„Die Vertreter der Regierung standen spontan auf und zogen ihre Mäntel an.“ –Bezirks-regierung Arnsberg plant Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Oeventrop für 450 Migranten und scheitert am solidarischen Protest der Anwohner

Kleine Anfrage
vom 03.08.2023

Kleine Anfrage 2278

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Christian Loose AfD

„Die Vertreter der Regierung standen spontan auf und zogen ihre Mäntel an.“ –Bezirks­regierung Arnsberg plant Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Oeventrop für 450 Migranten und scheitert am solidarischen Protest der Anwohner

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

„Ich sage hiermit ab!“, so reagierte ein Immobilienbesitzer auf den lautstarken Protest besorg­ter Bewohner der beschaulichen Kommune Oeventrop (6.200 Einwohner) auf die geplante Umwidmung des ehemaligen Klosters in eine ZUE. In den Lokalnachrichten heißt es weiter: „Tosender Jubel brandete auf, begleitet von Standing Ovationen. Die Vertreter der Regierung standen spontan auf und zogen ihre Mäntel an.“1

Insgesamt ca. 900 Menschen besuchten am 31. Juli 2023 eine Informationsveranstaltung zur geplanten ZUE Oeventrop. Hierzu hatte die Bezirksregierung Arnsberg geladen.

Wie in einem Onlineportal berichtet wird, sei ein Immobilienbesitzer im Mai von der Regierung angesprochen worden. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob das Missionshaus für eine ZUE zu haben sei. Nach einem Brand im Jahr 20172 standen vor einer Nachnutzung umfang­reiche Sanierungs- und Umbauarbeiten an.

Auf Grund diverser Probleme zogen sich die Bauarbeiten an der ruinierten Immobilie immer mehr in die Länge. In dieser Situation kam das Angebot der Bezirksregierung zur Umwidmung in eine ZUE auf den ersten Blick willkommen. Anders als bei einem vergleichbaren Projekt im Hotel Van der Valk in Gladbeck gab der Immobilienbesitzer in Oeventrop das Versprechen, das Geschäft mit der Bezirksregierung von der Zustimmung der Anwohner abhängig zu ma­chen.

Anlässlich der Informationsveranstaltung am 31. Juli führte er daher aus: „Eines steht aber fest, ich halte, was ich verspreche, ohne Eure Zustimmung werde ich keine Zustimmung für ein ZUE geben!“3

Nachdem es im weiteren Verlauf der Veranstaltung zu lautstarkem Protest gegen die Pläne der Bezirksregierung kam, stellte der Immobilienbesitzer dann die Frage an die Regierung, was denn passiere, wenn er sein Angebot zurückzieht. Er bekam zur Antwort, dass man dann in Arnsberg weiter suchen müsse.

Dem folgte eingangs erwähnte Szene, wonach der Immobilienbesitzer spontan aufstand, ans Mikrofon ging und verkündete: „Ich sage hiermit ab!“

Wie aus einem TV-Bericht bei RTL-West hervorgeht, hat der Unternehmer die baufällige Im­mobilie im Jahr 2021 gekauft. Die Bezirksregierung Arnsberg hatte ihm Ende Mai ein Angebot zur Anmietung der Immobilie unterbreitet. Der Unternehmer unterbreitete den Anwohnern so­gar das Angebot, einen Teil der Mieteinnahmen für Investitionen in der Kommune zur Verfü­gung zu stellen. Auch das trug allerdings nicht zur Beruhigung der Anwohner bei.4

Wie aus Berichten des WDR hervorgeht, gab es vor dem Angebot der Bezirksregierung bereits fertige Pläne zur Errichtung eines Seniorenheims sowie von 20 neuen Wohnhäusern auf dem Gelände. Angeblich war das Angebot der Bezirksregierung für den Unternehmer aber lukrati­ver. Im Bericht heißt es: „Dabei schien für den Eigentümer des ehemaligen Klosters im Arns-berger Ortsteil Oeventrop die Anfrage der Landesregierung zunächst ein Glücksgriff zu sein. Die hatte ihn gefragt, ob sie das renovierungsbedürftige Gebäude nicht mieten könne, um 450 Flüchtlinge unterzubringen. Als „Lottogewinn“ bezeichnete der Eigentümer das Angebot ge­genüber dem WDR. Mehrere Millionen Euro Miete für das bisher nicht bewohnbare Gebäude sollten fließen – pro Jahr.“ Im Bericht ist auch die Rede von einer rechtlichen Prüfung, inwiefern die Errichtung einer ZUE an diesem Standort überhaupt möglich ist.5,6

Nachdem die Regierungsvertreter versuchten die Anwohner von der Notwendigkeit des Vor­habens zu überzeugen und angeblich eine Stunde lang Monologe mit der immer gleichen Bot­schaft auf die Anwohner eingeprasselt waren, konnten diese endlich ihre Fragen stellen. Die Entfremdung vom Bürger durch die Vertreter der Bezirksregierung wurde dann exemplarisch deutlich, als aus dem Publikum mehrere Menschen gleichzeitig riefen: „Dann lasst uns doch jetzt abstimmen.“ Die Bezirksregierung macht daraufhin klar: Es gibt nichts abzustimmen. Das Land entscheidet, mit wem es Mietverträge macht – nicht etwa die Bürgerinnen und Bürger. Um so irritierter dürfte man gewesen sein, nachdem sich herausstellte, dass es am Ende dann gerade nicht die Bezirksregierung war, die die Entscheidung traf, sondern der ortsansässige Unternehmer, der den Willen seiner Mitbürger in der Kommune respektierte und das Angebot zurückzog.7 Dem „Sauerland-Kurier“ sagte er nach der Entscheidung: „„Ich bin Oeventroper mit Herz und Seele, dieses Dafür und Dagegen spaltet den Ort“, erklärte er, dass er durch das Stimmungsbild in der Halle und die teils schwammigen Aussagen des Landes zu dieser Ent­scheidung gekommen sei. „Ohne die Akzeptanz des Ortes mache ich das nicht, das habe ich von vornherein gesagt. Die Resonanz jetzt zeigt mir, dass Geld allein nicht alles und die Ent­scheidung goldrichtig ist.““8

Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2278 mit Schreiben vom 28. August 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Auf welche Summe hätte sich bei einem erfolgreichen Vertragsabschluss die Jahresmiete inkl. Nebenkosten für die Immobilie belaufen? (Bitte die Summe gem. dem letzten Verhandlungsstand angeben)
  2. Mit welchen Kosten hatte die Bezirksregierung Arnsberg im Rahmen der bisheri­gen Planungen für die Sanierung bzw. den Umbau der Immobile in eine ZUE kal­kuliert? (Bitte in diesem Zusammenhang auch die vorgesehene Vertragslaufzeit angeben)
  3. Mit welchen Kosten für den Betrieb der ZUE hatte die Bezirksregierung Arnsberg im Rahmen der bisherigen Planungen kalkuliert? (Bitte differenziert aufschlüsseln und u. a. auch die geplante Pauschale pro Person für die Verpflegung nennen)

Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Zum Zeitpunkt der Bürgerversammlung waren die Verhandlungen zwischen der Bezirksregie­rung Arnsberg und dem Vermieter noch nicht abgeschlossen. Zu den Mietkosten können da­her ebenso wenig Angaben gemacht werden wie zu eventuellen Kosten für Sicherheits-, Be-treuungs- und Verpflegungsdienstleistungen, die in einem der Anmietung nachgelagerten Vergabeverfahren ausgeschrieben worden wären.

  1. Welche Lehren zieht die Landesregierung aus dem erfolgreichen Protest der An­wohner gegen die Errichtung einer ZUE für 450 Personen in einer beschaulichen Kommune mit lediglich 6.200 Einwohnern?
  2. Wie gedenkt die Landesregierung zukünftig auf die berechtigten Sorgen betroffe­ner Bürger und eine damit verbundene integrationspolitische Überforderung im Zusammenhang mit der Errichtung neuer Unterbringungseinrichtungen des Lan­des zu reagieren?

Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Land und Kommunen bilden bei der Unterbringung und Versorgung eine Verantwortungsge­meinschaft. Das Land arbeitet mit Hochdruck daran, die Kommunen weiter durch den Ausbau der Landesunterbringung zu entlasten, ist dabei gleichwohl auch bei der Schaffung weiterer Landeskapazitäten auf die Kooperation mit den Kommunen angewiesen. Das Land setzt daher auf einen engen Austausch mit den Kommunalen Spitzenverbänden und den jeweiligen örtli­chen Verantwortungsträgern.

Unabhängig von der Größe und der Lage der Einrichtung setzt das Land bei seiner Unterbrin­gung darauf, den Geflüchteten als Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtungen, aber auch der unmittelbaren Nachbarschaft ein gutes Miteinander zu ermöglichen. So verfügen die Einrichtungen neben einem Sicherheitsdienst über eine an der Bewohnerzahl der Einrichtung ausgerichtete Anzahl von Sozialbetreuerinnen und Sozialbetreuern, die rund um die Uhr an­wesend und ansprechbar sind. In den Einrichtungen finden alters- und geschlechtergerechte Bildungs- und Betreuungsangebote statt und bieten den Bewohnerinnen und Bewohnern eine Tagesstruktur. Örtliche Vereine und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind willkommen, das Angebot mitzugestalten. Ein Umfeldmanagement übernimmt die Mittlerfunktion zwischen der Aufnahmeeinrichtung und der Bürgerschaft und stellt insbesondere zwischen den Geflüch­teten und der (unmittelbaren) Nachbarschaft einen persönlichen Kontakt her. Das Umfeldmanagement vermittelt bei Konfliktlagen und wirkt diesen proaktiv, beispielsweise durch re­gelmäßige Bürgersprechstunden, entgegen.

 

Antwort als PDF

 

1 Vgl. https://www.oeventrop.de/immobilienbesitzer-christoph-kraas-zieht-sein-angebot-fuer-die-ein-richtung-einer-zue-im-missionshaus-zurueck/ und https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-westblick-aktuell/audio-oeventrop-ein-dorf-fuehlt-sich-ueberfordert-100.html

2 Vgl. https://www.blickpunkt-arnsberg-sundern-meschede.de/feuer-in-ex-klinik-polizei-geht-von-brand-stiftung-aus/

3 Ebd.

4 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=mYQIxxVBCog

5 Vgl. https://www1.wdr.de/mediathek/av/video-nrw-sucht-wohin-mit-den-gefluechteten-100.html

6 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/arnsberg-keine-zentrale-unterbringungseinrich-tung-fuer-gefluechtete-100.html

7 Ebd.

8 Vgl. https://www.sauerlandkurier.de/hochsauerlandkreis/arnsberg/buerger-stellen-sich-gegen-zue-in-ehemaligem-kloster-in-oeventrop-92435078.html