Sozialpsychiatrischer Dienst in Nordrhein-Westfalen – Erhalten psychisch kranke Menschen genügend Unterstützungsangebote?

Kleine Anfrage
vom 07.11.2019

Kleine Anfrage 3095der Abgeordneten Dr. Martin Vincentz und Iris Dworeck-Danielowski vom 07.11.2019

 

Sozialpsychiatrischer Dienst in Nordrhein-Westfalen – Erhalten psychisch kranke Menschen genügend Unterstützungsangebote?

Die Sozialpsychiatrischen Dienste gehören zu den in der Öffentlichkeit bekanntesten und zu den am meisten verbreiteten psychosozialen Versorgungssystemen. Dabei gibt es in einzelnen Bundesländern unterschiedliche Angebote unter dieser Bezeichnung.1

In Nordrhein-Westfalen bietet der Sozialpsychiatrische Dienst auf der Grundlage des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG NRW) fachärztliche und sozialarbeiterische Hilfen für Menschen mit psychischen Störungen, mit Erkrankungen und Behinderungen sowie für Suchtkranke an.2 Bereits im Jahre 1969 verabschiedete das Land Nordrhein-Westfalen das bundesweit erste Gesetz über Schutz- und Hilfsmaßnahmen für psychisch Kranke.3 Diese Unterstützung ist auch für Betroffene im weiteren Sinne vorgesehen; so können sich beispielsweise Angehörige, Nachbarn, Freunde oder Bezugspersonen an den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden.4

Allein in der Landeshauptstadt Düsseldorf betreute der Sozialpsychiatrische Dienst im Jahre 2017 rund 2.700 Menschen; überwiegend suchten Eltern oder andere Familienangehörige Hilfe. Manchmal waren es auch Nachbarn oder Vermieter, die sich Sorgen um Menschen, die in ihrer Nähe lebten, machten.5

Die Sozialpsychiatrischen Dienste gehören zum Arbeitsgebiet der Sozialpsychiatrie, deren Wirken dann beginnt, wenn Menschen nicht (mehr) dazu fähig sind, notwendige Hilfen, die sie auf Grund einer Störung, Krankheit oder Behinderung benötigen, eigenständig zu erreichen.

Auf jeweils ein Jahr gerechnet erfüllt in Deutschland jeder vierte Erwachsene die Kriterien einer psychischen Erkrankung.6 Angststörungen, Depressionen und Alkohol- und Medikamentenmissbrauch zählen in diesem Zusammenhang zu den am häufigsten diagnostizierten Krankheiten.7 Psychische Erkrankungen sind darüber hinaus die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit im Beruf und der häufigste Frühverrentungsgrund.8

Diese Zahlen belegen allein schon die Bedeutung der Sozialpsychiatrischen Dienste als niederschwelliges Angebot für betroffene Menschen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Wie viele Personalstellen gibt es bei den Sozialpsychiatrischen Diensten des Landes Nordrhein-Westfalen? (Bitte die Entwicklung ab 2012 nach Kreisen und Städten sowie Berufsgruppen aufschlüsseln)

2. Wie viele der unter Ziffer 1. genannten Stellen sind tatsächlich besetzt? (Bitte die Entwicklung ab 2016 nach Kreisen und Städten und Berufsgruppen aufschlüsseln)

3. Welche Ursachen können dazu führen, dass ausgewiesene Stellen bei den Sozialpsychiatrischen Diensten nicht zeitnah besetzt werden?

4. Wie viele Hausbesuche werden von den Sozialpsychiatrischen Diensten durchgeführt? (Bitte die Entwicklung ab 2012 nach Kreisen und Städten aufschlüsseln)

5. Welche Maßnahmen werden von den Sozialpsychiatrischen Diensten veranlasst, wenn Hinweise von Dritten eingehen und die Betroffenen die angebotene Hilfe des Sozialpsychiatrischen Dienstes bei erkennbarer Hilfsbedürftigkeit nicht annehmen?

Iris Dworeck-Danielowski
Dr. Martin Vincentz

 

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1 https://www.psychiatrie.de/kommunale-psychiatrie/sozialpsychiatrische-dienste.html

2 http://www.psychiatrie-koeln.de/sozialpsychiatrische-zentren/sozialpsychiatrischer-dienst

3 https://www.lag-sozialpsychiatrische-dienste-nrw.de/images/pdf/06-die-sozialpsychiatrischen-dienste-in-nordrhein.pdf

4 https://www.navigator-medizin.de/schizophrenie/die-wichtigsten-fragen-und-antworten-zur-schizophrenie/ambulant-oder-stationaer/sozialpsychiatrischer-dienst/398-was-sind-die-aufgaben-eines-sozialpsychiatrischen-dienstes.html

5 https://www.nrz.de/staedte/duesseldorf/2700-menschen-suchten-hilfe-beim-gesundheitsamt-id214201473.html

6 https://www.dgppn.de/schwerpunkte/zahlenundfakten.html

7 https://www.dgppn.de/schwerpunkte/zahlenundfakten.html

8 https://www.dgppn.de/schwerpunkte/zahlenundfakten.html


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 03.12.2019

 

Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 3095 mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie viele Personalstellen gibt es bei den Sozialpsychiatrischen Diensten des Landes Nordrhein-Westfalen? (Bitte die Entwicklung ab 2012 nach Kreisen und Städten sowie Berufsgruppen aufschlüsseln)

Die mit dieser Frage der Kleinen Anfrage erbetenen Informationen konnten binnen der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhoben werden, weil diese Zahlen nicht standardisiert erfasst werden.

Im Rahmen der Erstellung des Landespsychiatrieplans NRW wurden die Strukturen und Leistungen der Sozialpsychiatrischen Dienste in Nord-rhein-Westfalen abgefragt (Stand Dezember 2014).

Zahlen der hauptamtlich Beschäftigten im Dezember 2014 in den Sozialpsychiatrischen Diensten in Nordrhein-Westfalen (Vollzeitäquivalente je Berufsgruppe; N = 47 Kommunen haben Daten dazu geliefert) können nachfolgender Tabelle entnommen werden:

Eine ausführliche Darstellung der Erhebung findet sich im Bericht zu der beteiligungsorientierten Phase im Rahmen der Erstellung des Landespsychiatrieplans NRW (LT-Vorlage 17/19).

2. Wie viele der unter Ziffer 1. genannten Stellen sind tatsächlich besetzt? (Bitte die Entwicklung ab 2016 nach Kreisen und Städten und Berufsgruppen aufschlüsseln)

Die mit dieser Frage der Kleinen Anfrage erbetenen Informationen konnten binnen der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhoben werden, weil diese Zahlen nicht standardisiert erfasst werden.

3. Welche Ursachen können dazu führen, dass ausgewiesene Stellen bei den Sozialpsychiatrischen Diensten nicht zeitnah besetzt werden?

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales steht in regel-mäßigem Austausch mit den Sozialpsychiatrischen Diensten. Diese haben über Probleme insbesondere bei der ärztlichen Stellennach-besetzung berichtet. Als Grund dafür wurde der allgemein zu beobachtende Ärztemangel angegeben.

4. Wie viele Hausbesuche werden von den Sozialpsychiatrischen Diensten durchgeführt? (Bitte die Entwicklung ab 2012 nach Kreisen und Städten aufschlüsseln)

Die mit dieser Frage der Kleinen Anfrage erbetenen Informationen konnten binnen der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhoben werden, weil diese Zahlen nicht standardisiert erfasst werden.

Im Rahmen der unter Frage 1 dargestellten Erhebung gaben alle der dazu antwortenden Kommunen an, dass der jeweilige Sozialpsychia-trische Dienst bei Bedarf eine Abklärung der Krisensituation und Beratung von Betroffenen und Bezugspersonen vor Ort vornimmt (s. LT-Vorlage 17/19).

Eine bundesweite Umfrage zur Arbeit der Sozialpsychiatrischen Dienste des Netzwerks Sozialpsychiatrischer Dienste in Deutschland (https://www.sozialpsychiatrische -dienste.de/app/download/5807970446/2017 11SpDi-Umfrage+Auswertungsbericht.pdf, S. 19) ergab, dass Hausbesuche 39 % der Tätigkeit der Sozialpsychiatrischen Dienste in Nordrhein-Westfalen ausmachen.

5. Welche Maßnahmen werden von den Sozialpsychiatrischen Diensten veranlasst, wenn Hinweise von Dritten eingehen und die Betroffenen die angebotene Hilfe des Sozialpsychiatrischen Dienstes bei erkennbarer Hilfsbedürftigkeit nicht annehmen?

Die Annahme von Hilfeangeboten unterliegt grundsätzlich dem Selbstbestimmungsrecht. Demnach können Betroffene sich gegen die Annahme entsprechender Angebote entscheiden, ohne dass weitere Konsequenzen folgen.

Im vorliegenden Zusammenhang sind davon Fälle nach § 9 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) ausgenommen, in denen Betroffene wegen einer psychischen Krankheit sich selbst erheblichen Schaden zuzufügen oder bedeutende Rechtsgüter anderer zu gefährden drohen.

Hier reichen die Maßnahmen von einer Aufforderung, sich einer Untersuchung in der Sprechstunde des Sozialpsychiatrischen Dienstes zu unterziehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 PsychKG), alternativ einer Behand-lung bei einer Ärztin bzw. einem Arzt der Wahl (§ 9 Abs. 1 Satz 2 PsychKG), bis hin zur Vorführung zur Untersuchung durch die örtliche Ordnungsbehörde (§ 9 Abs. 3 Satz 2 PsychKG). Bei Gefahr im Verzug kann der Sozialpsychiatrische Dienst Wohnungen, in denen Betroffene leben, betreten (§ 9 Abs. 7 PsychKG).

 

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