Planungen der Landesregierung in Bezug auf den „anonymen Krankenschein“

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1630

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Dr. Martin Vincentz vom 29.03.2023

Planungen der Landesregierung in Bezug auf den „anonymen Krankenschein“

Gemäß des Koalitionsvertrags gibt es zwei Projekte, zur Unterstützung von Personen mit unzureichendem Krankenversicherungsschutz. Bei den Clearingstellen geht es oftmals um die Betreuung von Unionsbürgern aus Bulgarien und Rumänien, die die grundsätzlichen Voraussetzungen der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht erfüllen.1

Ein weiteres geplantes Projekt ist der sogenannte „anonyme Krankenschein“. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag: „Aus humanitären Gründen schaffen wir zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung von Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus einen anonymen Krankenschein und werden diesen mit einem Fonds finanziell absichern.“

Erste Erfahrungen mit dem anonymen Krankenschein hat man z.B. bereits in Thüringen gemacht.2 Demnach geht es bei der Zielgruppe insbesondere um Migranten ohne Aufenthaltsstatus, natürlich aber auch um alle weiteren Personen ohne Krankenversicherung. Im ersten Projektjahr (2017) wurden 60 Menschen in eine Behandlung vermittelt. Im Folgejahr waren es 130.

Vertrauensärzte stellen die Indikation für Diagnostik, Behandlung oder Nachsorge und geben entsprechende Behandlungsscheine aus. Abgerechnet wird mit dem 1,0-fachen Satz GOÄ und dem 2,0-fachen Satz GOZ.

Abgerechnet wird analog zu den Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes nach der Rahmenvereinbarung zwischen dem Freistaat Thüringen, den kommunalen Spitzenverbänden und den Landesverbänden der Kranken- und Ersatzkassen. Die Leistungen entsprechen in weiten Teilen denen der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Ziel sei dabei beispielsweise auch, Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel zu „schützen“.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Planungen gibt es von Seiten der Landesregierung zur Einführung eines anonymen Krankenscheins, ggf. analog zur Initiative in Thüringen?
  2. Im Koalitionsvertrag ist als Zielgruppe von „Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus“ die Rede. Um welchen Personenkreis handelt es sich nach Ansicht der Landesregierung dabei genau? (Bitte auch differenziert nach Anzahl und Nationalität listen)
  3. Gemäß Koalitionsvertrag soll der anonyme Krankenschein mit einem Fonds finanziell abgesichert werden. Welche Planungen zur Höhe des Fonds sowie zur weiteren Abrechnung der Behandlungskosten liegen von Seiten der Landesregierung bereits vor?
  4. Mit welchen Maßnahmen soll ein Missbrauch des Gesundheitswesens durch grundsätzlich nicht aufenthaltsberechtigte Personen verhindert werden?
  5. In welcher Form soll – analog zu den Clearingstellen – eine Information der kommunalen Ausländerbehörden auch beim anonymen Krankenscheinen unterbleiben?

Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz

 

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1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/983; Antrag der Fraktion der AfD „Missbrauch der EU-Freizügigkeit wirksam bekämpfen – Landesförderung für die Clearingstellen einstellen“

2 Vgl. https:// www .aks-thueringen.de/informationen-fuer-behandelnde/


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1630 mit Schreiben vom 13. April 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kin­der, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Welche Planungen gibt es von Seiten der Landesregierung zur Einführung eines anonymen Krankenscheins, ggf. analog zur Initiative in Thüringen?

Die Landesregierung wird zur Einführung eines Anonymen Krankenscheins ein Konzept erar­beiten, das sowohl bestehende Hilfe- und Unterstützungsstrukturen als auch Erfahrungen mit ähnlichen Ansätzen in der Praxis bei den Überlegungen berücksichtigt.

  1. Im Koalitionsvertrag ist als Zielgruppe von „Menschen ohne definierten Aufent­haltsstatus“ die Rede. Um welchen Personenkreis handelt es sich nach Ansicht der Landesregierung dabei genau? (Bitte auch differenziert nach Anzahl und Na­tionalität listen)
  2. Gemäß Koalitionsvertrag soll der anonyme Krankenschein mit einem Fonds finan­ziell abgesichert werden. Welche Planungen zur Höhe des Fonds sowie zur weite­ren Abrechnung der Behandlungskosten liegen von Seiten der Landesregierung bereits vor?
  3. Mit welchen Maßnahmen soll ein Missbrauch des Gesundheitswesens durch grundsätzlich nicht aufenthaltsberechtigte Personen verhindert werden?

Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 bis 4 gemeinsam beantwortet. Einzelheiten der Konzeption, insbesondere zur Zielgruppe und zur weiteren Ausgestaltung, stehen noch nicht fest.

  1. In welcher Form soll – analog zu den Clearingstellen – eine Information der kom­munalen Ausländerbehörden auch beim anonymen Krankenscheinen unterblei­ben?

Der Sinn eines Anonymen Krankenscheins ist es, Zugang zu medizinischen Behandlungen ohne Angst vor Weitergabe von personenbezogenen Daten an Behörden zu bahnen. Im Üb­rigen wird auf die Antwort auf Frage 4 verwiesen.

 

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