Antrag
der Fraktion der AfD
Geschönte Statistiken oder Steuergeldverschwendung? – Wie hoch ist die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche und deren finanzielle Auswirkungen auf das Land NRW tatsächlich?
I. Ausgangslage
Der induzierte Abort beschreibt die vorzeitige, meist gewollte Beendigung einer Schwangerschaft und gehört in Deutschland zu den häufigsten gynäkologischen Eingriffen. Zwar ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche seit dem Jahr 2001 gemäß Bundesamt für Statistik rückläufig, jedoch mit 98.721 Eingriffen im Jahr 2016 noch bedenklich hoch. Trauriger Spitzenreiter ist das Land Nordrhein-Westfalen mit allein 21.253 medizinisch induzierten Aborten im Jahr 2016. Ihren Höhepunkt erreicht diese gesellschaftliche Schieflage vor dem Hintergrund der bundesweiten Diskussion zur Abschaffung des § 219a StGB, dem sogenannten „Werbeverbot“. Hier werden wirtschaftliche Interessen und die Würde ungeborenen menschlichen Lebens in Verhältnis zueinander gesetzt und abgewogen. Eine fragwürdige Diskussion vor dem Hintergrund, dass die Bestrebungen eher in die Verringerung der medizinischen Eingriffe und deren Prävention gehen sollten, anstatt in ihre Agitation.
Bis heute ist der Schwangerschaftsabbruch nicht im Recht der medizinischen Dienstleistungen geregelt, sondern im Strafgesetzbuch im Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“. Es ist derselbe Abschnitt, in dem Mord und Totschlag sanktioniert sind. So sagte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.05.1993, dass der Bundesgesetzgeber den strafrechtlichen Schutz des ungeborenen Lebens nur dann partiell zurücknehmen darf, wenn er an dessen Stelle ein anderes wirksames Schutzkonzept setzt1. Somit wäre eine Umformulierung des Gesetzes notwendig, wenn der „Schutz des ungeborenen Lebens“ aufgrund immer weiter steigender Abbruchzahlen nicht mehr nachhaltig gesichert und somit kein wirksames Schutzkonzept nachweisbar ist.
Sofern weder eine medizinische noch kriminologische Indikation vorliegt, bestimmt der § 19 I des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, dass Frauen Anspruch auf Leistungen für den Abbruch der Schwangerschaft haben, wenn ihnen „die Aufbringung der Mittel für den Abbruch der Schwangerschaft nicht zuzumuten ist.“ Ferner bestimmt § 19 II SchKG in seiner ursprünglichen Fassung, dass einer Frau die Aufbringung der Mittel dann nicht zuzumuten sei, wenn ihre persönlichen Einkünfte 1001 Euro nicht übersteigen, oder gemäß § 19 III Nr. 2 SchKG „die Frau laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Ausbildungsförderung im Rahmen der Anordnung der Bundesagentur für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung oder über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhält“. In einem solchen Fall können die betroffenen Frauen einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse stellen, welche die Kosten vorerst auslegt. Anschließend jedoch werden diese Kosten seitens der Krankenkassen mit dem zuständigen Bundesland, in welchem die betroffene Frau ihren Hauptwohnsitz hat, abgerechnet. Das zuständige Bundesland ist somit Kostenträger. Die Kosten belaufen sich schätzungsweise je nach stationärer oder ambulanter Behandlung auf 300 Euro bis 600 Euro. Frauen, die keine Leistungen nach den o.g. Normen erhalten, tragen die Kosten selbst, können diese jedoch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen unter „medizinische Heilbehandlungen“ steuerlich geltend machen.
Fraglich erscheint diese Regelung jedoch bei der Auswertung der Statistiken. Aus der Antwort der Landesregierung2 auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion geht hervor, dass das Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 die Kosten für 22.915 Schwangerschaftsabbrüche übernommen hat und im Jahr 2016 für 21.658. Dies stellt sich als bedenklich dar, da gemäß Statistischem Bundesamt es in dem Jahr 2015 gerade einmal 20.783 Schwangerschaftsabbrüche und in dem Jahr 2016 21.041 in Nordrhein-Westfalen gegeben haben soll3.
Zwar gibt das Ministerium für Familie Kinder und Jugend mit Schreiben vom 12.07.2018 Auskunft darüber, dass diese Differenz daraus resultieren kann, dass einige Frauen, die ihren Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen haben, einen solchen Eingriff außerhalb des Bundeslandes vornehmen lassen, und somit aus der Statistik fallen. Jedoch gibt das Statistische Bundesamt auch Auskunft über das Wohnsitzland, denn nur in diesem kann der Eingriff finanziell mit dem Bundesland abgerechnet werden. So haben – unabhängig vom Eingriffsland – im Jahr 2015 20.783 Frauen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, die Ihren regulären Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen haben. Im Jahr 2016 sind es 21.041 Frauen gewesen. Somit übersteigt die Anzahl der registrierten und finanziell ausgeglichenen Schwangerschaftsabbrüche die Zahl der Frauen, welche gemäß Schwangerschaftskonfliktgesetz einen Anspruch auf Kostenübernahme haben und darüber hinaus auch die Gesamtanzahl der registrierten gynäkologischen Eingriffe.
Eine besonders fragwürdige Differenz, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Kosten nur in besonderen Ausnahmefällen tragen muss. So wurden im Jahr 2015 noch 791 Schwangerschaftsabbrüche und im Jahr 2016 802 Eingriffe von den gesetzlichen Krankenversicherungen getragen aufgrund von medizinischer bzw. kriminologischer Indikation4. Ebenso herausgerechnet werden muss die Anzahl der Frauen, denen nach § 19 II SchKG die Aufbringung der finanziellen Mittel zuzumuten ist, insbesondere dann, wenn ihre persönlichen Einkünfte 1001€ übersteigen.
Zusammenfassend stellt sich nicht nur die offizielle Statistik zu den erfolgten induzierten Aborten als in besonderem Maße fragwürdig dar, sondern auch die finanziellen Aufwendungen des Landes Nordrhein-Westfalen. Hier bedarf es einer umfassenden Reform der Dokumentationspflicht, insbesondere im Hinblick auf eine transparent gestaltete Abrechnung und den daraus resultierenden finanziellen Auswirkungen auf das Land.
Nordrhein-Westfalen hat, vor dem Hintergrund der höchsten Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen im gesamten Bundesgebiet, eine Vorbildfunktion und besondere Verantwortung einer sorgfältigen Dokumentationspflicht, welche konform mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes einhergeht und somit dem „Schutz des ungeborenen Lebens“ mittels dem in der Rechtsprechung gefordertem wirksamen Schutzkonzept sicherstellt und valide verifiziert.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- Die bestehende Auskunftspflicht zu standardisieren und ein einheitliches Verfahren zu schaffen, welches eine lückenlose Registrierung mittels zuverlässiger Statistik der induzierten Aborte ermöglicht.
- Ein Konzept zu entwickeln, welches die finanziellen Aufwendungen des Landes Nordrhein-Westfalen transparent gliedert und eine Nachverfolgung ermöglicht.
- Regelungen zu schaffen, dass ein finanzieller Ausgleich nur in den Fällen stattfindet, in denen der Eingriff auch im zuständigen Bundesland vorgenommen wird, um somit die Dokumentationspflicht zu vereinheitlichen und sicherzustellen, dass die Eingriffe zwingend im Bundesgebiet und somit ausschließlich in Abhängigkeit von deutschem geltenden Recht innerhalb der Grenze für einen straffreien Abbruch vorgenommen werden können.
- Eine Evaluation der Präventionsmaßnahmen vorzunehmen, mit dem Ziel die Zahl der Abtreibungen weiterhin zu reduzieren.
Dr. Martin Vincentz
Thomas Röckemann
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 BVerfG. v. 28.05.1993, Az.: 2 BvF 2/90
2 Drucksache 17/2273 Landtag NRW
3 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/ Tabellen/LandWohnsitz.html (abgerufen am 03.09.2018)
4 http://www.gbe-bund.de/oowa921-
install/servlet/oowa/aw92/WS0100/_XWD_FORMPROC?TARGET=&PAGE=_XWD_204&OPINDEX= 4&HANDLER=_XWD_CUBE.SETPGS&DATACUBE=_XWD_232&D.001=9&D.100=10102