Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie bei der Errichtung neuer Flüchtlingsun-terkünfte und des kommunalen Mitspracherechts bei der Zuweisung des Landes an die Kommunen gemäß Flüchtlingsaufnahmegesetz

Gesetzentwurf
vom 17.10.2023

Gesetzentwurf

der Fraktion der AfD

Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie bei der Errichtung neuer Flüchtlingsun­terkünfte und des kommunalen Mitspracherechts bei der Zuweisung des Landes an die Kommunen gemäß Flüchtlingsaufnahmegesetz

A Problem

Gemäß Artikel 2 der Landesverfassung NRW bekundet das Volk seinen Willen durch Wahl, Volksbegehren und Volksentscheid. Die direkte Demokratie findet auf kommunaler Ebene Ausdruck in Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden und Ratsbürgerentscheiden. Die entspre­chende Rechtsgrundlage findet sich in der Gemeindeordnung NRW (§ 26 GO NRW).

Nach bestehender Rechtslage gibt es bei Bürgerentscheiden hohe Hürden. So müssen z. B. in kleineren Gemeinden bis 10.000 Einwohner 10 % der Bürger das Bürgerbegehren unter­schreiben; zusätzlich hat der Rat die Möglichkeit, ein Bürgerbegehren mit einer Frist von 8 Wo­chen abzulehnen. Bei einem Ratsbürgerentscheid ist sogar eine Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder erforderlich.

Wie sich anhand zahlreicher Beispiele gezeigt hat, stellen Flüchtlingsunterkünfte die Anwoh­ner vor enorme Herausforderungen. Es zeigt sich leider auch, dass die Bezirksregierungen immer öfter Einrichtungen in kleineren Kommunen planen und dabei eine vertretbare Relation Anwohner/Asylbewerber völlig aus den Augen verlieren. Beispiele dafür gibt es in Arnsberg-Oeventrop oder aktuell in Hamminkeln-Dingden. Ein Ort mit 7.100 Einwohnern und eine Un­terbringungseinrichtung direkt im Ort mit einer Kapazität für 450 Personen passen schlichtweg nicht zusammen.

Die Bürger haben berechtigte Sorgen insbesondere um ihre Sicherheit und erleiden einen enormen Wertverlust ihrer Immobilen. Am Ende geht es aber insbesondere auch um das ver­traute, friedliche Lebensgefühl in der Kommune.

In größeren Städten gab es bereits vor der Grenzschutzkrise seit 2015 erhebliche Integrati­onsprobleme und damit verbunden enorme Herausforderungen – beispielsweise im schuli­schen Bereich. Die völlig aus dem Ruder geratene Flüchtlingspolitik ist in diesen Städten dann noch hinzugekommen. Besonders betroffen sind hierbei das Ruhrgebiet, die Wupper-Region und der Großraum Köln.

Nicht nur die Bürger befinden sich am Rande der Leistungsfähigkeit, Ähnliches gilt für die Kommunen. Die Unterbringungskapazitäten sind vielerorts erschöpft. Dabei geht es längst nicht nur um die Unterbringung an sich, sondern auch um fehlende Möglichkeiten zur Aufsto­ckung der entsprechenden Infrastruktur. Betroffen sind hierbei erneut auch unsere Kinder, da ein geordneter Unterricht kaum noch möglich ist, wenn ein Großteil der Schüler nicht der deut­schen Sprache mächtig ist und erhebliche Lernrückstände aufweist, die sich aus der bisheri­gen Beschulung im Herkunftsland ergeben. Eine hierfür erforderliche Anzahl an Pädagogen fehlt. Zudem ist die Bereitschaft von Pädagogen zur Unterrichtung an „Problemschulen“ aus nachvollziehbaren Gründen eher gering.

Eine deutliche Überlastung gibt es auch in der kommunalen Verwaltung. Das betrifft Bürger­büros, aber auch kommunale Ausländerbehörden. Der erhöhte Arbeitsdruck führt hier zu einer starken Fluktuation, wodurch sich die Probleme weiter verschärfen.

Verbunden mit anderen fatalen Fehlentwicklungen ergibt sich ein Zustand, der den Fortbe­stand der kommunalen Selbstverwaltung in NRW gefährdet. So heißt es in einem Brandbrief hunderter Kommunen an den Ministerpräsidenten des Landes NRW, dass als ein wesentlicher Grund für die Überlastung der Kommunen die „Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen jenseits der Grenzen der Leistungsfähigkeit sowohl des hauptamtlichen als auch des ehrenamtlichen Engagements ohne erkennbare Aussicht auf Neuordnung des Zuwande­rungsgeschehens“ angesehen wird.1

Gemäß der aktuellen Rechtslage kann die Zuweisung an die Kommunen für bis zu acht Wo­chen ausgesetzt werden, wenn eine Gemeinde glaubhaft darlegen kann, ihrer Aufnahmever­pflichtung aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse kurzfristig nicht nachkommen zu können. Da kaum jemand – trotz bestehender Ausreisepflicht – abgeschoben wird und der weitere Zustrom ungebremst anhält, wird mit einem lediglich temporären Zuweisungsstopp keine dauerhafte Lösung erzielt.

Für die Dauer des Aufschubs der Zuweisung sollen die ausländischen Flüchtlinge gem. § 3 FlüAG in einer Landeseinrichtung verbleiben. Die Kosten für die Unterbringung und Ver­sorgung der ausländischen Flüchtlinge soll in diesem Fall allerdings die Gemeinde tragen, die ihre Aufnahmeverpflichtung aufschieben will. Somit wird lediglich das Unterbringungsproblem temporär gelindert, während die finanzielle Belastung der betreffenden Kommunen trotz Zu­weisungsstopp bestehen bleibt.

B Lösung

Bedingt durch die immensen Auswirkungen, die durch die Errichtung immer neuer Flüchtlings­unterkünfte entstehen, sind die Bürger wesentlich stärker als bisher in den Entscheidungspro­zess einzubinden. Das soll geschehen durch einen zwangsweisen Ratsbürgerentscheid bei der beabsichtigten Inbetriebnahme einer kommunalen Unterbringungseinrichtung für Flücht­linge, wenn dort mehr als 50 Personen untergebracht werden sollen. Dies soll ausdrücklich sowohl den Neubau bzw. Erweiterungsbau als auch die Anmietung einer Immobilie betreffen. Diese Regelung soll entsprechend bei der beabsichtigten Vermietung oder beim beabsichtig­ten Verkauf einer Immobilie bzw. eines Grundstücks an das Land NRW bzw. die jeweils zu­ständige Bezirksregierung zum Tragen kommen, wenn an diesem Standort eine Landesunter-bringungseinrichtung, also eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE), eine Erstaufnah-meeinrichtung (EAE) oder eine Notunterkunft (NU), entstehen soll.

Der Ratsbürgerentscheid soll in diesen Fällen ausdrücklich verpflichtend sein und nicht von einem vorherigen Votum des Rats abhängig sein. Dem Instrument der direkten Demokratie soll somit bei derart wichtigen Entscheidungen Geltung verschafft werden.

Auch generell soll das Instrument des Ratsbürgerentscheids gestärkt werden. In diesem Zu­sammenhang soll zukünftig eine einfache Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder für einen entsprechenden Beschluss ausreichend sein.

Sind die Unterbringungskapazitäten einer Kommune erschöpft, soll eine Aussetzung der Zu­weisungen zukünftig – statt für 8 Wochen – auf unbestimmte Zeit erfolgen können. Zuweisun­gen sollen erst wieder aufgenommen werden, wenn sich die Kommune dazu im Stande sieht.

Um die Kommunen nicht nur im Rahmen der Unterbringung, sondern auch finanziell zu unter­stützen, soll in Fällen einer Aussetzung der Zuweisungen in diesem Zeitraum zukünftig das Land die Kosten der Unterbringung und Versorgung in den Landesunterkünften tragen.

C Alternativen

Keine

D Kosten

Auf die Kommunen kommen im Zuge der Durchführung von Bürgerentscheiden – in Abhän­gigkeit von der Anzahl der Bürgerentscheide – Kosten zu. Im Gegenzug entfallen Kosten, da dem Land gem. § 3 Absatz 4 FlüAG die Aufwendungen für die Ersatzunterbringung in den Landeseinrichtungen nicht länger zu erstatten sind.

Auf das Land kommen zusätzliche Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Asylsu­chenden zu, wenn die Kommunen gem. § 3 Absatz 4 FlüAG erklären, dass sie sich zu weiteren kommunalen Aufnahmen außerstande sehen.

G e g e n ü b e r s t e l l u n g => PDF

Begründung
Artikel 1

Die bisherigen Hürden zur Herbeiführung eines Ratsbürgerentscheids sind zu hoch. Zur Stär­kung der direkten Demokratie befürworten wir daher eine Absenkung des Quorums auf die einfache Mehrheit.

Im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften erscheint auch diese Absenkung als nicht aus­reichend, da die Auswirkungen in der Regel extrem sind. Als Beispiel sei hier eine geplante Notunterkunft für 300 Personen in Hörste aufgeführt. Bei einer aktuellen Bevölkerungszahl von 1.500 Personen ergibt sich mit der Notunterkunft ein Verhältnis Asylbewerber/Anwohner von 1:5. Bei der Altersgruppe von 16 bis 30 Jahren könnte sich sogar ein quantitatives Unterge­wicht zu Lasten der Anwohner ergeben. Das Beispiel zeigt, dass ein Bürgerentscheid bei der­artigen Einschnitten in das bisherige Dorfleben unausweichlich ist.

In Ballungsräumen dagegen kann eine Großeinrichtung zu einem Kipppunkt im betroffenen Ortsteil führen, wenn dieser eh schon mit integrationspolitischen Problemlagen umgehen muss. Die betroffenen Bürger können die jeweilige Situation am besten einschätzen und soll­ten daher in Form einer direktdemokratischen Entscheidung eingebunden werden. Durch diese Form der direkten Bürgerbeteiligung könnte die Politik verlorengegangenes Vertrauen in Teilen zurückerlangen.

Durch die Grenze von maximal 50 Unterbringungsplätzen in Einrichtungen, die ohne Ratsbür-gerentscheid von den Kommunen beschlossen werden können, bleiben die Kommunen im Rahmen der grundsätzlichen Unterbringungspflicht handlungsfähig; eine Errichtung bzw. In­betriebnahme von Unterbringungseinrichtungen ab 50 Unterbringungsplätzen bliebe den Kommunen ohne entsprechenden Ratsbürgerentscheid allerdings in Zukunft verwehrt.

Artikel 2

Sind die Kapazitäten in einer Kommune ausgeschöpft, sollte eine weitere Zuweisung gem. FlüAG unterbleiben, und zwar auf unbestimmte Zeit. Die bisherige Zuweisungspause von ma­ximal 8 Wochen entspricht nicht den Gegebenheiten vor Ort. Die Dauer des maximalen Zu­weisungsstopps ist daher zu entfristen. Eine permanente Nachweispflicht der Kommunen bleibt von dieser Regelung unberührt.

Ebenso ist eine Weitergabe der Kosten an die jeweilige Kommune in diesen Fällen der Situa­tion nicht angemessen. Wie der oben aufgeführte Brandbrief hunderter Kommunen an den Ministerpräsidenten des Landes NRW zeigt, sind die Probleme der Kommunen vielfältig. Sollte sich eine weitere Zuweisung außerhalb der Möglichkeiten einer Kommune bewegen, betrifft dies in aller Regel auch die finanziellen Möglichkeiten. Daher soll in diesen Fällen zukünftig das Land die Kosten übernehmen, um die betroffenen Kommunen in jederlei Hinsicht spürbar zu entlasten.

Enxhi Seli-Zacharias
Sven W. Tritschler
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

MMD18-6379

 

1 Vgl. https://www.kommunen.nrw/presse/pressemitteilungen/detail/dokument/kommunen-schlagen-alarm-handlungsfaehigkeit-gefaehrdet.html