Gesundheitskosten von Zuwanderern über das Asylrecht.

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 36
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Dr. Martin Vincentz vom 27.06.2022

 

Gesundheitskosten von Zuwanderern über das Asylrecht.

Personen, die Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) haben, erhalten in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts eine Krankenversorgung gemäß §§ 4 und 6 Absatz 1 AsylbLG. Die Leistungen umfassen gemäß § 4 AsylbLG die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzen sowie Hilfe bei Schwangerschaft und Geburt. Außerdem werden Schutzimpfungen und medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen übernommen. Weitere medizinische Leistungen können gemäß § 6 Absatz 1 AsylbLG erbracht werden, wenn sonst gesundheitliche Gefährdungen drohen.

Für die Schutzsuchenden aus der Ukraine ist darüber hinaus der Bereich der Leistungen nach § 6 Absatz 2 AsylbLG eröffnet. § 6 Absatz 2 AsylbLG gewährt Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und besondere Bedürfnisse haben, einen erleichterten Zugang zu weiteren medizinischen und sonstigen Leistungen, insbesondere für fluchtbedingte Behandlungen (zum Beispiel Psychotherapien). Als Personen mit besonderen Bedürfnissen werden in § 6 Absatz 2 AsylbLG beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, genannt.

Die Ausführung der Krankenversorgung nach §§ 4 und 6 AsylbLG wurde gemäß § 264 Absatz 1 SGB V regelmäßig durch die zuständigen Landesbehörden vertraglich auf die gesetzliche Krankenversicherung übertragen. Die Kosten werden der gesetzlichen Krankenversicherung von der landesrechtlich zuständigen Sozialbehörde erstattet.

Nach 18 Monaten erfolgt in der Regel der Wechsel in die Leistungen nach § 2 AsylbLG. Der Leistungsumfang hinsichtlich der Krankenversorgung entspricht dann analog den Leistungen der §§ 47 fortfolgende SGB XII und damit dem Umfang nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die konkrete Versorgung erfolgt gemäß § 264 Absatz 2 SGB V durch eine Krankenkasse, die der Leistungsberechtigte selbst auswählen kann und die die Kosten von der Sozialbehörde erstattet bekommt.

In diesem Zusammenhang fragen wir die Landesregierung:

  1. In welcher Höhe sind in Nordrhein-Westfalen in der Zeit von 2010 bis 2022 medizinische Behandlungskosten für Asylbewerber entstanden? Bitte jedes Jahr getrennt nach den Kosten für ambulante Behandlungen und Krankenhausbehandlungen auflisten. Bitte zusätzlich aufschlüsseln nach Asylbewerbern, deren Antrag anerkannt oder abgelehnt wurde.
  2. Wie hoch waren die Kosten für medizinische Leistungen zugunsten von ausländischen Leistungsberechtigten in der Zeit von 2010 bis 2022 für Nordrhein-Westfalen? (bitte differenzieren nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), nach § 6 Absatz 1 2 Alt. AsylbLG und nach §§ 47 bis 52 SGB)
  3. Welche medizinischen Leistungen standen den oben genannten Personenkreisen im Jahr 2010 bzw. 2022 nach der jeweiligen Gesetzeslage zu? Bitte insgesamt und für jedes Jahr gesondert auflisten.
  4. Für wie viele Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft erfolgte in der Zeit von 2010 bis 2022 eine Kostenerstattung durch das Land Nordrhein-Westfalen an die jeweiligen Kostenträger? Bitte insgesamt und für jedes Jahr gesondert auflisten.
  5. In welcher Höhe wurden in der Zeit von 2010 bis 2022 im Wege der auftragsweisen Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 1 SGB V Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Land NRW übernommen? Bitte insgesamt und für jedes Jahr gesondert auflisten.

Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz

 

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Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 36 mit Schreiben vom 29. Juli 2022 im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales namens der Landesregierung beantwortet.

  1. In welcher Höhe sind in Nordrhein-Westfalen in der Zeit von 2010 bis 2022 medizinische Behandlungskosten für Asylbewerber entstanden? Bitte jedes Jahr getrennt nach den Kosten für ambulante Behandlungen und Krankenhausbehandlungen auflisten. Bitte zusätzlich aufschlüsseln nach Asylbewerbern, deren Antrag anerkannt oder abgelehnt wurde.
  2. Wie hoch waren die Kosten für medizinische Leistungen zugunsten von ausländischen Leistungsberechtigten in der Zeit von 2010 bis 2022 für Nordrhein-Westfalen? (bitte differenzieren nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), nach § 6 Absatz 1 2 Alt. AsylbLG und nach §§ 47 bis 52 SGB)

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Aus dem Landeshaushalt sind ausschließlich die Aufwendungen des Landes gemäß §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die in den Aufnahmeeinrichtungen gemäß § 44 AsylG untergebrachten leistungsberechtigten Personen ersichtlich.

Diese Aufwendungen gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG sind im Haushalt in einer Summe etatisiert und werden nicht getrennt erhoben; eine Aufschlüsselung der Beträge kann insofern nicht erfolgen. Ebenso liegen der Landesregierung keine Angaben über die Art der Behandlungskosten z.B. getrennt nach ambulanten und stationären Behandlungen vor.

Folgende Beträge wurden in den Jahren 2018 bis 2021 für Aufwendungen gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG verausgabt:

2018          31.898.000 Euro

2019          30.916.000 Euro

2020          36.171.000 Euro

2021          26.671.000 Euro

Für die Jahre vor 2018 erfolgte keine von den Ausgaben für die Leistungen des notwendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 AsylbLG („Taschengeld“) gesonderte Etatisierung und Erfassung der Aufwendungen, insofern liegen entsprechende Daten zu den Ist-Ausgaben erst ab dem Haushaltsjahr 2018 vor.

Die Ist-Ausgaben für das Jahr 2022 liegen noch nicht vor.

Die den örtlichen Trägern für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt an Berechtigte nach § 4 AsylbLG in Nordrhein-Westfalen entstandenen Ausgaben ergeben sich aus der Asylbewerberleistungsstatistik des statistischen Landesamtes und belaufen sich für die Jahre 2010 bis 2020 wie folgt:

2010 38.134.000 EURO
2011 45.544.000 EURO
2012 48.056.000 EURO
2013 66.477.000 EURO
2014 102.560.000 EURO
2015 158.086.000 EURO
2016 292.054.000 EURO
2017 200.090.000 EURO
2018 108.520.000 EURO
2019 88.813.000 EURO
2020 84.739.000 EURO

 

Die Beträge sind auf volle tausend Euro gerundet.

Aufwendungen nach § 6 Abs.2 AsylbLG sind erstmalig im Jahre 2022 mit Umsetzung des Durchführungsbeschlusses des Rates zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG entstanden.

Daten für die Jahre 2021 sowie 2022 lagen zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage 36 noch nicht vor.

  1. Welche medizinischen Leistungen standen den oben genannten Personenkreisen im Jahr 2010 bzw. 2022 nach der jeweiligen Gesetzeslage zu? Bitte insgesamt und für jedes Jahr gesondert auflisten.

Durch das 1. Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 26.05.1997 (BGBL.I 1130) ist § 4 Absatz 3 AsylbLG geändert worden, der die Sicherstellung der Versorgung durch die Behörden betrifft. Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 (BGBL.I 1722) ist zum 24.10.2015 § 4 Abs.1 S.2 AsylbLG eingefügt worden, der den Umfang der Leistungen von Schutzimpfungen und Vorsorgebehandlungen für Leistungsberechtigte neu und bundeseinheitlich entsprechend den §§ 47, 52 Abs.1 S.1 SGB XII regelt, als Folge davon ist auch § 4 Abs.3 AsylbLG geändert worden.

Der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigte Personenkreis hat gemäß § 4 AsylbLG Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt.

Dies beinhaltet die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung akuter Erkrankungen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln. Die konkrete, medizinisch erforderliche Behandlung ist von dem konkreten, individuellen Krankheitsbild der leistungsberechtigten Person abhängig. Die konkreten Diagnosen und abgerechneten Behandlungen werden statistisch nicht erfasst. Angaben zur Leistungsgewährung im Einzelfall können daher – auch in anonymisierter Form – nicht gemacht werden.

Erforderlich ist die Behandlung, sofern sie medizinisch eindeutig indiziert ist und keine kostengünstigere Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht.

Außerdem werden zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten Schutzimpfungen entsprechend §§ 47,52 Abs.1 Satz 1 des Zwölften Sozialgesetzbuches gewährt.

Gemäß § 4 Abs.2 AsylbLG sind werdenden Müttern und Wöchnerinnen die ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.

Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) besitzen und die besondere medizinische Bedürfnisse haben wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt.

  1. Für wie viele Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft erfolgte in der Zeit von 2010 bis 2022 eine Kostenerstattung durch das Land Nordrhein-Westfalen an die jeweiligen Kostenträger? Bitte insgesamt und für jedes Jahr gesondert auflisten.

An den Aufwendungen der Kommunen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beteiligt sich das Land auf der Grundlage des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG). Die in § 4 FlüAG geregelte monatliche Pauschale dient auch der finanziellen Beteiligung an den Aufwendungen der Kommunen für Leistungen nach den §§ 4 und 6 AsylbLG.

Gemäß § 4 b FlüAG stellt das Land NRW den Gemeinden seit dem Jahr 2015 zudem zusätzliche Finanzmittel für Krankheitskosten im Einzelfall zur Verfügung. Berücksichtigungsfähig ist hier der Personenkreis nach § 2 FlüAG, soweit er nach § 3 Absatz 3 FlüAG bei der Zuweisung angerechnet wird. Das Land beteiligt sich an den Krankheitskosten, wenn diese im Kalenderjahr die Summe von 35.000 Euro je geflüchteter Person überschreiten.

Personenscharfe Angaben können in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden.

Verausgabt wurden in den Jahren 2015 bis 2021 folgende Beträge:

2015            2.043.000 Euro

2016            7.372.000 Euro

2017          13.750.000 Euro

2018          13.141.000 Euro

2019            7.402.000 Euro

2020            9.340.000 Euro

2021            5.899.000 Euro

Die Ist-Ausgaben für das Jahr 2022 liegen noch nicht vor.

  1. In welcher Höhe wurden in der Zeit von 2010 bis 2022 im Wege der auftragsweisen Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 1 SGB V Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Land NRW übernommen? Bitte insgesamt und für jedes Jahr gesondert auflisten.

Für in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW untergebrachten Personen findet keine auftragsweise Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs.1 SGB V statt. Die Kosten der Krankenbehandlung im Einzelfall werden von der jeweils zuständigen Bezirksregierung gemäß § 4 AsylbLG erstattet.

 

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