Rückforderungen von „Corona-Soforthilfen“ prüfen – Rechts- und Planungssicherheit für Unternehmen und Gewerbetreibende herstellen

Antrag

Antrag
der Fraktion der AfD

 

Rückforderungen von „Corona-Soforthilfen“ prüfen – Rechts- und Planungssicherheit für Unternehmen und Gewerbetreibende herstellen

I. Ausgangslage

Als im Frühjahr 2020 kleine Unternehmen und Selbständige durch verschiedene infektions-schutzrechtliche Maßnahmen in wirtschaftliche Notlagen gerieten, wollten Bund und Länder mit Programmen sicherstellen, dass kurzfristig Finanzhilfen für die Betriebe bereitstehen. Die umfassenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens führten immerhin zu einem existenz­bedrohenden Wegfall von Aufträgen und Umsatz, teilweise wurde die Geschäftsgrundlage an­gegriffen. Für die meisten Kleinunternehmer waren die Corona-Hilfen der Rettungsanker, der sie vor der Insolvenz schützte. Schon damals galt, dass einzelne Branchen eben nicht einfach mit dem Verkaufen, der Bewirtung oder Dienstleistung aufhören konnten, um später folgenlos weitermachen zu können.

Der damalige nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart betonte vor gut zwei Jahren, dass die Solo-Selbstständigen und kleinen Personengesellschaften eine wichtige Säule der nordrhein-westfälischen Wirtschaft und zugleich besonders hart von der Pandemie betroffen sind.1 Weiterhin hieß es: „Um den Betroffenen Planungssicherheit zu ge­ben, ergänzen wir die Förderung des Bundes von vornherein um die Pauschale und stellen dafür rund 300 Millionen Euro aus der Landeskasse bereit.“2

Bereits zuvor hatte der damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz vollmundig versprochen: „Wir gehen in die Vollen, um auch den Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständigen unter die Arme zu greifen. Sie brauchen unsere besondere Unter­stützung, sie werden von dieser Krise hart getroffen. Deshalb gibt es vom Bund jetzt schnelle und unbürokratisch Soforthilfe. Ganz wichtig ist mir: Wir geben einen Zuschuss, es geht nicht um einen Kredit. Es muss also nichts zurückgezahlt werden. Damit erreichen wir die, die un­sere Unterstützung jetzt dringend brauchen.“3

Im Nachhinein sorgte das vermeintliche Hilfspaket mit Rückforderungsbescheiden für enor­men Ärger und wird für viele der rd. 430.000 Zuwendungsempfänger zur weiteren Belastungs­probe. Die Soforthilfe entpuppte sich für viele Antragsteller gerade nicht als Unterstützung sondern wird jetzt in der Energie- und Wirtschaftskrise zur weiteren Belastung für die Empfän­ger. Anders als viele Solo-Selbständige, Kleinstunternehmen und Gastronomen dachten, fordert das Land nämlich einen Großteil der Hilfen zurück – oft um die 7.000 Euro der ausge­zahlten 9.000 Euro. An den nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten sind insgesamt ca. 2.000 Klageverfahren rund um das Thema der Corona-Soforthilfen anhängig.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat am 16.08.2022 in drei repräsentativen Leitverfahren vielbeachtete Urteile gefällt. Die drei Kläger hatten zunächst aufgrund von Ende März bzw. Anfang April 2020 erlassenen Bewilligungsbescheiden der zuständigen Bezirksregierung Düs­seldorf Soforthilfen in Höhe von jeweils 9.000,- Euro erhalten. Die Behörde setzte im Rah­men sog. Rückmeldeverfahren später die Höhe der Soforthilfe auf ca. 2.000,- Euro fest und forderte etwa 7.000,- Euro zurück.4 Bei den drei Verfahren handelt es sich um zwei Fälle aus der Landeshauptstadt Düsseldorf und einen Fall aus Remscheid. Der Betreiber eines Düssel­dorfer Schnellrestaurants musste ebenso wie die Betreiberin eines Kosmetikstudios aus Rem­scheid während des Lockdowns im Frühjahr 2020 zeitweise den Betrieb schließen. Ein Steu­erberater aus Düsseldorf, der einen Großteil seiner Umsätze durch die Aus- und Fortbildung von Steuerberatern erwirtschaftet, erlitt durch den Wegfall von Präsenzvorträgen Umsatzein­bußen. Alle drei Kläger erhielten zunächst aufgrund von Bewilligungsbescheiden der zustän­digen Bezirksregierung Düsseldorf 9.000,- Euro Soforthilfe.5

Das Verwaltungsgericht hat die Förderpraxis des Landes zum Zeitpunkt der Bewilligungsbe­scheide und bei den anschließenden Schlussbescheiden miteinander verglichen. Es stellte fest, dass die Vergabepraxis nicht übereinstimmte. Während des Bewilligungsverfahrens hät­ten die Hilfeempfänger davon ausgehen dürfen, das Geld wegen pandemiebedingter Umsatz­ausfälle zu bekommen und auch behalten zu dürfen. Darauf deuteten Online-Hinweise, An­tragsvordrucke und die Zuwendungsbescheide hin.6 Zudem stellte die Vorsitzende Richterin fest, dass die Antragsformulare und die Genehmigungsbescheide für die Corona-Soforthilfe missverständlich formuliert gewesen seien. Die Antragsteller hätten zu Recht davon ausgehen können, dass der Maßstab für die Soforthilfen ihre Umsatzeinbußen seien und nicht – wie erst Wochen später vom Land klargestellt – die durch die Pandemie eingetretenen Verluste. „Un­klarheiten gehen immer zu Lasten der Behörden, nicht der Empfänger. Das ist einfach so“, sagte die Richterin.7

Auch das Verwaltungsgericht Köln entschied am 16.09.2022 in diesem Sinne und gab insge­samt sechs Klagen von Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmern statt.8 Beim Verwal­tungsgericht Köln sind noch etwa 400 ähnliche Klagen anhängig. Die nun entschiedenen Kla­gen sind repräsentativ für einen Großteil dieser Fälle.9 Auf den Hinweis des Vorsitzenden Rich­ters beim Verwaltungsgericht Köln, dass die Vergabe der Corona-Soforthilfen in Bayern z.B. besser gelöst worden sei, entgegnete ein Vertreter der Behörden sogar, dass die Soforthil-femaßnahmen eine „Nacht- und Nebelaktion“ gewesen seien.10 Von den Urteilen der Verwal­tungsgerichte profitieren nicht alle Zuwendungsempfänger. Zum einen ist noch offen, ob die Urteile in Rechtskraft erwachsen, zum anderen binden die Urteile grundsätzlich nur die am Klageverfahren Beteiligten. Von den Verfahren gehen keine unmittelbaren Rechtswirkungen bei gleichgelagerten Fallkonstellationen für andere Soforthilfe-Empfänger aus. Zudem bleibt offen, wie mit den 60.000 Empfängern verfahren wird, die bereits das vom Land geforderte Geld gezahlt hätten.11

Die Vorkommnisse rund um die Corona-Soforthilfen sind Beleg für ein vielschichtiges Problem. Infolge der unverhältnismäßigen und untauglichen Corona-Maßnahmen und Lockdowns ge­rieten einerseits hunderttausende Unternehmen in wirtschaftliche Bedrängnis und müssen sich nun andererseits mit den Folgen einer zwar versprochenen aber real nur unzureichend umgesetzten Hilfe auseinandersetzen. Eine Hilfe für eine wirtschaftliche Schieflage, die ohne die völlig verfehlte Lockdown-Politik erst gar nicht entstanden wäre.

Die fortgesetzte Einmischung des Staates in das Wirtschaftsgeschehen im Namen der „Pan-demiebekämpfung“ hat beträchtliche Ungleichgewichte geschaffen. Große Konzerne und On­line-Händler sind weitgehend unbeschadet durch die Krise gekommen oder konnten ihr Ge­schäftsmodell sogar noch ausweiten, Pharma-Unternehmen und Lieferanten der Gesundheits­branche verzeichnen Milliardengewinne, während kleine Händler, Selbständige und Gewerbe­treibende nach über zweieinhalb Jahren im Ausnahmezustand vielfach vor dem Ruin stehen. Viele haben bereits aufgegeben.

Es ist ein fatales Signal, wenn hunderttausende Soforthilfe-Empfänger angesichts der nach­vollziehbaren und schwer wiegenden Feststellungen der Verwaltungsgerichte Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Schlussbescheide bekommen. Einer aktuellen Umfrage zufolge ver­trauen weniger als ein Drittel der Bürger dem Staat.12 Es ist daher dringend geboten, dass die Landesregierung ein Konzept zur sach- und interessensgerechten Bereinigung der eingetre­tenen Zweifel an der Rückforderung von Corona-Soforthilfen erarbeitet.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Die Feststellungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Köln in den Urteilsbegrün­dungen zur Rückzahlung von Corona-Soforthilfen geben Grund zu der Annahme, dass beim Erlass einer Vielzahl von Schlussbescheiden anerkannte Rechtsgrundsätze nicht eingehalten wurden und zu Unrecht Rückzahlungsforderungen geltend gemacht wurden bzw. werden;
  2. die Landesregierung muss das berechtigte Interesse aller Zuwendungsempfänger an der Aufhebung rechtswidriger Bescheide hinreichend berücksichtigen und eine syste­matische Prüfung der Rechtmäßigkeit auch derjenigen erlassenen Schlussbescheide veranlassen, die nicht Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung waren.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. ein Konzept zur sach- und interessensgerechten Überprüfung der Schlussbescheide zu den Corona-Soforthilfen zu erarbeiten, die nicht Gegenstand von Klageverfahren waren oder sind, um eine systematische Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Rückzahlungs­ansprüchen veranlassen zu können;
  2. ein Konzept zum Umgang mit den derzeit anfechtbaren Schlussbescheiden zu entwi­ckeln, um eine mögliche Klageflut vor den Verwaltungsgerichten zu vermeiden;
  3. sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass bis zur endgültigen Klärung der Frage, ob und in welcher Höhe Rückzahlungsbeträge von Zuwendungsempfängern zu leisten sind, ein Zahlungsmoratorium eingesetzt wird.

Klaus Esser
Christian Loose
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https: //www.wirtschaft.nrw/pressemitteilung/426000-kleinstunternehmen-erhielten-finanzielle-unters-tuetzung-durch- die-nrw (abgerufen am 19.09.2022).

2 Ebd.

3 https: //www.bundesfinanzm inisterium.de /Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpoli-tik/2020/03/2020-03-23-pm-gemeinsame-PM.html (abgerufen am 19.09.2022).

4 https: //www.vg-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/ pressemitteilungen/2022/2221/index.php (ab­gerufen am 19.09.2022).

5 https: //www.justiz.nrw/JM/Presse/presse_weitere/Presse OVG/18_07_2022_1/index.php (abgerufen am 19.09.2022).

6 https: //www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-duesseldorf-20-k-7488-20-corona-soforthilfen-durften-nicht-zurueck-gefordert- werden/#:~:text=In%20drei%20Pilotverfah-ren%20hat%20das,K%207488%2F20%20u.a. (abgerufen am 19.09.2022).

7 https: //www.haller-kreisblatt.de/region/nrw/23331035_Corona-Soforthilfen- beschaeftigen-Verwal-tungsgericht.html (abgerufen am 19.09.2022).

8 https: //www.stern.de/news /verwaltungsgericht–rueckforderung-von-corona-soforthilfen-durch-nrw-rechtswidrig-32733554.html (abgerufen am 19.09.2022).

9 Ebd.

10 https:// www1.wdr.de/nachrichten/ rheinland/prozess-verwaltungsgericht-koeln-100.html (abgerufen am 19.09.2022).

11 Ebd.

12 https: //www.berliner-zeitung.de/ politik-gesellschaft/historischer-tiefstand-die-meisten-buerger-ver-trauen-dem-staat-nicht-mehr-li.261984 (abgerufen am 19.09.2022).