Krankenversicherungsschutz für nicht erwerbstätige Unionsbürger in NRW

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 214
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Dr. Martin Vincentz vom 26.07.2022

 

Krankenversicherungsschutz für nicht erwerbstätige Unionsbürger in NRW

Wie aus dem Freizügigkeitsgesetz EU (FreizügG/EU) hervorgeht, haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt in alle EU-Mitgliedsstaaten, wobei grundsätzlich die Berufstätigkeit bzw. eine Berufsausbildung vorausgesetzt wird.

Der Aufenthalt nicht erwerbstätiger Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen ist an einschränkende Bedingungen geknüpft. Gemäß § 4 FreizügG/EU ist das Recht auf Freizügigkeit von einem „ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichenden Existenzmitteln“ abhängig. Ein Aufenthalt zur Arbeitssuche ist grundsätzlich nur für bis zu sechs Monate gestattet und darüber hinaus nur, solange die Personen nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Diese Regelung findet auch Anwendung auf die Familienangehörigen.

Wie die Landesregierung im Rahmen einer Großen Anfrage bestätigt hat, sind Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben, zudem gemäß § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Leistungsbezug ausgeschlossen.1

Bezüglich der Überprüfung des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes und ausreichender Existenzmittel konnte die Landesregierung im Rahmen der Großen Anfrage keine Angaben machen. Ähnliches gilt für die mögliche Rücknahme der EU-Freizügigkeit sowie für eine Abschiebung in die Heimatländer aus diesem Grund. Weder umfasst das Ausländerzentralregister, nach Auskunft der Landesregierung, als maßgebliche Datenquelle diese Informationen, noch gibt es eine sonstige standardisierte Erfassung solcher Informationen. Da die Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen sowie deren etwaige Durchsetzung zudem den kommunalen Ausländerbehörden (ABH) obliegen, wäre in allen ABH eine händische Auswertung erforderlich.2

Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig entsprechend den Bestimmungen des Freizügigkeitsrechts im Bundesgebiet aufgehalten haben, erwerben ein Daueraufenthaltsrecht. In Ausnahmefällen wird ein Daueraufenthaltsrecht bereits nach 3 Jahren erteilt.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. In welchem Umfang werden die Kosten für das Gesundheitswesen erfasst, die ursächlich von nicht erwerbstätigen Unionsbürgern ausgehen?
  2. Wie wird in diesem Zusammenhang differenziert zwischen nicht erwerbstätigen Unionsbürgern mit einem zuvor erworbenen dauerhaften Aufenthaltsrecht und nicht erwerbstätigen Unionsbürgern ohne Daueraufenthaltsrecht?
  3. Wie werden Gesundheitskosten für nicht erwerbstätige Unionsbürger ohne Daueraufenthaltsrecht verrechnet, bei denen sich herausstellt, dass sie – entgegen der Vorgabe gemäß FreizügG/EU – nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügen?
  4. Welche Kosten für grundsätzlich nicht leistungsberechtigte Unionsbürger sind in den Jahren 2020 und 2021 in NRW im Gesundheitswesen angefallen, weil kein ausreichender Krankenversicherungsschutz vorlag? (Bitte nach Jahr, Summe und Nationalität sowie der Höhe der im Nachgang eingeforderten und ggf. erhaltenen Nachforderung differenziert auflisten)
  5. In welchem Umfang wurde die daraus resultierende Feststellung des offensichtlichen Nichtbestehens eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes innerhalb der gesetzlichen Frist zum Entzug der Freizügigkeit genutzt?

Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz

 

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1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/10158; Frage 32

2 Ebenda


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 214 mit Schreiben vom 23. August 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration namens der Landesregierung beantwortet.

  1. In welchem Umfang werden die Kosten für das Gesundheitswesen erfasst, die ursächlich von nicht erwerbstätigen Unionsbürgern ausgehen?
  2. Wie wird in diesem Zusammenhang differenziert zwischen nicht erwerbstätigen Unionsbürgern mit einem zuvor erworbenen dauerhaften Aufenthaltsrecht und nicht erwerbstätigen Unionsbürgern ohne Daueraufenthaltsrecht?
  3. Wie werden Gesundheitskosten für nicht erwerbstätige Unionsbürger ohne Daueraufenthaltsrecht verrechnet, bei denen sich herausstellt, dass sie entgegen der Vorgabe gemäß FreizügG/EU nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügen?
  4. Welche Kosten für grundsätzlich nicht leistungsberechtigte Unionsbürger sind in den Jahren 2020 und 2021 in NRW im Gesundheitswesen angefallen, weil kein ausreichender Krankenversicherungsschutz vorlag? (Bitte nach Jahr, Summe und Nationalität sowie der Höhe der im Nachgang eingeforderten und ggf. erhaltenen Nachforderung differenziert auflisten)

Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Zu den erbetenen Daten liegen – insbesondere, soweit das SGB XII betroffen ist – dem Land keine Informationen vor.

Zunächst ist festzustellen, dass EU-Ausländer, die nicht bereits in Deutschland arbeiten oder gearbeitet haben, nach den seit dem 29. Dezember 2016 gültigen Vorschriften für die ersten fünf Jahre von Sozialleistungen ausgeschlossen sind. Nach § 23 Abs. 3 SGB XII wird ihnen lediglich bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren eingeschränkte Hilfe gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen. Die Hilfe soll auch den unmittelbaren Bedarf für medizinische Versorgung abdecken. Insofern werden unter anderem die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen erbracht. Hinzu kommt die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach § 50 SGB XII.

Den Trägern der Sozialhilfe entstandene Kosten werden nicht verrechnet.

In der Statistik der Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe wird zwar erfasst, welche Leistungen gewährt worden sind, wobei auch nach Staatsangehörigkeit und aufenthaltsrechtlichem Status differenziert wird; allerdings lässt sich hieraus nicht die Höhe der den jeweiligen Personen gewährten Leistungen ableiten.

In der Statistik der Ausgaben und Einnahmen der Sozialhilfe werden hingegen keine personenbezogenen Merkmale erfasst. Insofern können nur Angaben zum (Gesamt-) Volumen der Ausgaben gemacht werden, ohne dabei einen Bezug auf Nationalität oder aufenthaltsrechtlichem Status herstellen zu können.

  1. In welchem Umfang wurde die daraus resultierende Feststellung des offensichtlichen Nichtbestehens eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes inner-halb der gesetzlichen Frist zum Entzug der Freizügigkeit genutzt?

In der für das Freizügigkeitsrecht maßgeblichen Datenbank, dem Ausländerzentralregister, werden keine Daten bezüglich der Aberkennung der EU-Freizügigkeit erfasst. Eine sonstige standardisierte Erfassung solcher Daten erfolgt nicht.

 

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