Das Leid von Kindern und Jugendlichen endlich wahrnehmen: Schulschließung und Sportverbot sofort aufheben – Sofortmaßnahmen ergreifen zur Heilung von psychischen Folgeschäden, zum Aufholen von Lernrückständen und zur Stärkung von Lebenszuversicht.

Antrag
vom 16.03.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 16.03.2021

 

Das Leid von Kindern und Jugendlichen endlich wahrnehmen: Schulschließung und Sportverbot sofort aufheben – Sofortmaßnahmen ergreifen zur Heilung von psychischen Folgeschäden, zum Aufholen von Lernrückständen und zur Stärkung von Lebenszuversicht.

I. Ausgangslage

Nach einem für Kinder und Jugendliche überaus schmerzlichen Jahr massiver Einschränkungen ihres Rechts auf Bildung, auf eine gesunde Entwicklung von Körper und Geist sowie auf die Entfaltung ihrer Begabungen und Fähigkeiten erlaubt die Exekutive den Schülerinnen und Schülern ab dem 15. März (vorerst bis zu den Osterferien) einen Unterricht bei halbierter Klassenstärke im Wechselmodus. Kein Schüler solle dabei länger als eine Woche ohne Präsenzunterricht zu Hause lernen müssen, heißt es in der Verordnung des Ministeriums für Schule und Bildung.

Damit wird dem bisherigen Begehren der Bundeskanzlerin, Kinder und Jugendliche weiterhin in sozialer Isolierung zu halten, nicht mehr vollständig entsprochen. Offenbar haben dann endlich nach zwei Monaten die Warnungen und Mahnungen der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann bei verantwortungsbewussten Teilnehmern des ministerialen Coronakreises doch endlich Gehör gefunden. Eisenmann warnte bereits Ende Dezember 2020 vor den sozialen Folgen geschlossener Schulen1 und verband diese Warnung mit einer Zuversicht:

„Ich gehe davon aus und werbe sehr dafür, dass wir Kitas und Grundschulen in jedem Fall wieder in Präsenz öffnen und auch Klasse 5, 6 und 7 sowie die Abschlussklassen im Blick haben – unabhängig von den Inzidenzzahlen.“2

Die baden-württembergische Kultusministerin greift damit tiefgreifende Sorgen und Befürchtungen von Ärzten und Eltern auf, die seit dem letzten Jahr bereits mehrfach und lautstark in die Öffentlichkeit getragen worden sind. Eine Umfrage der Landeselternschaft zeigt den alarmierenden Handlungsbedarf. Demnach erwarten mehr als 40 Prozent der über 41.000 Eltern, die geantwortet haben, mittelgroße bis schwerwiegende Wissenslücken durch den eingeschränkten Unterricht in der Corona-Pandemie. Fast 30 Prozent der Eltern mit Kindern im 5. Jahrgang gaben an, sich „nahe am Limit“ zu fühlen. Rund 40 Prozent beantworteten die Frage „Wie geht es ihrem Kind?“ mit: „Frustriert; die fehlenden Sozialkontakte setzen meinem Kind zu“ oder mit „nicht gut“. 1,6 Prozent der Eltern wollen sich sogar ärztliche oder psychologische Hilfe für ihre Kinder suchen.3 Die Eltern bestätigen, was Kinderärzte seit langem warnend berichten.

Die Ergebnisse der zweiten Befragung der sogenannten COPSY-Studie (Corona und Psyche) die Forscher des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) als bundesweit erste und international eine von wenigen Längsschnittstudien ihrer Art durchgeführt und am 10. Februar 2021 veröffentlicht haben, weisen besorgnis-erregende Entwicklungen bei den Kindern und Jugendlichen nach. Die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben sich im Verlauf der Corona-Pandemie in Deutschland weiter verschlechtert. Fast jedes dritte Kind leidet ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten. Sorgen und Ängste haben noch einmal zugenommen, auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen. 71 Prozent der Befragten in dieser Altersgruppe gaben an, spürbare seelische Belastungen während der Pandemie zu verspüren. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten stieg von rund 18 Prozent vor Corona auf 31 Prozent während der Krise; es dürfte mittlerweile deutlich angestiegen sein.

Psychiater werden mit den massiven Folgen dieser Corona-Politik für Kinder und Jugendliche konfrontiert. Bei Mädchen sei beispielsweise eine Zunahme von Essstörungen festzustellen, erklärt der Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes-und Jugendalters an der Berliner Charité. Magersucht könne dabei ein verzweifelter Versuch sein, Kontrolle zu verspüren, so der Psychiater weiter. Doch auch Probleme wie Drogensucht oder unkontrollierte Gewalt nehmen auf Grund des Isolierungszwangs von Schülerinnen und Schülern massiv zu.

Bezüglich seelischer Leiden konnte im Falle Englands im aktuellen Bericht The Mental Health of Children and Young People in England 2020 Report des britischen National Health Service nachgewiesen werden, dass allein der Anteil unter den fünf- bis zehnjährigen Jungen, die an psychischen Auffälligkeiten leiden, von 11,5% im Jahr 2017 auf 17,9% angewachsen ist. Der Anteil der elf- bis 16-jährigen Mädchen mit psychischen Erkrankungen stieg im selben Zeitraum von 13,9% auf 20,1%.4 Der „Spiegel“ berichtete bereits in seiner Ausgabe vom 5. Mai 2020 von einem Positionspapier zur Bildungspolitik in der Coronakrise, das sechs Professorinnen und Professoren um den Münchner Bildungsökonomen Ludger Wößmann erstellt hatten. „Schließungen von Schulen und Kitas haben gravierende Folgen“, heißt es in diesem Positionspapier. Weitere 92 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und anderen europäischen Ländern unterzeichneten den Appell unter der Überschrift „Bildung ermöglichen!“

Diese gravierenden Folgen können mittlerweile, auch dank Studien und Erhebungen aus dem europäischen Ausland, qualifiziert und quantifiziert werden. Demnach sind u.a. folgende Phänomene bei einer steigenden Anzahl von Kindern und Jugendlichen zu beobachten:

  • Vereinsamung durch unverhältnismäßige Kontaktbeschränkungen;
  • massive Gewichtszunahme durch Bewegungsmangel und ungesunde Ernährungsgewohnheiten, u.a. bedingt durch den Wegfall der Schulspeisung;
  • Konzentrationsschwierigkeiten und Augenerkrankungen durch übermäßigen Medienkonsum;
  • Zunahme selbstverletzender Verhaltensmuster und suizidaler Gedanken;
  • Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten sowie von depressiven und psychosomatischen Erkrankungen aller Art;
  • gravierende Defizite in der Sprachentwicklung sowie in der motorischen und psychosozialen Entwicklung;
  • massive Lernrückstände aufgrund einer völlig unzureichenden Notbeschulung mit möglicherweise irreversiblen Brüchen des individuellen Bildungsweges.5

Darüber hinaus waren die Schülerinnen und Schüler auch während der Schulzeit durch den Maskenzwang, die Abstandsregeln und manch angstbesessene Aktionen seitens der Lehrerschaft und der Schulleitung einem unglaublichen psychischen Druck ausgesetzt. In einem Offenen Brief an das Ministerium für Schule und Bildung vom 4. August 2020 hatten 130 Ärztinnen und Ärzte die psychischen Folgen einer hysterischen Einengung des normalen Verhaltens von Kindern dargelegt. Der zentrale Satz lautet: „Wir erleben in unseren Sprechstunden eine wachsende Zahl von Kindern mit Anzeichen der Überforderung durch die ihnen aufgebürdeten Verhaltensregeln und die Verantwortungslast für das Leben ihrer geliebten Angehörigen.“6

Die Oberärztin der Kinderambulanz des Gemeinschaftskrankenhauses in Herdecke hat in einem offenen Brief an die NRW-Schulministerin noch einmal die Schädlichkeit der sogenannten Hygienemaßnahmen zusammengefasst. Diesen Brief haben mehr als 100 Mediziner, Sozialarbeiter und Lehrer aus ganz Deutschland unterschrieben. Sie führt darin aus, dass die Maskenpflicht Angststörungen wie Waschzwang oder Schlafstörungen verstärkt. Diese hätten seit Beginn der Corona-Pandemie nämlich merklich zugenommen. Die Unterzeichner fordern nun eindeutige Nachweise für den Nutzen einer Maskenpflicht an Schulen. Auch wolle man juristische Schritte prüfen.7

In die Reihe der Warnungen gehört auch der Brief, den Essener Kinderärzte mit den gleichen alarmierenden Befunden an den Oberbürgermeister der Stadt Essen schickten.

All diese Interventionen konnten das Ministerium nicht davon abhalten, die Rechte von Kindern und Jugendlichen in unverantwortlicher Weise zu beschneiden und in Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte unverhältnismäßige Maßnahmen des Gesundheitsschutzes zu treffen.

In Zeiten der völligen politischen Desorientierung und der bewussten Verunsicherung der Bevölkerung durch tägliche Schreckensmeldungen und die Verbreitung von Panik sollten gerade Bildungspolitiker an die Kinder und Jugendlichen denken, für die sie mit ihren Entscheidungen Verantwortung tragen. Hier trägt der Satz von Frau Ministerin Eisenmann: „Es ist wichtig, dass wir Schulen anders behandeln als Baumärkte – bei aller Wertschätzung für die Baumärkte.“8

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Kinder und Jugendliche werden durch die von der Regierung verordnete soziale Isolierung im Rahmen der Schulschließung zum angeblichen Schutz vor Covid19-Infektion massiv und tiefgehend in ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung geschädigt.
  2. Der in der zurückliegenden Zeit durchgeführte Distanzunterricht ist nur ein schlechter Ersatz für den Präsenzunterricht und darf ihn nur in Notfällen und für eine kurze Zeit ersetzen. Für das Gelingen von Kommunikation, von Lernen und Verstehen benötigen gerade auch die Heranwachsenden das direkte körperlich und sinnlich erfahrbare kooperative Zusammenwirken mit der eigenen Lerngruppe. Geistige Prozesse sind immer eingebettet in ihr Zusammenwirken mit sinnlich-sensualen Abläufen.
  3. Die schulische Bildung ist eine grundlegende, unbedingte Voraussetzung für eine freie und gesunde geistige, körperliche und seelische Entwicklung von Kindern und gehört damit zu den Grundrechten, die nicht von Regierungen verliehen werden und deshalb auch von ihnen nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen.
  4. Die bisherigen massiven Grundrechtseinschränkungen sind angesichts der geringen Infektionszahlen an Schulen nicht gerechtfertigt.

III. Der Landtag fordert deshalb die Landesregierung auf:

  1. Alle Schulen müssen sofort wieder für den Präsenzunterricht uneingeschränkt geöffnet werden.
  2. Den vorhandenen Ängsten von Schülerinnen und Schülern sowie vom Lehrpersonal muss durch faktensichere Informationen über den statistischen Wert der jeweils über die öffentlichen Kanäle verbreiteten Zahlen begegnet werden. Diese Aufklärungsarbeit sollte insbesondere den Fächer Mathematik, Biologie und Sozialwissenschaft übertragen werden.
  3. Auch die Beratungslehrer und Schulsozialarbeiter müssen in die Aufklärungsarbeit eingebunden werden.
  4. Die Infrastruktur des schulpsychologischen Beratungssystems ist zu Beginn des neuen Schuljahres personell, finanziell sowie strukturell zu stärken und bestmöglich auszustatten.
  5. Ziel muss es sein, Kinder und Jugendliche sowie Lehrer und Eltern bei psychologischen bzw. psychosozialen Konflikten oder Lernproblemen durch niedrigschwellige Angebote optimal beraten und begleiten zu können.
  6. Darüber hinaus sind die Eltern frühzeitig über die existierenden Beratungsmöglichkeiten bzw. infrage kommenden Anlaufstellen und Hilfsangebote bei seelischen Leiden zu informieren. Hierfür sind geeignete Medienformate und Informationsmaterialien (z.B. Broschüren etc.) zu erarbeiten und bereitzustellen.
  7. Zur Aufarbeitung der massiven Lernrückstände soll es den Schulen erlaubt sein, nach Beteiligung aller Schulgremien durch Beschluss der Schulkonferenz im Rahmen der eigenen personalen Möglichkeiten die Stundentafeln für die einzelnen Fächer bis zu den Sommerferien schulscharf zu modifizieren.
  8. Den weiterführenden Schulen des Landes sollen in Ausnahmefällen genehmigt werden, ab der Jahrgangsstufe 7 für die Dauer des laufenden Schuljahres auf Beschluss der Schulkonferenz bei festgestelltem Bedarf Samstagsunterricht als Präsenzveranstaltung oder in digitaler Form anzubieten. Dadurch könnten die effektiven Lernzeiten erhöht, die Prüfungsvorbereitungen individualisiert und zusätzliche Förderangebote bereitgestellt werden. Der Stundenumfang soll dabei drei Schulstunden à 45 Minuten nicht überschreiten. Der Einsatz der beteiligten Lehrkräfte, Sonderpädagogen und pädagogischen Unterrichtshilfen ist durch eine monatliche Sonderzahlung in angemessener Höhe zu würdigen.
  9. Prüfungsverfahren müssen die unterschiedlichen Lernstände in den einzelnen Schulen berücksichtigen und sollten neben zentral gestellten Aufgaben auch lerngruppenbezogene Aufgaben zulassen.
  10. Die Versetzungsverfahren müssen durch Beratungskonferenzen der jeweiligen Fachlehrer einer Lerngruppe im Mai vorbereitet werden, wozu bei Bedarf bereits Beratungsgespräche mit Eltern und Schülern über die Weiterführung der Schullaufbahn zu führen sind.

Helmut Seifen
Martin Vincentz
Iris Dworek-Danielowski
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 Corona-Lockdown: Eisenmann warnt vor sozialen Folgen geschlossener Schulen – Politik – Stuttgarter Zeitung (stuttgarter-zeitung.de)

2 Coronavirus: Schule ab Januar wieder offen? – SWR Aktuell

3 Schule in NRW: Klare Forderung von Eltern – „Wir können nicht länger…“  | NRW (wa.de)

4 Vgl.: „Covid: The devastating toll of the pandemic on children“, in: BBC News, 01.02.2021: https://www.bbc.com/news/health-55863841

5 Vgl.: Eric A. Hanushek/Ludger Woessmann, The Economic Impact of Learning Losses, OECD, 09/2020, S. 6. Daten zur effektiven Lernzeit von Schülern während des ersten Lockdown zeigen, dass sich diese von durchschnittlich 7,4 Stunden pro Tag auf 3,6 Stunden pro Tag mehr als halbierte; 38 Prozent der Schüler lernten gar weniger als 2 Stunden pro Tag.

6 https://www.familieninderkrise.com/2020/08/04/maskenpflicht-an-schulen-offener-brief-an-die-ministerin-fuer-schule-und-bildung-nrw/

7 https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/corona-mund-nasen-schutz-schule-offener-brief-aerzte-100.html

8 Coronavirus: Schule ab Januar wieder offen? – SWR Aktuell