Kleine Anfrage 3843
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Christian Loose AfD
Neue Enthüllungen im Schleuserskandal: Welche Verbindungen gibt es zwischen dem beschuldigten SPD-Funktionär B., dem derzeitigen Verkehrsminister Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) sowie der ehemaligen Landtagsabgeordneten Sybille Haußmann (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen)?
Wie bereits im Rahmen der Aktuellen Stunde vom 25.04.2024 dargelegt,1 befand sich in Düren ein Schwerpunkt der Aktivitäten eines internationalen Schleuserrings.
Inklusive später nachgeholter Familienmitglieder sollen bis zu 350 zumeist chinesische Staatsangehörige illegal nach Deutschland gelangt sein. Die Geschleusten sollen insgesamt neun Millionen Euro an die Schleuser gezahlt haben.
Einer der Hauptverdächtigen, der bisher für den Kreis Düren als Strukturwandelmanager und Wirtschaftsförderer gearbeitet hat, ist der hohe SPD-Funktionär B.. Er sitzt bereits in U-Haft. Neben der gewerbsmäßigen Einschleusung von Ausländern steht der Tatvorwurf der Bestechlichkeit im Raum. Konkret geht es um die Beschaffung von Scheinwohnsitzen im Kreis Düren. Diese Scheinwohnsitze wurden gegenüber den Ämtern als feste Wohnsitze genannt. Es steht der Verdacht im Raum, dass B. bei der Vermittlung dieser Scheinwohnsitze half.
Das kriminelle Netzwerk soll auch bei der Vermittlung von Aufenthaltserlaubnissen geholfen haben. In der WDR-Recherche2 heißt es dazu: „In der dortigen Ausländerbehörde [Düren] landeten zuletzt die Anträge des mutmaßlichen Schleusernetzwerks für wohlhabende Chinesen auf dem Tisch. Und B. soll gegen ein sattes Bestechungsgeld seinen Einfluss im Kreishaus geltend gemacht haben und dafür gesorgt haben, dass bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse alles glatt ging. […] Im Fokus steht in Düren jetzt unter anderem eine Neubausiedlung, die von der Schleuserbande als Scheinwohnsitz für Chinesen genutzt worden sein soll. […]Unter der Überschrift „Chinesischer Filmstar zieht in den Kreis Düren“ verkündet der Kreis [im Dezember 2018] stolz „prominenten Zuwachs“. Die damals 35jährige Schauspielerin aus China ist zwar bis heute höchstens Kennern der chinesischen Filmszene ein Begriff, doch dem Landrat ist der Zuzug nicht nur ein Eintrag ins Goldene Buch, sondern auch ein gemeinsames Foto wert. Neben ihm und der Schauspielerin lächeln die inzwischen verhafteten mutmaßlichen Komplizen B. und […] [ein ebenfalls in U-Haft befindlicher hauptbeschuldigter Rechtsanwalt aus Frechen] Seit an Seit in die Kamera.“
Im Rahmen der Recherchen wurde deutlich, dass Mitarbeiter der Ausländerbehörde Düren mindestens indirekt – u. a. durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse – in den Schleuserskandal involviert waren. Offen bleibt hierbei derzeit noch die Frage, ob dies wissentlich geschah und ob einzelne Mitarbeiter gar Teil des Schleuser-Netzwerks waren.
Pikant ist in diesem Zusammenhang die Besetzung des Dezernats III im Dürener Kreishaus. Bei der Dezernatsleiterin im Amt für Integrations- und Ausländerangelegenheiten handelt es sich um die ehemalige Landtagsabgeordnete Sybille Haußmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ehefrau des derzeitigen Verkehrsministers Oliver Krischer (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen). In ihrer Zeit als Abgeordnete war sie die migrations- und rechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Danach war sie als Migrationsbeauftragte der Kreisverwaltung Düren tätig. Seit 2010 war sie dort Leiterin der Stabsstelle für Migrationsangelegenheiten. Derzeit leitet sie das Dezernat III. Zugleich ist sie Mitglied im Kreisvorstand der Grünen in Düren.
Folglich war die ehemalige Abgeordnete Haußmann während des kompletten Zeitraums des aktuellen Schleuserskandals im besonders betroffenen Kreis Düren an entscheidender Stelle tätig.
Der SPD-Funktionär B. war neben seiner Tätigkeit im Kreis Düren Geschäftsführer der Indeland GmbH. In dieser Funktion machte er im Jahr 2022 auch direkte Bekanntschaft mit dem damaligen Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer.3 Auch in Krischers Funktion als Verkehrsminister hatte er offenbar Kontakte mit B. sowie dem CDU-Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU).4
Anscheinend kennt man sich aber bereits länger: Wie aus einem Bericht der Wirtschaftswoche vom 24.04.2013 hervorgeht, war Oliver Krischer 15 Jahre Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse Düren. Weiter heißt es dann im Artikel: „Die wenigen Informationen über die Spendenpolitik der Sparkasse Düren, die an die Öffentlichkeit gelangen, werfen Fragen auf. So etwa die Beziehung zur Entwicklungsgesellschaft Indeland. Die haben der Kreis Düren und einige Kommunen gegründet, um Konzepte für die Tagebaufläche Inden zu entwickeln, wenn dort ab 2030 keine Braunkohle mehr gefördert wird. Eine Million Euro schenkt die Sparkasse der Indeland über fünf Jahre. Dabei fällt Indeland weniger durch kluge Vorschläge als durch Verschwendung auf. So ließ die Gesellschaft 2008 Herbert Grönemeyer für ein Konzert anreisen. Kostenpunkt: mehr als drei Millionen Euro. Am Ende blieb ein Verlust von 400.000 Euro. Zudem hat sie mit B., einem SPD-Politiker aus dem Kreis Düren, einen hauptamtlichen Geschäftsführer eingestellt – ohne Ausschreibung. Der Fünfjahresvertrag sichert ihm ein Fixgehalt von 150.000 Euro im Jahr, zuzüglich Versicherungen und Dienstwagen. Wenn sein Vertrag ausläuft, schließt sich nahtlos ein Beratervertrag an, der B. bis zur Rente 85.000 Euro pro Jahr sichert. Die Spende der Sparkasse macht’s möglich.“5
Die Nähe sowohl des derzeitigen Verkehrsministers als auch seiner Frau zum beschuldigten SPD-Funktionär B. wirft irritierende Fragen auf.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche Kenntnisse liegen derzeit bezüglich einer möglichen Zusammenarbeit einzelner Mitarbeiter der Dürener Ausländerbehörde mit dem Schleuser-Netzwerk vor?
- Wie viele unrechtmäßige Aufenthaltserlaubnisse wurden im Zusammenhang mit dem Schleuserskandal durch die Ausländerbehörde Düren erstellt? (Bitte differenziert nach Jahr und Anzahl listen)
- Inwiefern war die Dezernatsleiterin im Amt für Integrations- und Ausländerangelegenheiten im Kreis Düren, die ehemalige Landtagsabgeordnete Sybille Haußmann (Bündnis 90/Die Grünen), nach derzeitigem Ermittlungsstand der Staatsanwaltschaft, in diesem Zusammenhang involviert?
- Seit wann hatte der derzeitige Verkehrsminister, Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), Kenntnis über den Schleuser-Skandal, insbesondere im Zusammenhang mit den Vorgängen im Kreis Düren und hier insbesondere in der Ausländerbehörde sowie in Verbindung mit der Bekanntschaft zum beschuldigten SPD-Funktionär B.?
- Welche weiteren konkreten Verbindungen gab es in der Vergangenheit zwischen dem beschuldigten SPD-Funktionär B. und dem derzeitigen Verkehrsminister Oliver Krischer?
Enxhi Seli-Zacharias
Christian Loose
1 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-8986.pdf
3 Vgl. https://indeland.de/aktuell/bundestagsabgeordnete-im-faktor-x-haus
4 Vgl. https://www.kreis-dueren.de/presse/2023/ice-werk-hambach_2023-04-27.php
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3843 mit Schreiben vom 21. Juni 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr wie folgt; hierbei weise ich darauf hin, dass der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr sich mit Blick auf die Frage 3 in Person für befangen erklärt hat, seine Erklärung des Einvernehmens wurde daher durch seinen Vertreter im Amt, den zuständigen Staatssekretär im Ministerium beantwortet.
- Welche Kenntnisse liegen derzeit bezüglich einer möglichen Zusammenarbeit einzelner Mitarbeiter der Dürener Ausländerbehörde mit dem Schleuser-Netzwerk vor?
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen berichtet, es bestehe der Verdacht, dass einzelne Mitarbeiter des Ausländeramtes des Kreises Düren in Kenntnis des Umstandes, dass die eingereichten Antragsnachweise inhaltlich unzutreffend waren, Aufenthaltserlaubnisse erteilt haben.
- Wie viele unrechtmäßige Aufenthaltserlaubnisse wurden im Zusammenhang mit dem Schleuserskandal durch die Ausländerbehörde Düren erstellt? (Bitte differenziert nach Jahr und Anzahl listen)
Dem genannten Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Düsseldorf zufolge wurden in den Jahren 2015 bis 2023 mutmaßlich insgesamt 222 Aufenthaltserlaubnisse zu Unrecht erteilt. Im Einzelnen:
Jahr | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 |
Anzahl | 4 | 16 | 7 | 22 | 117 | 40 | 3 | 10 | 3 |
- Inwiefern war die Dezernatsleiterin im Amt für Integrations- und Ausländerangelegenheiten im Kreis Düren, die ehemalige Landtagsabgeordnete Sybille Haußmann (Bündnis 90/Die Grünen), nach derzeitigem Ermittlungsstand der Staatsanwaltschaft, in diesem Zusammenhang involviert?
Zur Wahrung der Unschuldsvermutung und der Persönlichkeitsrechte sieht die Landesregierung regelmäßig von öffentlichen Angaben zum Stand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ab, soweit diese zur Identifizierung betroffener Personen geeignet sind.
- Seit wann hatte der derzeitige Verkehrsminister, Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), Kenntnis über den Schleuser-Skandal, insbesondere im Zusammenhang mit den Vorgängen im Kreis Düren und hier insbesondere in der Ausländerbehörde sowie in Verbindung mit der Bekanntschaft zum beschuldigten SPD-Funktionär B.?
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat aus den Medien am Tag der Hausdurchsuchungen von den Schleuser-Vorwürfen erfahren.
- Welche weiteren konkreten Verbindungen gab es in der Vergangenheit zwischen dem beschuldigten SPD-Funktionär B. und dem derzeitigen Verkehrsminister Oliver Krischer?
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr war von 1994 bis 2009 Mitglied des Kreistags Düren. In dieser Zeit gehörte auch die in der Anfrage genannte Person B. dem Kreistag Düren an.