zur Normalität werden. Die Zurückweisungshaft sei vereinbar mit Artikel 28 und 29 der Dublin-III-Verordnung. In der Konsequenz würden unzulässige Anträge gar nicht erst das juristische Verfahren bis vor die Verwaltungsgerichte gehen. Unzulässig sei ein Antrag bereits bei der Einreise aus einem sicheren Drittstaat, also folgerichtig bei allen Einreisen nach Deutschland über den Landweg!

II. Die „Herrschaft des Unrechts“ seit 2015

Wie seinerzeit im Buch „Die Getriebenen“17 dargelegt, wurden im Laufe des 12. September 2015 mehrere Polizei-Hundertschaften an der deutsch-österreichische Grenze zusammenge­zogen, die nur noch auf den allerletzten Befehl „Wer nicht einreiseberechtigt ist, soll auch im Falle eines Asylgesuches zurückgewiesen werden“ warteten. Auf diesen entscheidenden und im Nachhinein einzig richtigen Befehl, der seinerzeit verhängnisvollerweise nicht erteilt wurde, wartet die Bundespolizei, wie durch die aktuellen Ereignisse belegt, bis heute.

Was seit dem 12. September 2015 – im Prinzip bis zum heutigen Tage – geschah, wurde in der Folge als „Die Herrschaft des Unrechts“18 bezeichnet. Diese Zuschreibung wurde in der Folgezeit auch durch den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer übernommen – ohne aber seinerzeit in seiner Funktion als Innenminister Abhilfe zu schaffen. Dieses Nicht­handeln setzte sich unter der neuen Bundesinnenministerin Faeser konsequent fort.

Dabei ist die Rechtslage eindeutig:19 Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG schließt seit dem Asylkompro­miss des Jahres 1993 ein Recht auf Asylgewährung bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat, also quasi bei allen Einreisen zum Zweck der Asylgewährung über den Landweg, kategorisch aus. Ebenso schreibt § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG als Folge davon eine Zurückweisung an der deutschen Grenze vor. Aus Art. 16a Abs. 5 GG bzw. § 18 Abs. 4 Nr. 1 AsylG i. V. m. der Dublin-III-Verordnung geht hervor, dass regelmäßig immer der Ersteinreisestaat für die Durch­führung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Selbsteintrittsrecht gemäß der Dublin-III-Ver-ordnung bezieht sich ausdrücklich nur auf Einzelfälle i. V. m. einem zwischenstaatlichen Ver­fahren und per Überstellung, keinesfalls aber als Möglichkeit zur eigeninitiativen Einreise von Asylbewerbern in das EU-Land ihrer Wahl, zudem im Transit durch weitere EU-Länder, folglich letztendlich in die Länder mit den höchsten Sozialleistungen.20

Es handelt sich hierbei nicht um einen unionsrechtlichen Zwang, sondern lediglich um die Möglichkeit, anderen EU-Ländern im Einzelfall ein Angebot zu unterbreiten. Bedingt durch die geografische Lage Deutschlands ist bei einer Einreise auf dem Landweg immer ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig, was gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG zu einer Ein­reiseverweigerung führen muss. § 18 AsylG begründet eben keine rechtliche Pflicht, Ermäch­tigung, Erlaubnis oder auch nur Begründung im Hinblick auf die stillschweigende Duldung der illegalen Einreise über die deutsche Grenze.21

Auch die Rechtsauffassung, dass gemäß Art. 3 i. V. m Art. 20 Abs. 4 der Dublin-III-Verordnung jeder Antrag auf internationalen Schutz geprüft werden müsse, stimmt nur insofern, als dass damit die EU-Außengrenze gemeint ist, nicht aber EU-Binnengrenzen. In der Folge hätten alle seit dem 13. September 2015 über den Landweg einreisenden Asylbewerber mit Wiederein­führung von Grenzkontrollen gemäß Art. 72 AEUV i. V. m. Art. 25 ff Schengener Grenzkodex an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden bzw. bei einem Aufgreifen der Personen hinter der Grenze zurückgeschoben werden müssen.22 Alle Diskussionen, die in der Folgezeit über sogenannte „Obergrenzen“ geführt wurden, gingen somit an der rechtlichen Realität vor­bei. Auch ein möglicher Verweis auf Unionsrecht greift nicht, da Asylbewerber aus Drittstaaten keine Freizügigkeit genießen und sich ihren Asylstaat eben nicht frei wählen dürfen, was ei­geninitiatives Herumreisen und somit das Überschreiten von EU-Binnengrenzen folgerichtig ausschließt.

Strittig ist zudem die Frage, ob Art. 16 Abs. 2 GG das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin-III-Verordnung nicht eh überlagert und diese Möglichkeit somit grundsätzlich ausschließt. Das ebenfalls bei dieser Gelegenheit oftmals angeführte Refoulment-Verbot begründet ausdrück­lich nicht, warum die Weiterreise eines Asylbewerbers nach Deutschland, der sich beispiels­weise im sicheren EU-Land Österreich aufhält, geduldet, nicht verhindert und nicht rückgängig gemacht werden dürfte.23 Auch in der aktuellen Situation suggerieren Bundes- und Landesre­gierung, dass illegale Grenzübertritte wie ein Naturereignis über uns hereinbrechen und nicht abgewendet werden können.

Weitere grundlegende Probleme nach eigentlich nicht zulässigen Einreisen ins Bundesgebiet ergeben sich zudem durch aktuelle Gerichtsurteile, die selbst Dublin-Rücküberstellungen in andere EU-Länder wie Griechenland und Italien deutlich erschweren bis verunmöglichen.24 Damit wurde durch diese EU-Länder indirekt ein Weg zur Umgehung der Dublin-III-Verord-nung gefunden. Durch ein drastisches Zurückführen der Leistungen im eigenen Land i. V. m. oftmals nicht vollzogenen Registrierungen kann scheinbar die vorgesehene Dublin-Rücküber-stellung über den geschilderten Umweg verhindert oder mindestens erschwert werden.

Auch die immer wieder präsentierte Phantomdebatte in Bezug auf eine sogenannte europäi­sche Lösung funktioniert nicht und wird auch nie funktionieren, da viele EU-Länder in der Asyl­frage aus legitimen Gründen souverän und selbstbestimmt handeln. Dem migrationspoliti-schen Geisterfahrer in dieser Frage möchten aus verständlichen Gründen immer weniger Län­der folgen.25

Das völlige Versagen der Merkel-Regierung in der Migrationsfrage, noch verstärkt fortgesetzt unter der Ampel, bleibt zugleich der zentrale Pull-Faktor.

III. Situation in den Kommunen

In Verbindung mit den seit 2015 aufgenommenen ca. 2 Millionen Migranten und den mittler­weile ca. 1 Million Flüchtlingen mit Ukraine-Bezug führt die aktuelle Flüchtlingswelle über den Balkan und Italien zu einer nicht mehr tragbaren Unterbringungssituation in zahlreichen Kom­munen. Am 8. September 2022 hieß es dazu in einer Pressemitteilung des Deutschen Land­kreistags: „Vielerorts sind die Kapazitätsgrenzen erreicht. […] Das gilt insbesondere mit Blick auf die Versorgung der Flüchtlinge mit Wohnraum, aber auch die Bereitstellung von Plätzen in Kita und Schule. Bereits jetzt zeichnet sich in vielen Landkreisen erneut eine Unterbringung in Turnhallen und ähnlichen Behelfsunterkünften ab. Wir fordern deshalb keine weiteren freiwil­ligen Aufnahmen aus der EU sowie mehr Unterstützung von Ländern und Bund.“ Die Land­kreise in vielen Ländern berichten, dass die Kapazitäten vor Ort ausgelastet seien. Hinzu komme, dass die Länder aus ihren Erstaufnahmeeinrichtungen auch wieder Personen ohne Bleibeperspektive an die Landkreise zur Unterbringung weiterleiten, schilderte Präsident Rein­hard Sager. „Flüchtlinge, die bereits in anderen EU-Ländern Schutz erhalten, sollten an diesen sicheren Orten verbleiben.“26

Am 22. September hieß es in einer weiteren Pressemitteilung: „Viele Landkreise, Gemeinden und Länder schlagen inzwischen Alarm, weil sie an der Belastungsgrenze sind und keine wei­teren Menschen mehr aufnehmen können. […] Wir bekommen bundesweit entsprechende Rückmeldungen, dass die Kapazitäten zur Neige gehen und dass wir in eine ähnliche Situation wie 2015/2016 hineinzulaufen drohen. Das ist nicht schön und deswegen müssen wir auf ver­schiedenen Ebenen versuchen, gegenzusteuern. […] Das heißt, wir stehen vor einer Überfor­derung des Systems.“27

Am 28. September schließlich warnte Präsident Sager vor einer EU-Binnenmigration ukraini­scher Flüchtlinge: „Der Umstand, dass ukrainische Flüchtlinge direkt die höheren Leistungen nach dem SGB II erhalten, führt zu weiterer Zuwanderung und einer systematischen Überlas­tung unseres Systems. Die Unterbringungskapazitäten sind vielerorts gänzlich erschöpft und es kommen immer mehr Ukrainer aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die dort eigentlich bereits Schutz genießen.“ Hier müsse der Bund dringend gegensteuern.28

IV. Der Landtag stellt fest,

  • dass durch die in der Realität weitestgehend ungesicherte deutsche EU-Binnengrenze sowie eine nur lückenhaft gesicherte EU-Außengrenze die Gefahr eines erneuten, mas­siven Kontrollverlusts besteht;
  • dass von dem gesetzlich mögliche grenzpolizeilichen Mittel der Zurückweisung bzw. Zu­rückschiebung kein konsequenter Gebrauch genommen wird;
  • dass die deutsche Politik der offenen Grenzen, verbunden mit finanziellen Fehlanreizen, einen weiterhin stark destabilisierenden Faktor für die EU-Mitgliedsstaaten darstellt;
  • dass die temporäre Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge, in Umsetzung der EU-Massen-zustromrichtlinie, im Rahmen der innereuropäischen Solidarität eine humanitäre Selbst­verständlichkeit ist.

V. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • sich auf Bundesebene für die sofortige Notifizierung der deutschen EU-Binnengrenzen, verbunden mit der temporären Einführung stationärer Grenzkontrollen einzusetzen, in erster Linie an EU-Binnengrenzen zu Nachbarländern mit einem feststellbar erhöhten Anteil illegaler Grenzübertritte;
  • sich auf Bundesebene für die Einrichtung und Inbetriebnahme von Gewahrsamszentren in unmittelbarer Nähe zu den besonders von illegalen Einreisen betroffenen Grenzüber­gängen einzusetzen, um auf diesem Wege zur Sicherstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Falle von unzulässigen Schutzanträgen beizutragen, wozu grundsätz­lich alle illegalen Grenzübertritte auf dem Landweg zählen;
  • sich auf Bundesebene für eine konsequente Unterbindung der Sekundärmigration inner­halb der EU einzusetzen;
  • sich auf Bundesebene für eine deutliche Ausweitung der Liste der sicheren Herkunfts­länder gem. § 29 a Asylgesetz (AsylG) einzusetzen;
  • sich für die konsequente Rückführung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern einzusetzen und die angekündigte Rückführungsinitiative endlich in die Tat umzusetzen;
  • sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine Erweiterung des § 71 AufenthG um eine Zuständigkeit für aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei im Inland (Bahnhöfe) einzusetzen;
  • sich auf Bundesebene für einen engen Austausch mit den europäischen Partnern zur Eindämmung der Migrationsbewegung an der EU-Außengrenze einzusetzen und in die­sem Zusammenhang finanzielle, personelle und organisatorische Stärkung der Grenz-schutzagentur Frontex anzuregen;
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass freiwillige, zusätzliche Aufnahmepro­gramme bis auf weiteres ausgesetzt werden;
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass von Seiten des Bundes an die Herkunfts­länder der Migranten unverzüglich eine klare und unmissverständliche Botschaft zu sen­den ist, dass die illegale Migration über mehrere sichere Drittstaaten, teilweise verbun­den mit gewaltsamen Grenzübertritten, keinesfalls länger geduldet wird und die Zeiten einer unreflektierten Willkommenskultur endgültig vorbei sind;
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die Hilfe für Menschen in Not zukünftig nach Möglichkeit von der Aufnahme in Europa entkoppelt wird und der humanitären Hilfe in den jeweiligen Herkunftsregionen eine stärkere Priorität eingeräumt wird (intrakontinen-tale Fluchtalternativen);
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass der migrationspolitische Ansatz von pau­schalen Zuwanderungskontingenten und Umverteilungsquoten in der EU nicht weiter­verfolgt wird;
  • sich in Umsetzung der EU-Massenzustromrichtlinie für eine gerechtere innereuropäi-sche Verteilung der Flüchtlinge mit Ukraine-Bezug einzusetzen, um insbesondere Län­der wie Polen und Tschechien, aber auch Deutschland zu entlasten und
  • Nicht-Ukrainer, die vor dem russischen Angriffskrieg geflohen sind und in NRW Schutz gefunden haben, in Umsetzung der EU-Massenzustromrichtlinie bei der Rückkehr in ihre Heimatländer aktiv zu unterstützen, wenn eine Rückkehr sicher möglich ist.

Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Christian Loose
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 Vgl. htt ps:// www. nzz. Ch / meinung /der-andere-blick/faesers-fluechtlingsgipfel-problem-erkannt-aber-nicht-gebannt- ld.170 6797

2 Vgl. htt ps:// twitter. Com /BMI _ Bund / status / 157981269445430886

3 Vgl. htt tps:// www. bmi. bund. De / SharedDocs / kurzmeldungen /DE /2022/10/spitzengespraech-fluechtlingssi-tuation.html; https://www.welt.de/politik/deutschland/article241251373/Faeser-besorgt-ueber-wachsende-Fluecht-lingszahlen-in-Richtung-Europa.html

4 Vgl. htt ps:// www. bmi. bund. De /Shared Docs/ kurzmeldungen/DE/2022/10/westbalkan-konferenz. html

5 Vgl. htt ps:// www. welt. De / politik/plus241413837/ Starker-Zustrom-von-Migranten-Der-Streit-ueber-Einfueh-rung-von-Grenzkontrollen. html

6 Vgl. Sachstandsbericht „Geflüchtete aus der Ukraine“; Sitzung des Integrationsausschusses am 26.10.2022

7 Vgl. htt ps:// www. welt. de/ politik / deutschland/ plus240960843/Migration -Illegale-E inreisen-nach-Deutsch-land-steigen-wieder-stark-an .html

8 Vgl. htt ps:// www. welt. de/ politik / ausland/plus241173699/ Syrische-Fluechtlinge-In-der-Tuerkei-braut-sich-der-perfekte-Sturm-zusammen. html

9 Htt ps:// de. finance. yahoo. Com / nachrichten/deutschland-d%C3% B Cmmste-energiepolitik-welt-161700388 .html

10 Vgl. htt ps:// www. Dpolg – bundespolizei. de/ aktuelles/news/dpolg-bundespolizeigewerkschaft-fordert-einfueh-rung-stationaerer- grenzkontrollen/

11 Vgl. htt ps:// reitschuster . de/ post/bra ndbrief-der-polizeigewerkschaft-es-droht-neue-massenzuwanderung/

12 Vgl. htt ps:// www. bild. de / p olitik/i nland/ politik/schleuseralarm-an-tschechischer-grenze-rekordzahl-illegaler-einreisen- 81217104 . bild. html

13 Htt ps:// www. dpolg. De / aktuelles/news/ dpolg-bundespolizeigewerkschaft-fordert-einfuehrung- stationaerer-grenzkontrollen/

14 Vgl. htt ps:// www. dpolg- bundespolizei. D e/ aktuelles/news/wir-stecken-mittendrin-in-der-naechsten-fluecht-lingskrise/

15 Vgl. htt ps:// www. Cicero . de / innenpolitik/bundespolizeig ewerkschaft-schlagt-alarm-wir-stecken-mittendrin-in-der-nachsten-fluchtlingskrise-

16 Vgl. htt ps:// www. tichyseinblick. de/ interviews/he iko-t eggatz-gewahrsamszentren-an- den-grenzen-koenn-ten-zurueckweisungen-sicherstellen/

17 Vgl. Robin Alexander, Die Getriebenen, ISBN 978-3-8275-0093-9

18 Vgl. Dr. Ulrich Vosgerau, Die Herrschaft des Unrechts, ISBN: 978-3-86445-621-3 und htt ps:/ /www .sueddeut-sche. de/ bayern/ fluecht l i n g e-seehofer-es-ist-eine-herrschaft-des-u nrechts-1.2856699

19 Vgl. Organstreitverfahren 2 BvE 1/18 und Organstreitverfahren 2 BvR 2/21

20 Ebd.

21 Ebd.

22 Ebd.

23 Ebd.

24 Vgl. htt ps://ww w.ze it.d e /gese llschaft/zeitg eschehen/2021 -01/as ylantrag-ab schiebung-griechenland-ge-flue chtete-oberver waltungsgericht-muenster; h ttps://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2021/deutschland-darf-migranten-nicht-nach-italien-abschieben

25 Vgl. http s:// reitschuster. de/ post /z woelf-eu-staaten-fuer-festung-eur opa-deut schland-mauert

26 Vgl. htt ps:// www. landkreistag. de/ presseforum/pressemitteilungen/3238-aufnahme-vertriebener-vielerorts-sind-die- kapazitaetsgrenzen- erreicht

27 Vgl. hat tps://ww w. landkreistag. de/p resseforum/nachrichten/3243-wi r-stehen-vor-eine r-ueberforderung-des-systems

28 Vgl. htt ps:// www. landkreistag. de/ presseforum/nachrichten/3246-landkreise-fordern-hilfe-bei-fluechtlingskos-ten